das portrait: Sudans Bevölkerung wagt den Aufstand gegen Dauerdiktator Omar al-Bashir
Er wirkt wie ein Relikt einer vergangenen Ära. Seit 1989 ist Omar Hassan al-Bashir im Sudan als Präsident an der Macht, länger als jeder andere Staatschef der Nordhälfte Afrikas oder der arabischen Welt, mit Ausnahme Omans. Heute, im Alter von 74 Jahren, ist Bashir Zielscheibe eines beispiellosen Volkszorns im eigenen Land: Tausende gehen gegen ihn auf die Straße, und selbst engste Mitstreiter äußern scharfe Kritik.
Bashir bedeutet auf Arabisch „Überbringer guter Nachrichten“, aber seinem Land hat der Karrieresoldat nicht wirklich gut getan. Er ergriff am 30. Juni 1989 in einem unblutigen Militärputsch die Macht und stürzte die gewählte Vorgängerregierung von Sadiq al-Mahdi. Es war ein Putsch der des endlosen Antiguerillakrieges im Süden des Landes überdrüssigen Soldaten in Sudans Armee, geführt von einem respektierten Veteranen des ägyptischen Yom-Kippur-Feldzuges gegen Israel von 1973. Seit 1960 war Bashir schon Soldat gewesen.
Als neuer Militärherrscher versprach er 1989 seinem Land ein Ende von Krieg und Korruption. Aber beides prägt Sudan bis heute. Mit Südsudans Guerilla schloss Bashir zwar 2005 Frieden und der südliche Landesteil durfte sich 2011 abspalten – aber Darfur im Westen Sudans hat unerbittliche Vernichtungsfeldzüge erlebt, die von den USA und von den Ermittlern des Internationalen Strafgerichtshofs als Völkermord gewertet werden und in anderen Landesteilen ihre Fortsetzung gefunden haben.
Auf nationaler Ebene muss sich Bashir vorwerfen lassen, sein Land verkleinert und den Süden verloren zu haben, ganz abgesehen von der gigantischen Krise, in die er Sudan jetzt geführt hat. Aber er ist auch der Landesvater, der einer feindlichen Welt trotzt, der zumindest bis heute jeden Rivalen kaltgestellt hat und alle Fäden der Macht in der Hand hält. Auch auf der internationalen Bühne schaffte Bashir immer den Spagat zwischen Paria und Partner – fast so perfekt wie sein alter Freund und Rivale Gaddafi in Libyen, dessen schmähliches Ende als gejagtes Lynchopfer der Sudanese um jeden Preis vermeiden will.
Einerseits wurde Bashir bereits von US-Präsident Bill Clinton mit Sanktionen und Militärschlägen für seine Nähe zu militanten Islamisten bestraft – andererseits erkor ihn die CIA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zum Partner gegen ebenjene Islamisten. Einerseits wurde Bashir auf Beschluss des UN-Sicherheitsrates wegen Darfur zum Fall für den Internationalen Strafgerichtshof, dessen zwei Haftbefehle gegen ihn wegen Völkermordes aus den Jahren 2009 und 2010 bis heute in Kraft sind – andererseits lässt er sich regelmäßig auf Gipfeltreffen und bei Staatsbesuchen von arabischen und afrikanischen Amtskollegen umarmen und feiern.
Sein jüngster Staatsbesuch im Ausland führte Bashir erst Mitte Dezember nach Syrien. Der dortige Diktator Assad weiß, wie man Volksaufstände überlebt. Wobei Bashir von jemandem, der am 30. Juni 1989 erst 23 Jahre alt war, sicher keine Lektionen in Sachen Blutvergießen nötig hat. Dominic Johnson
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