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Suche nach PsychotherapeutenSoziale Auslese vor der Therapie

Nicht alle Patienten schaffen den Suchmarathon nach einem geeigneten Psychotherapeuten. Vor allem Kassenpatienten scheitern oft.

Bis zur ersten Therapiesitzung muss eine lange Wartezeit überbrückt werden. Bild: imago/chromorange

Wenn Dieter Pfaff als Bloch im Fernsehen den Therapeuten gab, war auf eines stets Verlass: Am Ende fand er die Ursache für das Leiden seiner PatientInnen heraus und erlöste sie damit von ihrer Seelenpein. Doch gilt die Fiktion auch in der Realität? Wie wirksam ist die Psychotherapie tatsächlich?

Die Frage ist auch deshalb von Bedeutung, weil eine Novellierung des Psychotherapeutengesetzes ansteht. „Psychotherapie wirkt“, stellt der Kölner Psychotherapieforscher Volker Tschuschke fest. „Weltweit weiß man aus Studien, dass sie zwischen 40 und 67 Prozent den Patienten nützt.“

Seit US-amerikanische Psychiater Anfang der 1950er Jahren die Wirksamkeit von Psychotherapien generell infrage stellten, sind unzählige Untersuchungen zu diesem Thema erschienen.

Dabei sind Studien, die unter Laborbedingungen die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen testen, kaum auf die Realität übertragbar. Mehr Aussagekraft haben Verbraucherstudien, die die Wirksamkeit von Psychotherapie aus der Sicht von PatientInnen untersuchen.

In größerem Umfang wurde das zum ersten Mal 1995 von Martin Seligman für die Verbraucherzeitung consumer report gemacht. Von 2.900 PatientInnen, die sich einer Psychotherapie unterzogen hatten, gaben dabei 44 Prozent an, sich geheilt, und 43 Prozent sich deutlich besser zu fühlen.

Viele brechen vorzeitig ab

Ähnliche Ergebnisse brachte 2011 eine Umfrage der Stiftung Warentest, die 4.000 Menschen mit psychischen Problemen befragte: 77 Prozent gaben an, dass sich ihre Störungen deutlich gebessert hatten.

Dennoch gibt es eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen, die Therapien vorzeitig abbrechen, deren Zustand sich im Laufe einer Therapie nicht verändert oder sogar verschlechtert hat. Für Letztere wird je nach Studie und Forscher ein Prozentsatz von 5 bis 27 Prozent angegeben. Tschuschke führt solche Misserfolge auf eine mangelnde „Passung“ von Patienten- und Therapeutenpersönlichkeit zurück.

Immer wieder wird in der einschlägigen Literatur die Bedeutung der therapeutischen Beziehung betont. Sie gilt in der Psychotherapieforschung als wichtigste Wirkkomponente.

Sympathie ist wichtig

Deshalb wird PatientInnen auch empfohlen, genau darauf zu achten, dass ihnen die Therapeutin oder der Therapeut sympathisch ist. Gerade das erweist sich aber oft als kaum realisierbar. Wer unter großem Leidensdruck steht, wird kaum mehrere Therapeuten in Probesitzungen testen, bis er die oder den richtigen gefunden hat.

So findet noch vor der eigentlichen Therapie ein soziale Auslese statt. Nur wer genügend seelische Stabilität besitzt, um den Suchmarathon nach dem richtigen Behandler durchzustehen, hat eine Chance.

So verwundert es nicht, dass in Studien zur ambulanten Psychotherapie wie etwa in der 2011 veröffentlichen Untersuchung der Techniker Krankenkasse die leichten psychischen Störungen überwiegen.

Hier behält der Satz des verstorbenen Psychotherapieforschers Hans H. Strupp seine unverminderte Gültigkeit. Der hatte schon vor Jahren festgestellt: „Psychotherapie ist da am wirksamsten, wo sie am wenigsten nötig ist.“

Drei Monate Wartezeit

Verschärfend kommt hinzu, dass einer immer größeren Zahl an Therapiewilligen eine gleichbleibende Zahl an Kassentherapeuten gegenüberstehen. So sind drei Monate Wartezeit auf ein Erstgespräch in Großstädten das Minimum, auf dem Land oder bei beliebten, weil oft weiterempfohlenen Behandlern können schon einmal Jahre vergehen.

