: Super Geschäfte für alle
Solange es schlüssige künstlerische Konzepte gibt, kann Berlin auch vier Kunstmessen vertragen. Das war zumindest das Resümee der Organisatoren beim Talk in der Arena
Nach dem Kunstmessenmarathon der vergangenen Woche ist die Frage durchaus berechtigt. „Wie viele Messen braucht die Stadt?“, das war der Titel einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend in der Arena. Zum Abschluss des dort stattfindenden 2. Kunstsalons diskutierten die Vertreter aller vier Kunstmessen: Sabrina van der Ley vom Artforum, Kristian Jarmuschek von der Preview, Wolfram Völcker als Macher der Berliner Liste und Edmund Piper vom Berliner Kunstsalon.
Dabei war auffällig, wie überaus freundlich die Teilnehmer miteinander umgingen. Tunlichst vermied man den Eindruck, hier säßen Konkurrenten an einem Tisch. Warum auch streiten, wenn die Zahlen für alle Messen positiv sind: Das Artforum verkündet mit 37.000 Besuchern einen neuen Rekord, ein Anstieg von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wolfram Völcker hat bei der Berliner Liste 10.000 Kunstinteressierte gezählt, doppelt so viele Besucher wie 2004. Zur neu gegründeten Preview kamen rund 9.000 Besucher, beim 2. Kunstsalon waren es rund 8.000 und damit etwas mehr als im Vorjahr.
Statt also auf Konfrontationskurs zu gehen, stellten gerade die Vertreter der drei kleineren Messen noch einmal ihre spezifischen Herangehensweisen dar. Was den Kunstsalon betrifft, leuchtet dessen Besonderheit in der Tat schnell ein: Edmund Piper betonte, dass seine Messe sich an junge, finanzschwache Künstler und Galerien richte und sich gar nicht so sehr ums Verkaufen schere. Man wolle mehr als eine Messe sein, daher gäbe es beim Kunstsalon auch keine reinen „Verkaufs-Kojen“, sondern vor allem größere Ausstellungsflächen.
Doch was genau unterscheidet etwa die Preview von der Berliner Liste? Und graben sich diese beiden Messen, deren Macher im vergangenen Jahr noch gemeinsam angetreten waren, nicht gegenseitig das Wasser ab? Nein, betont Wolfram Völcker. Die Berliner Liste sei gut gelaufen, es sei überhaupt „ein super Geschäft für alle gewesen.“ Kristian Jarmuschek weist dann anschließend aber doch auf die Unterschiede beider Messen hin: die „Grundstruktur“ sei bei der Preview eine völlig andere, durch den „Netzwerkgedanken“ habe man bei seiner Messe vor allem auf die Kooperation der Galerien gesetzt, gerade auch nicht-heimische Galerien hätten durch ihre Außenperspektive wichtige Impulse gegeben.
Unter Rechtfertigungsdruck steht das Artforum nicht, und sicherlich auch nicht im Konkurrenzkampf mit den kleineren Messen. Sabrina van der Ley sagt denn auch, dass „alles, was die Szene in breiterer Basis darstellt, zu begrüßen ist.“ Entsprechend fällt auch das Fazit aus: Alle vier Messenvertreter sind durchweg zufrieden. Man betrachtet sich nicht als Konkurrenz, vielmehr nimmt jede Veranstaltung für sich in Anspruch, sein eigenes Publikum anzuziehen.
Und die Leute kamen nicht nur, sondern sie kauften auch: Edmund Piper schätzt, dass beim Kunstsalon etwa 100.000 Euro umgesetzt wurden. Eine solche Summe hätten bei der Preview einzelne Kojen erreicht, erzählt Kristian Jarmuschek, dort seien einzelne Räume fast komplett leer gekauft worden. Äußerst zufrieden mit den Verkaufszahlen zeigen sich auch das Artforum und die Berliner Liste. So konnte etwa die aus Düsseldorf stammende Galeristin Anna Klinkhammer auf der Berliner Liste eine komplette Raum-Installation von Andrea Lehmann an das Sammlerehepaar Don und Mara Rubell aus Miami verkauft – für 45.000 Euro.
Bei so vielen Erfolgsmeldungen liegt die Frage, ob das alles immer so weiter gehen wird, auf der Hand. Ist die Kunst ein ernstzunehmender Wirtschaftsfaktor für Berlin? Oder könnte der Kunstmarkt bald wie jüngst die New Economy seifenblasengleich zerplatzen, will Moderator Peter Kees wissen. Doch davon sehen sich die Messenvertreter weit entfernt. Es gehe momentan noch darum, die Hemmschwelle abzubauen, Kunst zu kaufen, sagt Kristian Jarmuschek. Solche Entwicklungen kann Sabine van der Leyen bereits erkennen: Mittlerweile werde beim Artforum auch von Sammlern aus Deutschland und gerade auch aus Berlin gekauft. Zudem habe sich das Publikum verjüngt. Es seien jetzt die 35- bis 40-Jährigen, die sich mit Künstlern ihrer Generation auseinander setzen wollten.
Zum Abschluss widmet sich die Runde dann doch noch der eigentlichen Frage: Für die Vertreter der kleineren Messen steht fest, dass Berlin so viele Messen vertragen kann, wie es schlüssige Konzepte gibt. Vorstellbar sei daher schon, dass in den kommenden Jahren noch weitere Messen dazukommen. Für Sabrina van der Ley ist hingegen ein Limit erreicht: „Mehr muss es jetzt wirklich nicht sein, denn dann könnten wir im kommenden Jahr auch gleich einen Galerienrundgang durch die ganze Stadt machen.“ SEBASTIAN FRENZEL