Südasienexperte über Kriegsgefahr in Indien: "Es kann nur den Dialog geben"
Es wird keine militärischen Konflikt zwischen Indien und Pakistan geben, ist sich der Südasienexperte Christian Wagner sicher.
taz: Herr Wagner, wie groß ist angesichts der Schuldzuweisungen Indiens an Pakistan das Risiko einer militärischen Konfrontation zwischen den Atomstaaten?
Christian Wagner ist Südasienexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.
Christian Wagner: Ich glaube nicht, dass es zu einer militärischen Konfrontation kommt. Trotz der Rhetorik wird sich Indien nicht zu Militärschlägen hinreißen lassen. In der Kargil-Krise 1999 wurden auch keine Ziele in Pakistan angegriffen. Das wäre eine Eskalation, die auch Indien vermeiden will.
Wenn Indiens Generalstabschef sagt, alle Optionen sind offen, ist das nur Rhetorik?
Ja. Das sind Drohgebärden, die in so einer Krise offenbar gemacht werden müssen. Würde die Regierung einem militärischen Vorgehen zustimmen, würde Pakistans Regierung Truppen von der afghanischen an die indische Grenze verlegen und den Antiterrorkampf schwächen. Das kann nicht in Indiens Interesse sein.
Die USA nehmen sich das Recht, "Terrorcamps" in Pakistan mit Drohnen zu beschießen. Warum sollte Indien nicht ähnlich reagieren?
Indien leidet schon viel länger unter pakistanischen Terrorgruppen. Es wurden bisher nie Ziele in Pakistan angegriffen. Bei US-Angriffen auf Lager in Pakistan gibt es gewisse Übereinstimmung mit Islamabad, dass Angriffe mit Drohnen okay sind, mit Bodentruppen nicht. Bei indischen Angriffen würde das zu einer Eskalation führen.
Was kann Indien denn tun?
Indiens Optionen sind begrenzt. Es kann bestimmte Gesprächsrunden aussetzen, wie man das schon mal nach einem früheren Anschlag für einige Monate gemacht hat. Aber alles, was die Krise eskaliert, ist kontraproduktiv.
Indien wird während des beginnenden Wahlkampfes nur symbolische Sanktionen verhängen können, muss dann aber auf Dialog setzen?
Es kann nur den Dialog geben, und für den gibt es gute Möglichkeiten. Indien und Pakistan haben jetzt erstmals einen gemeinsamen Feind. Die islamistischen Gruppen sind ein Feind für Indien wie für Pakistan. Der Anschlag zeigt viel stärker den Riss, der durch das pakistanische Establishment geht, zwischen den Liberalen, also Präsident, Premier und Innenminister und wohl Teilen der Armee einerseits, und den konservativ-islamistischen Kreisen andererseits, welche die Annäherung zurückdrehen wollen. Deshalb hat Pakistan ein viel größeres Problem als Indien. Denn in Islambad weiß die Regierung nicht, wie sie wirklich dieser Kräfte Herr werden kann.
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