Solche Engpässe sind aber nicht den Therapeuten anzulasten. Vielmehr finden sie ihre Ursache im 1999 verabschiedeten Psychotherapeutengesetz, dessen Bedarfsplanung aus dem Jahr 1998 stammt. Die Zahl der Kassensitze für Psychotherapeuten ist dort streng reglementiert und muss zwischen Ärzten und Psychologen aufgeteilt werden.

So gibt es zwar genügend gut ausgebildete Psychotherapeuten aber keine ausreichende Zahl an Kassensitzen. Hinzu kommt, dass das Psychotherapeutengesetz die kassenfinanzierten Verfahren auf Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie und Psychoanalyse einschränkt. Eine solche Begrenzung ist aber aus wissenschaftlicher Sicht kaum zu begründen.

Alle wirken gleich gut

Das am besten belegte Ergebnis der Psychotherapieforschung, auch als „Dodo Bird effect“ bekannt, ist nämlich, dass alle Therapien gleich gut wirken. Eine Überbetonung der Methode ist sogar eher kontraproduktiv.

So fand Tschuschke in einer Verlaufsstudie mit 300 Patienten heraus, dass Therapeuten, die flexibel Elemente aus verschiedenen Verfahren auswählten und auf den jeweiligen Patienten abstimmten, die besten Ergebnisse erzielten.

Insofern ist zu hoffen, dass das neue Psychotherapeutengesetz auch eine Öffnung hinsichtlich der zugelassenen Verfahren bringt. Vielleicht ist dabei ein Blick ins benachbarte Ausland hilfreich. So sind zum Beispiel in Österreich über 20 psychotherapeutische Verfahren anerkannt.

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22 Kommentare

 / 
  • S
    Skinner

    Oh Himmel, von Psychotherapeuten habe ich wahrlich genug. Hätte ich nicht angefangen selbst nach Lösungen für mein Problem zu suchen wäre ich heute immer noch irgendwelchen Therapeuten ausgeliefert die in der Therapie eigentlich machen was sie wollen und jeglichen roten Faden vermissen lassen. Es ist unbedingt notwendig die Qualitätsstandards von Psychotherapien durch einheitliche Qualitätskriterien überprüfen zu lassen. Und zwar so das der Patient in diesem Falle mit der Krankenkasse zusammenarbeitet und z.B. kontinuierlich Rückmeldung über den Therapieverlauf gibt. Was einige Therapeuten sich in ihrer Arbeit erlauben ist einfach eine Frechheit.

    Niemand sollte dazu gezwungen werden ein halbes Psychologiestudium zu absolvieren um einigermaßen mit seinen psychischen Problemen zurecht zukommen.

  • H
    Hendrik

    @Anita: Es mag sein, dass sie persönlich von eine Verhaltenstherapie nicht profitiert haben.Dies kann natürlich mit der Therapieform, aber auch mit der Persönlichkeit des Therapeuten oder anderen Merkmalen zu tun haben. Ich plädiere auch nicht dafür, andere Therapieformen ganz abzuschaffen.

    Wenn es allerdings so ist, dass die Nachfrage weitaus größer ist als das Angebot und es offensichtlich nicht durchgesetzt werden kann, dass mehr Kassensitze angeboten werden - Dann bin ich nach wie vor dafür, dass mehr Verhaltenstherapeuten eingestellt werden, weil diese einfach durch die durchschnittlich kürzeren Therapiedauern mehr Menschen pro Zeiteinheit helfen können.

     

    Zu der Studienproblematik: Nur weil eine oder auch mehrere Studien keinen Unterschied zwischen Therapieformen feststellen, heißt dies noch lange nicht, dass auch keiner besteht. Wenn sie sich ein wenig mit Statistik beschäftigen wissen sie, dass die Unreliabilität der Messinstrumente und statistische Tests mit geringer Power (wie dies bei den typischerweise kleinen Stichproben häufig der Fall sein kann) unweigerlich dazu beitragen, dass die Wahrscheinlichkeit einen Unterschied zu finden gering ist. Mit anderen Worten: Es ist keine Kunst eine ganze Reihe von Studien durchzuführen und zu dem Ergebnis zu kommen, das kein Unterschied vorliegt. Die statistischen Verfahren sind naemlich nicht darauf ausgerichtet die Gleichheit von 2 oder mehreren Gruppen zu testen sondern ihre Ungleichheit.

    Sicherlich gibt es auch einige Studien in diesem Feld, die ausreichende Power aufweisen und reliable Messinstrumente eingesetzt haben, allerdings ist gerade der Schluss das es eben "keinen Unterschied gibt" oft ein Fehlschluss.

