Susanne Messmer fragt sich, was die CDU im Warenhaus Jandorf verloren hat: Herzbruch in der Brunnenstraße
In der Mitte des Raums hängt ein riesiges Herz von der Decke, das angeblich 750 Kilo wiegt. Ein Lautsprecher spielt Herzklopfen ab, und das ist auch gut so, denn wer sich einmal um die eigene Achse dreht, dem wird allzu schwer ums Herz. Das Warenhaus Jandorf in der Brunnenstraße Ecke Invalidenstraße, direkt neben dem Weinbergspark, konserviert wie nur noch wenige Orte in der Stadt die Aufbruchstimmung, die in den neunziger Jahren in Berlin herrschte. Löcher in den rohen Wänden, kaputte Fenstersimse und tolle Graffiti auf der Fassade: Was hat ausgerechnet hier die CDU mit ihrem begehbaren Wahlprogramm verloren, mit ihrem pochenden Herzen, das die florierende Wirtschaft meint?
Das Kaufhaus Jandorf also. An den Fassaden sind noch immer die Kartuschen mit den Bienen zu erkennen – jenen Symbolen des Fleißes, die Adolf Jandorf anbringen ließ, als er dort 1904 sein Warenhaus bauen ließ. Die Bienen passten gut damals, denn eine Zeit lang florierte das Warenhaus wirklich. Doch dann kam der Krieg, und dann kam die DDR. 1993 kaufte der Frankfurter Hotelier Jacob Schultz das Haus von der Treuhandanstalt. Bis Redaktionsschluss war nicht in Erfahrung zu bringen, warum aus seinen Plänen, das Haus aufzupolieren, nie etwas geworden ist und warum es bis heute nur an Events wie die Fashion Week vermietet wird.
Was will uns die CDU also sagen, indem sie sich an diesem nostalgischen Ort eingenistet hat? Will sie etwas vom Glamour abhaben, den diese Gegend einmal versprühte? Oder denkt sie etwa, dass hier noch Aufbruch herrscht? Diese Art von CDU-Aufbruch halt: statt besetzter Häuser und illegaler Clubs Co-Working-Spaces und Start-up-Büros. Nicht mehr Brötchen holen in Puschen, sondern zur Arbeit im feinen Zwirn. Nur das Warenhaus Jandorf: Das hätte die liebe CDU für ihren herzlosen Auftritt nun wirklich etwas mehr auf Vordermann bringen müssen.
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