Suche nach Polizeipräsidenten: Körting zeigt ein bisschen Einsicht
Der Innensenator gesteht Fehler bei der Besetzung ein. Nun soll eine externe Kommission die Bewerber beurteilen. Linke und Opposition plädieren für eine Neuausschreibung.
![](https://taz.de/picture/257036/14/0907koer.jpg)
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat erstmals Fehler beim Auswahlverfahren des neuen Polizeipräsidenten zugegeben. Gleichzeitig drückt er auf die Tube, um seinen Favoriten noch vor der Abgeordnetenhauswahl in gut sieben Wochen durchzusetzen. Eine unabhängige Gutachterkommission soll die Bewerber beurteilen. Die Linkspartei lobte Körting für seine Einsicht. Die Grünen forderten derweil den Abbruch des Verfahrens.
Bei der Suche nach einem Nachfolger für den Ende Mai in Pension gegangenen Dieter Glietsch hat Körting bisher wenig Fortune bewiesen. Erst gab es nur zwei Bewerber, die die formalen Voraussetzungen erfüllten: Klaus Keese, Leiter der Polizeidirektion 1, die für den Berliner Norden zuständig ist. Und der frühere Chef des Bundesgrenzschutzpräsidiums Ost, Udo Hansen, der diesen Posten offiziell aus gesundheitlichen Gründen verlassen und dann den Rüstungskonzern EADS bei Geschäften in Saudi-Arabien beraten hatte. Hansen, der als Hardliner gilt, war auf heftige Kritik gestoßen - nicht nur bei den Oppositionsparteien, sondern auch bei der Linksfraktion. Dennoch hatte Körting seinen Favoriten Ende Juni im Senat durchgesetzt. Doch der unterlegene Keese klagte - und bekam recht. Das Verwaltungsgericht sah "erhebliche Rechtsmängel" beim Auswahlverfahren, etwa weil die Kandidaten nicht wie im Regelfall vorgesehen von externen Gutachtern beurteilt worden waren.
Exakt zwei Wochen nach diesem Urteil hat Körting nun ein Einsehen. "Wir haben einen Rechtsfehler gemacht", sagte der Senator am Dienstag. Er verzichtet auf eine Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht. Stattdessen soll nun eine Auswahlkomission gebildet werden, die beide Bewerber anhört und beurteilt. Falle dies deutlich zugunsten eines der beiden Bewerber aus, sei der Senator daran gebunden, sagte Körtings Sprecherin Nicola Rothermel. Würden die Kandidaten als nahezu gleichrangig eingestuft, hätte der Senator freie Hand. Völlig offen sei noch, wer die Kommission leiten wird. Dafür kämen etwa ein Personalberater oder ein ehemaliger Polizeipräsident infrage. Ebenso unklar ist, ob das Verfahren noch vor der Abgeordnetenhauswahl abgeschlossen werden kann.
Geht es nach Körtings Koalitionspartner, besteht keine Eile. Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers führe die Behörde "gut und zuverlässig", sagte die innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Marion Seelig. Für das Verfahren solle man sich die notwendige Zeit nehmen. Zudem müsse eine komplette Neuausschreibung "in die Überlegungen einbezogen" werden.
Für Renate Künast hingegen gibt es nichts mehr zu überlegen. Körtings Vorgehen sei "nachträgliche Flickschusterei", sagte die Spitzenkandidatin der Grünen. Das Amt des Polizeipräsidenten sei zu wichtig, es müsse nach der Wahl "von der neuen Regierung" besetzt werden. In einem neuen Verfahren könnte auch der Ausschreibungstext verändert werden. Bisher heißt es darin: "Erwünscht ist eine langjährige Leitungstätigkeit im Polizeivollzugsdienst." Das benachteiligt laut Künast vor allem Frauen. Denn Seiteneinsteigerinnen wie die von vielen gelobte Koppers werden damit von vornherein ausgeschlossen. Sie war erst im März 2010 zur Polizei gewechselt. Zuvor war die Juristin Vizepräsidentin des Landgerichts.
Der letzte Polizeipräsident, Dieter Glietsch, war 2002 nicht von externen Gutachtern bewertet, sondern vom Abgeordnetenhaus gewählt worden. 2009 hatte das Parlament jedoch ohne Gegenstimme das Dienstrecht geändert - auch, um bisher vom Parlament gewählte Beamte im Streitfall wieder loswerden zu können. Seither wird der Polizeipräsident vom Senat ernannt und zählt zu den Beamten, die "ein Amt bekleiden, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen". Die können laut Beamtenstatusgesetz entlassen werden - und zwar "jederzeit".
Theoretisch denkbar, dass Körting seinen Kandidaten noch vor dem 18. September ins Amt hebt. Und ihn ein neuer Senat nach der Wahl wieder entlässt.
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