  • HO
    Homo Oeconomicus

    "Autonom ist der Mensch, der fähig ist, Lust, Wohlbefinden, Zufriedenheit und Sicherheit zu erreichen, und zwar aus eigener Kraft."

    Genau diese Autonomie wird segregationspolitisch entfernt und mit "Verbraucherstudien" kontrolliert. "Du machst kein Sinn, nur Geld"

    Dabei gibt es die aussagekräftige Heidelberger Prospektive Studie mit 30000 Personen.

     

    Beamte die ihre Arbeit verrichten werden zwangspsychiatrisiert, Whistelblower wie Mollath werden staatlich in ihrer ganzen Existenz vernichtet.

     

    Die Pharmaindustrie erhielt für die Entwicklung neuer schnellwirkender Pillen zig Billionen Forschungsgelder, das NEWMEDS-Projekt. Eine schnelle Reparatur eines systemrelevanten Menschen muss sein. Inzwischen benötigt fast jeder Schüler/Berufstätige eine Krisenintervention. Welche Regulation führen Journalisten durch??

     

    Die Frage wer die Skinner-Box, in der wir leben, betreibt, wirft ebenso die Frage ob an der Ursache oder Wirkung etwas geändert werden soll, auf.

    Die Gesundheitsindustrie behandelt häufig nur Symptome da eine Dauerbehandlung ihre Existenz sichert. Arzthelferin werden am Verkauf und Umsatz der Produkte beteiligt. Besser wäre, je gesünder der Mensch, desto mehr Geld.

     

    Die KVen, das Problem hat ein Problem mit der Frage was innerhalb der industriellen Welt als Krank zu definieren ist. Und so werden alle Länder und deren Menschen durch die WHO/ICD und Pharmaindustrie gleich gemacht. Der reale Kommunismus!

     

    Unter dem Deckmantel des Subsidiaritätsprinzip/Calvinismus (Jeder hat selber Schuld an seinem Zustand/Krankheit, nicht angepasst!) wird die industrielle Novellierung durchgeführt.

    Frage niemals einen Friseur ob die Haare zu lang sind, sie sind es immer, sofern Geld vorhanden ist.

    Die scheinbar beste Therapie ist die der physisch/psychischen Aussteiger, teils durch Therapeuten begleitet.

    Aussteiger gibt es in Europa zig Millionen, in Bayern vorzugsweise suizidal.

    "Die Entdeckung der Faulheit" Corinne Maier

  • A
    anamnese

    @jenny: Darüber, was in der Therapie hilft, sagen die im Artikel erwähnten Studien schon etwas aus. 1. scheint es wichtig zu sein, dass die Chemie zwischen Klienten und Therapeuten stimmt und 2. ist es offenbar gut, wenn Therapeuten unabhängig von ihrer erlernten Therapierichtung sehr individuell auf die Klienten eingehen. Beides ist aber nur möglich, wenn ein ausreichendes Angebot an Therapieplätzen zur Verfügung steht und Patienten den Therapeuten auswählen können, der am besten für sie passt.

    @ Hendrik: Daher kann es auch nicht darum gehen, die Zahl der Psychoanalysesitze zugunsten von Verhaltenstherapie einzuschränken (oder umgekehrt), sondern insgesamt für ein ausreichendes Angebot an Therapieplätzen zu streiten.

    @Max Lewien: Das wäre auch im Sinne einer Klassenanalyse. Es sind nämlich die Unterschichten, die psychisch am stärksten belastet sind und bei einem eklatanten Mangel an Therapieplätzen wie er zur Zeit besteht, am schnellsten in der Klapse landen. Während ein Mittelschichtmensch, der in Job und soziale Bezihungen eingebunden ist, schon mal ein halbes Jahr Wartezeit überbrücken kann, ist das bei einem Hartz IVer, der in soziale und menschliche Abseits gedriftet ist, weit weniger der Fall.

  • A
    Anita

    @Hendrik

     

    Es mag sein, dass Verhaltenstherapie bei einer großen Zahl an Menschen kurzfristig Besserung bringt, aber gerade bei mir (schwere Depressionen mit suizidalen Neigungen) haben sie überhaupt nicht geholfen.

    Wenn du dich selbst so ablehnst, dass du glaubst, du tätest der Welt einen Gefallen, wenn du von der Brücke springst, hilft es auch nichts, dir einmal am Tag was Gutes zu gönnen.

