Super-Nazi: Schweizer Lobgesänge
La Kolumnevon Johannes Kopp
Etwas irritierend ist es schon. „Super Nazi, super Nazi, hey, hey“, schallt es durch die Metro in Lille. Und weil dazu etwa hundert Schweizer mit großen Kuhglocken hüpfen, wackelt der Waggon fast schon wie ein Kuhschwanz. „Was sind wir?“, brüllt plötzlich einer im Wagen. „Bööööööös“, grölt die Menge zurück und lacht. Neben mir sitzt ein sehr verschreckter älterer Franzose. Seine Hände krampfen sich um seinen Stock. Den Blick richtet er starr auf den Boden. Nur ab und an richten sich seine Pupillen blitzartig und verängstigt auf diese rot-weiß gewandeten Gestalten, um ebenso schnell wieder an ihren Ursprungsort zurückzukehren. Er sehnt ganz offensichtlich das Ende dieser Fahrt herbei wie Kinder sonst Weihnachten. „Olé, olé, olé, olé, olé, super Nazi“, setzt es wieder ein.
Gern würde ich meinem Sitznachbarn erklären, dass die Schweizer Nationalmannschaft Nati heißt und Nazi ausgesprochen wird und das hier ein ganz harmloses und lustiges Grüppchen ist. Aber dafür ist es viel zu laut, und vielleicht bekommt der ältere Herr ja grundsätzlich Angstzustände, wenn er sich mit so viel schreienden Menschen die Metro teilen muss.
Der größte Schweizer Hit dieser Tage wird dann in der Bahn auf dem Weg zum Stadion auch noch angestimmt. Es ist Breel Embolo gewidmet, dem Stürmer mit den kamerunischen Wurzeln, der künftig für Schalke spielen wird. In der „Schwiizer Nazi“, wird voller Stolz über den neuen Liebling gesungen, da ist der Breel dabei.
Ja, die „Schwiizer Nazi“ ist seit geraumer Zeit ein Schmelztiegel der Kulturen. Zu ihrem Einzug ins Achtelfinale hat neben Kamerun auch Albanien, der Kosovo, die Elfenbeinküste, Mazedonien und viele mehr ihren Beitrag geleistet. Und die Fans haben gefeiert: „Super Nazi, super Nazi, hey, hey.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen