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Archiv-Artikel

Stundenplan für die Eltern

Lehrergewerkschaft wehrt sich gegen Pläne des Schulministeriums, Elternsprechtage außerhalb der Unterrichtszeiten zu legen. Rechtsexperte: „Schulgesetz ist klar gegen Unterrichtsausfall“

VON GESA SCHÖLGENS

Der Streit um die Elternsprechzeiten zwischen der Lehrergewerkschaft GEW und dem NRW-Schulministerium spitzt sich zu. Das Ministerium wirft der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) inzwischen vor, offen zum Rechtsbruch aufzurufen. Die GEW hatte zuvor den Schulleitungen entgegen der Aufforderung von Schulministerin Barbara Sommer empfohlen, Elternsprechtage auch weiterhin vormittags in der Unterrichtszeit abzuhalten. In einem Schreiben von Schul-Staatssekretär Günter Winands an die Gewerkschaft heißt es: „Weder teile ich diesen Standpunkt, noch kann ich akzeptieren, dass Sie Schulleitungen dazu auffordern, sich über geltendes Recht hinwegzusetzen.“

„Dieser Vorwurf ist Unsinn“, sagt Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender der GEW. Das Ministerium interpretiere das Schulgesetz falsch und in rechtlich nicht verbindlicher Weise. Schulministerin Sommer (CDU) wolle die Arbeitsbelastung der Lehrer über alle Köpfe hinweg auf zwei zusätzliche Tage im Jahr ausdehnen. „Dabei haben noch nicht einmal Gespräche mit den Personalräten stattgefunden.“ Sommer hatte die Schulen zuvor angehalten, Elternsprechtage künftig so zu legen, dass kein Unterricht mehr ausfällt. Laut Schulgesetz müssten Elternsprechtage außerhalb des Unterrichts stattfinden. Falls erforderlich sollten dafür auch Samstage genutzt werden, so die Ministerin.

Nach Auffassung der Gewerkschaft wird Sommers Aufforderung nicht durch das Schulgesetz gedeckt. Der Gesetzestext mache deutlich, dass Elternsprechtage nicht nur in die unterrichtsfreie Zeit gelegt werden sollen. Rechtlich gebe es daher keinen Grund „von der bewährten Form des Elternsprechtags abzuweichen“, heißt es in der GEW-Empfehlung.

Rechtsexperten sehen in dem Gesetz allerdings keinen Interpretationsspielraum. „Dort heißt es eindeutig, dass LehrerInnen Eltern außerhalb des Unterrichts beraten müssen“, sagt Jurist Winfried Jehkul, der gerade an einer Kommentierung der Schulordnung arbeitet. Bereits in der Allgemeinen Dienstordnung für Lehrer stünde, Sprechstunden sollten nach Möglichkeit außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden, so Jehkul. In der neuen Dienstordnung soll diese Formulierung sogar noch verschärft werden, weiß der Schulrechtsexperte. „Alle Eltern sollen auf diese Weise Gelegenheit bekommen, an den Gesprächen teilzunehmen.“ In der Praxis entscheide bislang die Schulkonferenz vor Ort über die Planung der Sprechtage, was überall zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führe. Viele Berufstätige hätten aber Schwierigkeiten, sich unter der Woche für die Elterngespräche frei zu nehmen, sagt Jehkul.

Die Landesregierung will Unterrichtsausfall in jedem Fall vermeiden. „Die Bekämpfung des Unterrichtsausfalls hat Priorität“, sagt Oliver Mohr, Sprecher des Schulministeriums. Durch die Sprechtage gingen wertvolle Tage und Stunden verloren. In anderen Bundesländern wie Niedersachsen seien die Elterngespräche hingegen längst in die Nachmittags- und Abendstunden gelegt worden. Die Gespräche könnten sich auch auf mehrere Tage verteilen, so Mohr.

Gegen solche Pläne wehrt sich die GEW. „Bei den divergierenden Arbeitszeiten der Eltern ist heutzutage ein ganztägiges Angebot notwendig, und nicht nur ein paar Stunden am Nachmittag“, sagt Meyer-Lauber. 60 Prozent der Eltern in NRW besuchten die Sprechstunden vormittags. „50 Jahre lang hat keine Regierung oder Opposition das Konzept des Elternsprechtags kritisiert“, so der GEW-Vorsitzende. Nun werde die Regelung mit einem Mal als problematisch dargestellt und versucht, den Unterrichtsausfall auf Kosten der Lehrer zu kompensieren. „Der Gesetzgeber kann aber nicht beliebig über die Arbeitszeit verfügen“, sagt Meyer-Lauber. Stattdessen solle die Landesregierung lieber für mehr Vertretungskräfte sorgen.

Das Schulministerium schließt nicht aus, die Elternsprechtagsregelung bei der Novellierung des NRW-Schulgesetzes zu verschärfen. Zuerst müsse aber beobachtet werden, wie die Schulen Sommers Appel umsetzen, so Ministeriumssprecher Mohr. Die nächsten Elternsprechtage sind im Spätherbst.