     

    Natürlich kann man jetzt einwenden, dass ich eine Ausnahme bin, aber ich merke an mir, dass die Therapien 10 Jahre später immer noch einen positiven Einfluss auf mein Leben haben. Gerade das ständige Hinterfragen der eigenen Meinung, der eigenen Gefühle, hilft mir immer wieder im Umgang mit anderen Menschen. Es macht mich zu einer besseren Mutter und Ehefrau. Ich habe gelernt, meine Wut zu hinterfragen und sie nicht ungefiltert ab zu lassen, sondern verständlich und nachvollziehbar zu kommunizieren.

     

    Und diesen Effekt gibt es sicher auch bei vielen anderen, die analytisch therapiert wurden.

     

    Es taucht in keiner Statistik auf, ob ich eine gute Ehe führe oder meine Kinder in 20 Jahren selbst auf der Couch liegen, weil ich mit mir selbst nicht klar komme und sie darunter leiden.

  • E
    Ex-Patient

    @soziale Auslese - Konnte ich selbst beobachten durch die Haltung, es läge alles am Patienten selbst und nicht etwa an den Umständen: Opfer von Straftaten verkehren eben angeblich im asozialen Milieu, selbst Schuld, wenn sie nicht von Mutti zum Reiterhof gefahren wurden. Entspannung geht nicht in der Hartz-IV-Platte? Warum machen Sie keine Kreuzfahrt? Zu Hause zu laut? Dann machen Sie Ihre Übungen doch im Auto (welches Auto?)

    @Unwirksamkeit: Leider nicht selten, dass Therapeuten wichtige biographische Details einfach vergessen oder bei Gewaltopfern mal eben Opfer mit Tätern verwechseln (irgendwas mit Straftat war es ja). Oder dass endokrinologisch Erkrankte wegen Budgetmangel des Hausarztes für Laboranalysen mit Psychotherapie behandelt werden. Und gegen Nebennierenschwäche oder (Neben)-schilddrüsenfehlfunktion hilft nun mal keine Achtsamkeitsmeditation. Und wenn man dann noch sagt, man war schon als Kind erkrankt, heisst es: "Ab zur Psychoanalyse, die Mutti ist an allem Schuld."

  • J
    Jenny

    @ Eva Schweitzer-Köhn,

    ich finde leider den Link nicht. Deshalb meinerseits eine sinngemäße Wiedergabe:

    Unter "schweren Störungen" werden Störungen wie z.B. Schizophrenie verstanden. Zu den "leichten" Störungen zählen Störungen wie Depression, Angststörungen usw. Für den Klienten sind alle Störungen belastend. "Leicht" sind die Störungen in dem Sinne, dass sie "leicht" zu behandeln sind, also leichter als eine Schizophrenie usw. Über den Belastungsgrad für den Patienten sagt diese einteilung nichts aus.

     

    Dann noch etwas allgemein zum Thema. Studien zur Wirksamkeit von Psychotherapie sind zwar toll, aber wer legt die Kriterien fest, wann eine Therapie als erfolgreich zu gelten hat? Hat ein Klient, der sich in eine Psychoananlyse begibt mit dem Ziel "sich kennen und verstehen zu lernen", das Therapeiziel verfehlt, wenn er nach der Therapie nicht die (von wem?) festgelegten Erfolgskriterien errreicht hat? Hat ein klient, der nach einer Verhaltenstherapie zwar kein Vermeidungsverhalten mehr an den Tag legt und wieder arbeiten gehen kann, das Therapieziel erreicht, auch wenn er weiterhin noch unter Ängsten leidet? Wer bestimmt das Therapieziel? Wer bestimmt die Kriterien, die als Zielerreichung gelten können? Um wen geht es in der Psychotherapie? Um die individuellen Ziele des Klienten oder um Erwartungen der Forscher?

     

    Gruß

    Diplom Psychologin "Jenny"

  • K
    Kai

    Die Kommentare zeigen ein Dilemma, das generell in der Psychotherapieforschung auftritt. Zu jeder Studie gibt es eine Gegenstudie, die das pure Gegenteil belegt und für die Überlegenheit der eigenen Psychotherapierichtung spricht. So sind die Grawe- Studien, die eine bessere Wirkung der Verhaltenstherapie gegenüber der Psychoanalyse behaupten, schon längst wieder von anderen Studien wiederlegt worden. Und mindestens so viele Untersuchungen, die die Bedeutung spezifischer Wirkfaktoren betonen, streichen die Bedeutung unspezifischer Faktoren heraus. Der Artikel sagt aber nicht, daß alle Therapien bei allen Störungen gleich gut wirken, sondern betont nur die generell gleich gute Wirksamkeit von Psychotherapien. Wo aber mächtige Therapieinstitute, ihren Schülern die Überlegenheit der eigenen Richtung einimpfen und angehende Psychotherapeuten viel Geld und Zeit in ihre Ausbildung investieren müssen, ist für Objektivität wohl kein Platz. Psychotherapie ist nicht zuletzt auch für die Ausbildungsinstitute ein Geschäft, das sich glänzend bezahlbar macht.

