Studiengebühren bestehen vor Gericht: Campus-Maut bleibt
Das Bundesverwaltungsgericht hat erstmals über die Studiengebühren entschieden. Paderborner Studenten hofften, die Campus-Maut kippen zu können – und wurden maßlos enttäuscht.
LEIPZIG taz Befürworter eines gebührenfreien Studiums haben eine entscheidende Niederlage erlitten. Das Bundesverwaltunggericht in Leipzig hat am Mittwochabend in letzter Instanz eine Klage gegen Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen abgewiesen. Die Erhebung von Gebühren sei rechtens, so lange sie sozialverträglich gestaltet werde.
Es war das erste Mal, dass ein Bundesgericht sich mit dem Studiengebührengesetz eines Bundeslandes befasst hatte. Die Entscheidung gilt daher als Grundsatzurteil für alle sechs Länder, die Gebühren kassieren. Zumeist verlangen die Universitäten 500 Euro pro Semester.
Geklagt hatten Studierendenvertreter aus Paderborn. Sie beriefen sich unter anderem auf den UN-Sozialpakt, den Deutschland 1973 ratifiziert hat. Dort ist die Rede von einer Unentgeltlichkeit des Hochschulstudiums. „Der Hochschulzugang darf nur von der Befähigung abhängig gemacht werden und nicht vom Geldbeutel“, hatte der Rechtsvertreter der Paderborner Studierenden zur Begründung der Klage gesagt.
Zusätzlich prüfte das Bundesverwaltungsgericht, inwiefern Studiengebühren dem im Grundgesetz verankerten Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte widersprechen könnten. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass Studiengebühren sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit dem UN-Sozialpakt vereinbar sind.
Es müsse lediglich sichergestellt werden, dass durch die Erhebung von Studiengebühren keine „unüberwindlichen sozialen Barrieren für die Aufnahme oder Weiterführung eines Studiums“ errichtet würden, hieß es zur Begründung des Urteils. Nordrhein-Westfalen habe aber aus diesem Grund Studiengebührenkredite eingeführt.
Einen kleinen Erfolg konnten die Studierenden jedoch verbuchen. Denn das Gericht ließ keinen Zweifel daran, dass ihnen die Gefahr einer Verschuldung durch Studienkredite missfällt. Der Vorsitzende Richter Franz Bardenhewer kritisierte während der Verhandlung, dass sich durch Zinsen und Zinseszinsen „eine nicht unerhebliche Schuldenlast“ auftürmen könne.
Und trotzdem: Insgesamt erfülle das Studiengebührengesetz in Nordrhein-Westfalen "noch" die Anforderungen der sozialen Verträglichkeit, hieß es zur Begründung. Das liegt auch an der Höchstsumme für Schulden aus Studienkrediten und Bafög-Darlehen, die das Land festgelegt hat. Mehr als 10.000 Euro insgesamt und 1.000 Euro pro Semester an Schuldenlast sind ausgeschlossen. Diese Deckelung hat zur Folge, dass mehr als die Hälfte der Bafög-Empfänger de facto keine Studiengebühren bezahlt.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig demonstrierten rund 300 Studenten für eine kostenlose Bildung für alle, darunter auch Studenten aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Im Jahr 2005 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die rot-grüne Bundesregierung den Ländern die Erhebung von Gebühren nicht verbieten darf. Daraufhin verlangten von Herbst 2006 an Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen als erste Länder Studiengebühren.
Heute müssen Studierende außerdem in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und im Saarland Gebühren von bis zu 500 Euro pro Semester bezahlen. In Hessen hat eine rot-rot-grüne Parlamentsmehrheit im vergangene Jahr die zuvor von der CDU eingeführten Studiengebühren wieder abgeschafft.
Alle Bundesländer, in denen Studiengebühren eingeführt wurden, bieten Kredite bei landeseigenen Banken oder der KfW-Förderbank an, mit denen die Gebühren bezahlt werden können. Zuletzt hatte das Saarland den Studierenden hierfür die Zinsen bis zwei Jahre nach dem Studium erlassen. Bei der NRW Bank liegt der Zinssatz momentan bei 5,9 Prozent.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator