Studieren ohne Abitur: Ein bisschen Hilfe für Spätstarter
Mit Aufstiegsstipendien will die Bundesregierung Berufstätige an die Universitäten locken. Nicht mal einer von hundert Eingeschriebenen studiert derzeit ohne Abitur.
Yasin Yüksel ist eine Ausnahme. Nach der vierten Klasse führte sein weiterer Schulweg zunächst an die Hauptschule. "Und zwar ziemlich eindeutig von den Noten her." Auf Drängen seines Lehrers besuchte er danach eine Berufsfachschule, machte mittlere Reife und entdeckte den Spaß am Lernen. Als Endnote auf dem Ausbildungszeugnis stand Jahre später eine 1,3. Seit einem Jahr studiert der 25-Jährige aus Esslingen in Baden-Württemberg nun an einer Berliner Fachhochschule im Fernstudium Ingenieurwissenschaften.
Damit gehört Yüksel zu den 0,8 Prozent der Studierenden ohne Abitur, die im vergangenen Jahr an deutschen Hochschulen eingeschrieben waren. Ab sofort darf er sich auch zu den 435 beruflich Qualifizierten zählen, die das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung mit einem sogenannten Aufstiegsstipendium finanziell unterstützt. Bis Ende 2009 soll damit 1.500 Menschen mit mindestens zweijähriger Berufserfahrung der Weg zum Hochschulabschluss geebnet werden, wie das Ministerium am Dienstag bekanntgab.
Die Aufstiegsstipendien sind ein Kernelement der Qualifizierungsoffensive. So will die Regierung den Fachkräftemangel abwenden und dem Arbeitsmarkt mehr Hochgebildete vor allem aus den sogenannten bildungsfernen Schichten zuführen.
Die Finanzierung geht die Regierung bisher weniger offensiv an. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) hatte noch im März angekündigt, sie wolle 3.000 Aufstiegsstipendien einrichten. Eine Mitarbeiterin des Ministeriums korrigierte nun, das sei ein Fernziel, über das zu erreichen man glücklich wäre.
Doch ohnehin sind die 650 Euro Grundstipendium und 80 Euro Büchergeld für die meisten Stipendiaten nur eine finanzielle Beihilfe. Yasin etwa nutzt das Geld, um Fahrtkosten zu begleichen und Computer anzuschaffen. Die 420 Euro Studiengebühren, die bei ihm pro Semester fällig werden, sind vom BMBF gar nicht einkalkuliert.
Geld ist eine wichtige, aber nicht die einzige Ursache, die Kinder aus bildungsfernen Familien vom Studium fernhält. "Im familiären und im Freundeskreis fehlen Vorbilder", berichtet Eike Hebecker vom Studienwerk der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Obwohl man bei der Böckler-Stiftung nicht vorrangig nach dem Schulabschluss schaue, sei unter den Bewerbern nur eine "Handvoll", die ohne formale Hochschulreife studierten.
Die Gefahr, im Studium zu scheitern, sei für vormals Berufstätige durchaus real, berichtet Elke Middendorff vom Hochschulinformationssystem in Hannover. "Je länger Menschen aus Bildungsprozessen raus sind, desto größer ist die Gefahr, im Studium nicht erfolgreich zu sein", fasst die Hochschulforscherin Interviews mit exmatrikulierten Studierenden zusammen. Diese müssten Arbeitstechniken und Lernprozesse erst wieder neu lernen. "Für die Hochschulen sind das aber ganz normale Studierende."
Auch die Studienbedingungen bilden laut Middendorff eine hohe Barriere. Nur die wenigsten grundständigen Studiengänge seien Teilzeitstudiengänge, würden also Studierenden erlauben Beruf und Uni zu verbinden. An den spärlichen Einschreibungen seien aber nicht die Unis, sondern der Bund schuld, meint der Vizepräsident der Berliner Humboldt-Universität, Uwe Jens Nagel. Wer Teilzeit studiere, habe nämlich kein Anrecht auf Bafög. "Damit fehlen wichtige soziale Rahmenbedingungen."
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