  • ES
    Eva Schweitzer-Köhn

    Vielen Dank für den wichtigen Artikel!

    Doch ein Missverständnis setzt sich fort: die PsychotherapeutInnen behandeln nicht überwiegend leichte Störungen. In der Stellungnahme der TK waren es 25 Prozent. Das heißt doch, dass 75 Prozent keine leichten Störungen waren, also drei Viertel! Und: was die TK als leichte Störungen aufgeführt hat, ist durchaus hinterfragbar: auch eine leichte depressive Störung oder eine Anpassungsstörung können sehr belastend sein und zu Arbeitsausfällen führen. Und: un- oder falsch behandelt kann aus einer leichten Störung sehr schnell eine schwere Störung werden! Die Studie zum TK-Qualitätsmonitoring und eine Studie im Auftrag der KBV zur psychotherapeutisch/psychosomatischen Versorgung zeigen, dass PatientInnen in psychotherapeutischen Behandlungen insgesamt eine hohe Krankheitslast aufweisen. Solche Behauptungen wie von der TK widersprechen nicht nur ihrer eigenen Studie, sondern befördern auch eine gefährliche Marginalisierung sogenannter leichter psychischer Störungen. Die Krankenkasse will sich an der Stelle nur aus ihrer Verantwortung für die Sicherstellung der notwendigen psychotherapeutischen Versorgung stehlen!

    Eva Schweitzer-Köhn

  • LS
    le singe

    Hallo Hendrik,

     

    da die Verhaltenstherapie sowohl in ihrem methodischen Aufbau als auch in ihrer Kontrollierbarkeit der akademischen Psychologie näher steht, werden Sie als Psychologiestudent in der Regel sehr einseitig informiert und leider auch desinformiert. Lassen Sie sich davon nicht täuschen.

     

    Lesen Sie (frei verfügbar): J. Shedler, Ph.D., University of Colorado Denver School of Medicine:

     

    http://www.apa.org/pubs/journals/releases/amp-65-2-98.pdf

  • LS
    le singe

    METASTUDIE zur

    WIRKSAMKEIT VON PSYCHOTHERAPIE

     

    Herr Rupp, vielleicht können Sie noch etwas lernen:

     

     

    http://www.apa.org/pubs/journals/releases/amp-65-2-98.pdf

  • H
    Hanne

    @ Bertram

    "Wer eine PT abbricht, erscheint ebenfalls nicht als Misserfolg der PT, sondern entweder gar nicht oder als Uneinsichtiger"

     

    Das ist schlichtweg falsch. Zumindest in seriöser Forschung: http://de.wikipedia.org/wiki/Intention-to-treat-Analyse

  • A
    anonyma

    Im Kontext 'Helfer'- jeglicher Art solche Menschlichkeit wohl vor Persönlichkeit stehen.

     

    Einen schönen Tag von einer etwas labilen anonyma.

     

    die erst über Sätze wie "Ich glaube keiner Statistik die ich nicht selbst gefälscht habe" lacht.

     

    dann betrübt ist über das Wissen, wohin unprofessionelle bzw unmenschlich 'Hilfe' führt - sich ärgert was das die Gemeinschaft kostet pi mal Daumen.

     

    Sich Arbeit nach ihrem Stauts sucht und obwohl Sie daran verzweifelt könnte am Erlebten und Beobachteten weitermacht, und dann bester Dinge durch die Systeme hüpft.

    Und sich fragt "welches hat der 'Helfer', denn jetzt gemeint mit 'Das System ist gegen Dich'"

  • P
    PiA

    Wenn es so einfach wäre und in ein paar Absätzen zusammenzufassen...eine differenzierte Auseinandersetzung wäre wünschenswert, wenn man über Psychotherapie berichtet (sei es was latente Vorwürfe an die TherapeutInnen angeht, sie würden es sich zu einfach machen mit "leichten" Patienten oder dem (Un-) Wissen, dass hinter den unterschiedlichen Therapieverfahren auch unterschiedliche Menschenbilder stehen (und nicht nur unterschiedliche Manuale oder Namen))

  • A
    anonyma

    Jetzt ist glaube doch an der Zeit aufzuhören hier zu schreiben

    denn ich bezweifele sehr, dass sich wer hier über die 'Freischaltung' entscheidet das genehmigt:

     

    Ob hier oder in anderen Artikel

     

    Liebe taz, auf welche Zahlen berufen Sie sich da, in so manch anderen Artikel interessiert sich dies im übrigen auch.

