Südkoreanischer Film "Das Hausmädchen": Racheakte im Hochglanzformat
Sang-soos Remake eines Filmdramas von 1960 handelt von einer Dienstbotin, das das Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber auf den Kopf stellt. Ein Chabrol-Plot auf südkoreanisch.
Mit einem Knall geht es los: Es ist ein dumpfes, unangenehmes Geräusch, das den Zuschauer in Schockstarre versetzt. Man wird nicht erfahren, warum sich die junge Frau aus dem Fenster gestürzt hat, doch man ahnt, dass der Regisseur mit dieser Szene ein Zeichen setzen will. Jedenfalls bangt man schon zu Beginn von Im Sang-soos Film "Das Hausmädchen" um die Titelheldin Eun-yi. Obwohl sie die Selbstmörderin nicht kannte, scheint sie in ihr eine Leidensgenossin zu entdecken - eine Seelenverwandtschaft, die über den Film hinaus auf einen koreanischen Kinoklassiker verweist.
Schon Kim Ki-youngs 1960 gedrehtes gleichnamiges Original kreist um das Schicksal eines Dienstmädchens, das den Hausherrn in jeder Hinsicht zu bedienen hat. In Im Sang-soos Film wird eine protzig eingerichtete Villa zur neuen Arbeitsstelle der Heldin. Unter den Argusaugen einer älteren Haushälterin verrichtet sie ihren Dienst: Putzen, Kochen, das Hüten der Tochter. Gebannt verfolgt man, wie sich das Verhältnis von Herr und Dienerin langsam verschiebt. Das Bild einer Klasse entsteht, die ihr Personal wie ihren Besitz behandelt. Man muss an Claude Chabrols Film "Biester" denken, in dem Sandrine Bonnaire eine Haushälterin spielt, die zur Gegenwehr ansetzt.
Exzessiv wird die Rache auch in den beiden südkoreanischen Filmen betrieben. Im Original von 1960 muss die Herrin des Hauses plötzlich allein im Bett schlafen, weil es Eun-yi nach dem Gatten gelüstet. Bei Im Sang-soo wird die Villa zum Schauplatz weiblicher Grabenkämpfe. Der Exzess erschöpft sich allerdings nicht in bloßer Perfidie, vielmehr dient er den Filmemachern als Vergrößerungsglas für eine Gesellschaftsschicht, deren oberstes Gebot die Besitzstandswahrung ist.
Die auf Hochglanz getrimmte Optik verleiht Im Sang-soos Remake einen hyperrealistischen Touch, der das Groteske des Stoffes deutlich hervortreten lässt. Da kann noch so erlesener Rotwein getrunken werden, es handelt sich nicht um eine gelebte, sondern um eine im globalen Supermarkt der hübschen Herrschaftszeichen eingekaufte Kultur.
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