: Sündenbock Honecker
Wachsende Kritik an Honecker von allen Seiten ■ E R E I G N I S D D R
Jetzt endlich lüftet sich das Geheimnis um die Polizeieinsätze während der 40-Jahr-Feiern. Wie schon lange vermutet, bestätigte Donnerstag nacht der Vorsitzende der Liberalen Gerlach im DDR-Fernsehen, Egon Krenz habe den Schießbefehl von onecker wieder rückgängig gemacht. Erich Honecker hatte sich kurz vor der Sendung erstmals wieder zu Wort gemeldet, über den Inhalt der Erklärung wurde jedoch nichts bekannt. Dick kam es für den alten Erich auch, als der neue Egon die Schuld für die Misere allein der Parteiführung zuschrieb. Honecker habe persönliche Verantwortung übernommen. Krenz verriet auch, er sei am 9. Oktober in Leipzig gewesen und habe die Konflikte dort politisch lösen wollen. Das soll heißen, er habe den Schießbefahl Honeckers nicht befolgt. Ob da nicht eine neue Legende im Anzug ist? Waren es nicht doch die Russen? Jetzt packt sogar das 'Neue Deutschland‘ über den Alten aus. Erich habe das Verbot der sowjetischen Zeitschrift 'Sputnik‘ zu verantworten. Und Willy Stoph, der alte inisterpräsident, setzte noch eins druff: Honecker habe einsame Entscheidungen am Ministerrat vorbei getroffen. Daß dem das nicht vorher aufgefallen ist?
Daß der neue Kurs Erfolg hat, zeigt sich in der Zahl der Übersiedler. Nur 8.500 wollten in der BÄRDÄ bleiben, seit die Mauer auf ist. Und die Tendenz ist fallend. Aus Freude darüber und um ihre Heimat zu verschönern, wollen DDR -Künstler nun die Mauer auch im Osten anmalen. Der Maler Manfred Butzmann bekam von seinen Kollegen wegen dieses Vorschlags großen Beifall.
Der Rektor der SED-Parteihochschule Karl Marx Kurt Tietke wurde zwar schon am Mittwoch abgelöst, aber erst gestern wurde das bekannt.
In der DDR lebende Ausländer dürfen immer noch nicht raus. Sie müssen weiter Paß und Visa haben. Dagegen hat der Krenz, obwohl er es kann, noch kein Visum beantragt. Ach so, der kann doch sowieso...
Wie schon in Ungarn die Freien Demokraten, fordern nun auch die DDR-Liberalen die Auflösung der Betriebskampfgruppen. Diese bewaffneten Vorhäute der Arbeiterklasse mit ihren mehr als 400.000 Mann sind sogar mit schweren Waffen ausgerüstet. Doch auch an denen wird die Demokratiebewegung nicht spurlos vorbeigegangen sein. Vielleicht wie in Ungarn?
Reformamtshilfe wollen ausgerechnet die Verfassungsschützer der BRD ihren Kollegen von der Staatssicherheit geben. Sie schickten ihre eigenen Reformvorstellungen nach drüben. Wieviel Amtshilfe gab es wohl bislang schon?
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