  • ML
    Max Lewien

    Als ich den Titel las von der "sozialen Auslese v o r der Therapie" dachte ich spontan an Erfahrungen einer Art "sozialen Auslese", die in dem Artikel gar nicht vorkommt.

     

    Bezeichnender Weise fehlt die Erörterung der apriorischen Schichten- oder Klassenzugehörigkeit des P a t i e n t e n und der T h e r a p e u t I n n e n andererseits, auch einer "sozialen Auslese" v o r der Therapie! Die Freudomarxisten wie Wilhelm Reich hattte noch eine Ahnung davon.

     

    Für Unterschichtler, Prekaritäts- und Proletaritäts-Angehörige ist es gerade im BRD-Krisenkapitalismus eher noch schwerer als zur 68.Zeit ff. ihnen mental und erfahrungsgemäß, politisch-ökonomisch emanzipatorische TherapeutInnen zu finden!

     

    Die unterliegen nämlich einer ganz anderen "sozialen Auslese" : Immer noch stammen wohl die meisten BRD-Psychotherapeutinnen aus dem Bürgertum o d e r rekrutieren sich aus an dieses eher blind angepaßten sozialen Aufsteigerschichten!

     

    Solche TherapeutInnen aber tendieren statistisch eher dazu, gerade ihre im genannten Sinne sozial "ausgelesenen" Patienten von vornherein kognitiv und emotional - nämlich bürgerlich-elitär- zu verfehlen und zur Anpassung an die Machteliten-Normen und Werte des heutigen BRD-Krisen- und Kriegskapitalismus anzuhalten!(Meines Wissens auch schon von KindertherapeutInnen praktiziert!).

     

    Diese "soziale Auslese" ist in meinen Augen eine a s o z i a l e- und müßte m.E. dringend korrigiert werden! Daß sie als Problem im TAZ.Text nicht vorkommt, sagt viel ´den Grad ihrer inzwischen erlangten und erstrebten Kapitalismus-Angepaßtheit aus!

     

    Natürlich hoffe ich, daß es noch mehr PsychotheraputInnen von der Art des erstaunlich Krisenkapitalismus-kritischen Psychoanalytikers Reinhold B i a n c h i in Freiburg-Brsg. gibt, der z.B. die "Mikrotraumata" von Hartz.-IV-PatientInnen erfahren, erkannt und im ´kapitalismuskritischen Sinne und auch publizistisch anzugehen versucht!(Im Internet auffindbare Texte von ihm gibt es). Wer solche kennt, sollte dies freundlicherweise in einem Kommentar hier publizieren!Danke!

  • HS
    Hugo Schmerz

    Die Vorstellung, eine Psychotherapie sei eine Art Behandlung (wie beim normalen Arzt), führt in die Irre. Nicht der Therapeut macht etwas mit dem Patienten, sondern der Patient wird dazu ermutigt (und dabei unterstützt), selbst etwas zu verändern. Konkret heisst das, Erfolg oder Misserfolg hängen überwiegend vom Patienten selbst ab, eben auch unabhängig vom eingesetzten therapeutischen Verfahren. Wenn am Ende (nach einigen Jahren) eine Veränderung stattgefunden hat, so bleibt es schwierig, deren Qualität zu beurteilen. Daher die vagen Prozentangaben zu Erfolg und Nutzen.

  • CR
    Christian Rupp

    "Das am besten belegte Ergebnis der Psychotherapieforschung, auch als 'Dodo Bird effect' bekannt, ist nämlich, dass alle Therapien gleich gut wirken. Eine Überbetonung der Methode ist sogar eher kontraproduktiv."

     

    Während der Rest des Artikels erfreulich objektiv und relativ ausgewogen ist, ist diese Passage leider viel zu einseitig bzw. schlecht recherchiert und trifft schlichtweg nicht zu.

