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Suffweltmeister im Drogenkrieg – Teil 3 Von Mathias Bröckers

Als unglückliches Zusammentreffen von „Sonne und Alkohol“ hat der Magdeburger Polizeipräsident Stockmann die Ausländerhatz in seiner Stadt bezeichnet. Für den Leiter des Ordnungsamts war die brutale Jagd auf Afrikaner nicht mehr als eine „bessere Wirtshausschlägerei“, sein OB findet, die Sache solle „nicht überbewertet“ werden. Innenminister Remmers ist von der Leistung der Polizei, die die prügelnden Neonazis stundenlang gewähren ließ, schlicht „beeindruckt“. Daß der Mob an diesem Tag Randale plante, war bekannt – für die Polizei freilich kein Grund für verstärkte Präsenz. Alkohol, Sonne und Nazis randalieren, wie sie gerade lustig sind – Herrentag in Magdeburg.

Zwei Tage später in Darmstadt: Die studentische „AG Hanf“ der örtlichen Hochschule hat zu einem „Cannabis-Weekend“ geladen: Mit Diskussionen, Workshops und Musik soll „das Ende der Hanf- Prohibition eingeläutet werden“. Schon im Vorfeld war die Veranstaltung vom SPD-Bürgermeister verboten, die zugesagten Räumlichkeiten abgesagt worden. Trotzdem hatten sich Tausende Hanf- Fans aus ganz Deutschland an diesem Wochenende nach Darmstadt aufgemacht – nur kamen sie nicht weit. Sämtliche Zufahrten zur Stadt waren weiträumig abgeriegelt, auf den Autobahnen kilometerlage Staus in alle Himmelsrichtungen, kreisende Polizeihubschrauber, jedes Auto, das in die Stadt will, wird kontrolliert. Und wer jung, langhaarig oder mit bunten Stoppeln daherkommt, wird rausgewunken und gefilzt. In der Stadt selbst lange Schlangen von Einsatzwagen an nahezu jeder Ecke. Die vielleicht 3.000, die sich durchgeschlagen haben, marschieren, von Einsatzwagen eskortiert, von der Innenstadt auf die Universitätswiese. Von ihrem Vorsatz zu räumen läßt die Polizei erst ab, als der Rektor das bunte Volk zu seinen Gästen erklärt. Ein Mikrofon für eine Diskussion darf nicht installiert werden. Aus Lärmschutzgründen. Der Polizeibericht verzeichnet als Beute der Riesenstaatsaktion am nächsten Morgen 521 Gramm Cannabis, was bei 51 Festnahmen einem Durchschnitt von zehn Gramm entspricht. Bei der Kontrolle Tausender PkWs wurde ein brisantes Waffenarsenal von vier Messern und zwei Damengasrevolvern beschlagnahmt.

Zwei deutsche Szenen, die zeigen, wie im Land des Alkoholkonsum-Weltmeisters mit zweierlei Maß gemessen wird. Stellen wir uns nur einen Moment vor, daß unter der Einwirkung von Hanfdrogen Aggressionen ausbrechen würden, wie sie „Sonne und Alkohol“ dieses Mal in Magdeburg heraufbeschworen haben – die „Killerdroge Hasch“ wäre augenblicklich der Staatsfeind Nr. 1. Den Arsch aufgerissen bekommen hierzulande freilich nicht die randalierenden Suffköppe, sondern die friedlichen und fröhlichen Hänflinge. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß illegale Drogen nur den Sündenbock darstellen, mit dem sich die Gesellschaft ihres Drogenproblems zu entledigen sucht – am vorvergangenen Wochenende war er in Magdeburg und in Darmstadt zu besichtigen. Die FAZ lobte anschließend den Darmstädter OB für seine Härte gegenüber „Dealern“. Von einer Forderung, den Alkoholdealern künftig die öffentliche Werbung zu verbieten, war keine Zeile zu lesen. Das ist Marktwirtschaft. Keine Macht den Doofen!

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