Suharto stirbt unbehelligt : KOMMENTAR VON SVEN HANSEN
Der Tod eines langjährigen Diktators wie jetzt im Fall von Indonesiens Suharto könnte etwas Befreiendes haben. Ein Land könnte fortan unbeschwert in die Zukunft blicken, immerhin wäre eine dunkle Epoche endgültig vorbei. Doch im Fall Indonesien wird das nicht funktionieren. Denn mit Suhartos Tod stirbt auch die Chance für eine ernsthafte und umfassende Aufarbeitung der blutigen und korrupten Geschichte seiner 32-jährigen Herrschaft. Indonesiens Elite, die von Suhartos Herrschaft bis heute profitiert, hat bislang kein Interesse an einer ernsthaften Aufarbeitung. Deshalb ist Suharto unbehelligt gestorben.
Selbst wenn nach seinem Tod noch ein wenig in der Geschichte gegraben werden sollte, dürfte dies nur darauf hinauslaufen, dem Exdiktator alle Schuld zuzuschieben. Die zahlreichen Mittäter könnten sich so reinwaschen. Und Suharto selbst kann ja niemanden mehr belasten. Indonesien hat also eine riesige Chance ungenutzt gelassen. Darunter werden die demokratischen Errungenschaften der letzten Jahre zu leiden haben. Denn die Macht der Nutznießer von Suhartos „neuer Ordnung“ wurde nie gebrochen, ein echter Neuanfang blieb aus.
Doch nicht nur innerhalb Indonesiens blieb die Aufarbeitung der Diktatur im viertgrößten Land der Welt aus, sondern auch international. Während sich Potentaten wie Serbiens Milošević oder auch noch ein paar greise Exführer der Roten Khmer auf die ein oder andere Art zu verantworten hatten oder noch haben, drückten die westlichen Staaten bei Indonesiens Machthaber stets ein Auge zu. Dabei war er für den Tod von einer halben bis einer Million Menschen verantwortlich. Hier zeigt sich die Doppelmoral des Westens, was die Menschenrechte angeht.
Suhartos wichtigste Stütze in Europa war Deutschland. Unter Bundeskanzler Kohl, aber nicht nur unter ihm erhielt sein Militär deutsche Waffen. Damalige Staatskonzerne wie die Deutsche Telekom machten dicke Geschäfte mit seiner Familie. Für Indonesiens Demokraten ist es zynisch, dass deutsche Politiker das Land zur Zeit der Diktatur hofierten, sich aber heute bei der mühsamen Entwicklung der Demokratie kaum noch dort blicken lassen.
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