    Das "Dodo Bird Verdict" wird zwar noch von einigen Wissenschaftlern vertreten, ist in den letzten 10 Jahren aber von zahlreichen Ergebnissen erschüttert worden, die zeigen, dass eine pauschale Aussage nicht möglich ist. Differenziert muss man sagen, dass die Frage, ob alle Psychotherapieformen gleich gut sind, sehr stark davon abhängt, welche Störungen wir betrachten. Bei der Depression ist dies tatsächlich noch am ehesten der Fall (hier zeigen sowohl verschiedene Psychotherapieverfahren als auch Antidepressiva ziemlich gleiche Wirkungen, wobei Psychotherapie insgesamt nachhaltigere Effekte bewirkt). Bei Angststörungen z.B. hingegen trifft diese Annahme ganz und gar nicht zu: Hier zeigt sich eine klare Überlegenheit all jener Verfahren, die eine Konfrontation mit der angstauslösenden Situation beinhalten (Exposition), z.B. die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie oder EMDR (Eye Movement Desensitisation and Reprocessing). Daher sind störungsspezifische Therapieformen durchaus sinnvoll und ganz sicherlich in den allerseltensten Fällen "kontraproduktiv". Schließlich geht die Zahl der kontrollierten Therapiestudien, die gezeigt haben, dass spezifische Interventionen den so genannten "unspezifischen" Wirkfaktoren (empathisch zuhörender Therapeut, angenehme Atmosphäre, therapeutische Beziehung, etc.), auch wenn diese schon viel bewirken können, durchaus überlegen sind, in die Tausende. Zudem konnte bereits häufig gezeigt werden, dass z.B. angstfokussierte Therapien sich, wie intendiert, stärker auf Angstsymptome als z.B. auf depressive Symptome auswirken - was nicht der Fall sein sollte, wenn man das Dodo Bird Verdict ernst nimmt.

     

    Konkret beziehe ich an dieser Stelle auf die Metaanalysen von Tolin (2010) und Hoffman & Smits (2008) sowie auf die Studie von Bisson et al. (2007).

     

    Aufklärungen und Erklärungen zu weiteren Irrtümern und Fragen der Psychologie finden Sie übrigens auf meiner Website: www.psycholography.com

     

    Mit besten Grüßen,

    Christian Rupp, B. Sc.

  • BI
    Bertram in Mainz

    Auf Psychotherapie bin ich nicht gut zu sprechen. Allzu oft traf ich auf Menschen, die nach Therapie oder Selbsterfahrungsgruppe über den Anderen (mich) herfielen wie der Missionar über den Ungläubigen :-(

    Mal waren es persönliche Dispute. Häufiger waren es Ausführungen irgendwelcher "Experten" in den Medien.

     

    Erfolg von Psychotherapie statistisch zu messen, das ist extrem schwierig. Wer Schmerzen hat, geht zum Arzt. Wer Probleme hat, geht nur dann zur PT, wenn er sich von dieser Richtung angesprochen fühlt. Allein das ist eine Vorauswahl. Wer PT ablehnt, zurecht oder zu Unrecht, erscheint nie in einer Statistik. Allenfalls als jemand, der seine angeblichen psychischen Probleme nicht einsieht.

     

    Wer eine PT abbricht, erscheint ebenfalls nicht als Misserfolg der PT, sondern entweder gar nicht oder als Uneinsichtiger. Es bleiben also nur diejenigen, die eine PT bis zum Ende durchziehen. Davon wird ein Prozentsatz gebildet, wer sich besser fühlt. Wer sich aus ganz anderen Gründen besser fühlt, weil vielleicht das Problem nicht mehr aktuell ist, erscheint jedoch als Erfolg der PT!

     

    Wer selbst eine PT will, soll sie bekommen. Keinesfalls darf man Prozente des Erfolgs hochrechnen auf diejenigen, die keine PT wollen. Ganz schlimm wird es, wenn PT zum Ersatz wird für etwas ganz Anderes. Vielleicht möchte man sich aussprechen, leidet unter Einsamkeit, sucht eigentlich Freunde. Dann wird PT zum Ersatz. Ist das dann ein Erfolg der PT?

     

    Ich wünsche mir etwas ganz Anderes. Man sollte im normalen Alltag auch mal sagen dürfen, wenn man sich geärgert hat. Man hört nie: "Ich verstehe, dass Du da enttäuscht bist." Statt dessen kommt sofort psychologischer Mist: "Das sieht du falsch. Du musst das positiv sehen." "Enttäuscht? Das bedeutet doch, dass du dich vorher getäuscht hast. Die Täuschung ist jetzt weg. Das ist doch pooositiv." Nein, ist es nicht :-(

     

    Könnte man im normalen Alltag freier sprechen, würde das viele PT überflüssig machen! Einfach mal zuhören, ohne gleicht mit Psycho loszulegen!

  • G
    Gast

    Das ist eine sehr gute Frage, und ja, man kann es nicht verallgemeinern. Aber genauso könnte man Wirksamkeit anderer medizinische Interventionen nicht verallgemeinern. Soweit ich noch auf dem aktuellsten Stand bin liegen die Effektstärken von Bypass-Operationen ungefähr im gleichen Bereich. Psychopharmaka wirken auch nicht bei allen (bei ca. 30 % gibt's leichte bis gar keine Wirkung)

    Selbstverständlich sollte man schauen, dass diese Therapien ausgebaut werden und ich hoffe (wahrscheinlich so wie Sie), dass es irgendwann mal für jeden eine optimale Therapie gibt. Ähnliche Probleme haben Sie aber auch als Schuppenflechtepatient - Cortison wirkt nur noch in hohen Dosen, die Strahlentherapie wirkt nur mittelmäßig und die Uniklinik behandelt Sie nicht weil die Flecken noch zu klein sind. Meh...

  • H
    Hendrik

    Als Psychologiestudent muss ich leider anmerken, dass der Artikel wirklich ziemlich oberflächlich ist und ein falsches Bild vermittelt. So weiß man mittlerweile, dass bestimmte Therapieberichtungen bei bestimmten Krankheiten wesentlich wirksamer sind und andere z.T. sogar kontradindiziert. Bei Angststörungen und Zwangsstörungen ist etwa Verhaltenstherapie die Methode der Wahl - Psychoanalyse kann gerade bei Zwangsstörungen hingegen dazu führen, dass Patienten noch mehr ins Grübeln geraten. Bei Depressionen gilt nach heutigem Stand eine Kombination aus medikamentöser und Verhaltenstherapie am effektivsten. Gerade bei Persönlichkeitsstörungen kann psychodynamisch fundierte Psychotherapie auch wirksam sein, wenngleich Verhaltenstherapie hier in der Regel ähnlich gute Ergebnisse bringt.

    Psychoanalyse ist gerade im Bezug auf die erreichte Wirkung pro Zeiteinheit sicherlich nicht der Verhaltenstherapie ebenbürtig (zudem sind in der Psychoanalyse Therapien in der Regel für sehr viel längere Zeiträume angesetzt, weswegen es lohnenswert wäre zu überdenken, ob diese - da die Versorgungslage ohnehin schon schlecht ist - wirklich weiter von den Kassen finanziert werden sollte).

    Sicherlich kann jede der Therapieformen bei bestimmten Problemen gute Ergebnisse erzielen - Aufgrund der weitaus höheren Prävalenz von Angststörungen und Depressionen im Vergleich zu anderen Störungsbildern wäre es jedoch wünschenswert, vorwiegend Kassensitze für Verhaltenstherapeuten anzubieten

  • J
    Jenny

    Wenn Psychotherapie zwischen 40 und 67 Prozent der Patienten nützt, dann kann man nicht pauschal und verallgemeinert sagen "Therapie hilft", denn offensichtlich hilft sie 23-60 Prozent der Klienten nicht.

    Anstatt nur den Nachweis zu erbringen, dass Therapie hilft, sollte man sich lieber mal mit der Fragen beschäftigen: Wem hilft Therapie und warum? Wem hilft Therapie nicht und warum? Welche Alternativbehandlungen könnten bei den Klienten, denen Therapie nicht hilft, zur Anwendung kommen? Wie kann man Therapie an sich effizienter gestalten? Ist die Drei-Verfahren-Richtung ausreichend für BRD (in Österreich sind 22 Verfahren zugelassen)? Ist die strikte Trennung zwischen lösungsorientierte Verhaltenstherapie einerseits und tiefenpsychologisch fundierten Verfahren noch länger angebracht oder wäre ein integratives Verfahren besser? Wie kann man Therapieausbildungen einheitlicher gestalten? Diese Frage ist deshalb von Interesse, weil Therapeuten völlig unterschiedlich ausgebildet werden. Wer mal 2 Verhaltenstherapien gemacht hat, der weiß, dass sich selbst ein und dasselbe Therapieverfahren unterscheiden können wie Tag und Nacht. Somit lässt sich nicht sagen "Therapie hilft". Was genau an Therapie hilft? Und was hilft nicht. Man kann keine solch verallmeinerte Aussage machen, wenn Therapie nicht gleich Therapie ist.