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Studien zu OrganspendeDie Angst vor der Transplantation

Neue Studien zeigen, dass gut informierte Menschen auch bereit sind, ihre Organe zu spenden. Doch fast die Hälfte der Befragten haben noch Angst.

Aufklärungsversuch der Ärztekammer: Ein begehbares Herz. Bild: dpa

BERLIN taz | Vertrauen in die Ärzte, Aufklärung über die Abläufe bei Hirntod und Transplantation sowie Transparenz bei der Organverteilung: Diese drei Parameter entscheiden über die Bereitschaft der Deutschen zur Organspende. Das ist seit Donnerstag auch wissenschaftlich belegt.

Da stellten die Bertelsmann Stiftung und die Krankenkasse Barmer GEK in Berlin ihren Gesundheitsmonitor 2011 vor sowie die Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen Telefonumfrage. Beide Studien widmen sich der Einstellung der Bevölkerung, nach dem Tod ihre Herzen, Lungen oder Nieren Patienten zu spenden, die unter chronischem Organversagen leiden.

Die aktuelle telefonische Befragung durchgeführt hatte das Institut GfK Healthcare Ende November bei 1.000 Frauen und Männern ab 14 Jahren. Rund zwei Drittel der hier Befragten erklärten, sie würden "bestimmt" oder zumindest "wahrscheinlich" in eine Organspende einwilligen, wenn sie hierzu demnächst gezielt gefragt würden. Zugleich allerdings besaßen derzeit nur 16 Prozent der Befragten einen Organspendeausweis, wobei der Anteil der 30- bis 49-Jährigen am höchsten war.

Eine entsprechende Änderung des Transplantationsgesetzes hatten vor zwei Wochen alle fünf Bundestagsfraktionen angekündigt. Danach sollen die Bürger künftig regelmäßig, etwa bei der Ausgabe der Krankenversichertenkarte, gefragt werden, ob sie zur Organspende bereit sind. Zwang soll es dabei aber nicht geben. Bislang muss man, um als Organspender in Frage zu kommen, selbst aktiv werden und zu Lebzeiten seine Spendebereitschaft in einem Organspendeausweis dokumentieren. Sonst müssen die Angehörigen nach dem Tod entscheiden.

Gut aufgeklärt und informiert

Marlies Ahlert, Professorin für Mikroökonomie und Finanzwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, warnte davor, allein aus der jetzt ermittelten hohen Zahl an positiven Absichtserklärungen zu folgern, dass die Zahl der Organspenden in Deutschland künftig drastisch steigen werde. Denn für die Organentnahme sei nicht "die theoretische Bereitschaft", sondern die "tatsächliche Erklärung der Bereitschaft" ausschlaggebend, sagte Ahlert, die die Studie zur Organspende im Gesundheitsmonitor geleitet hatte.

Und diese tatsächliche Bereitschaft erklärten derzeit vor allem Menschen, die sich gut aufgeklärt und informiert fühlten. Etwa weil sie selbst im Gesundheitswesen arbeiten, einen Organspender oder -empfänger kennen oder sich selbst schlaugemacht haben - mit steigendem Bildungsgrad nimmt auch der Anteil der Ausweisträger zu.

36 Prozent der BürgerInnen aber fühlen sich nicht ausreichend über die Organspende informiert. Und: Bald jeder Zweite -45 Prozent - befürchtet, dass es den behandelnden Ärzten vorrangig um die Organentnahme gehe und nicht etwa um die Lebensrettung des potenziellen Spenders. Die Menschen wollten aber wissen, unter welchen Voraussetzungen Organe entnommen würden, ob Hirntote bei der Organentnahme Schmerzen spürten und nach welchen Kriterien Organe vergeben würden.

Der Barmer-GEK-Vorstandschef Christoph Straub sagte, diese Ängste seien "ernst zu nehmen". Als Konsequenz kündigte er an, die Aufklärungsarbeit "deutlich" zu verstärken. Denkbar sei auch die Einführung von Unterrichtseinheiten an Schulen zur Organspende, etwa in den Klassenstufen 9 oder 10. Gefragt, so Straub, sei auch die Politik.

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8 Kommentare

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  • DS
    Dagmar Schön

    "Neue Studien zeigen, dass gut informierte Menschen auch bereit sind, ihre Organe zu spenden." Das Lügengewebe ist durchgängig und sehr professionell. Die Grundlüge ist, das 'post Mortem' gespendet wird.

    die Spender sterben auf dem OP-Tisch, bei der Oraganentnahme, nicht VORHER. Es wird ihnen der Sterbeprozess geraubt. Jeder, der weiss, dass er eine Seele hat, sollte besser nicht "spenden", d. h. sich nicht das zweitwichtigste nach seiner Geburt rauben lassen: einen ungestörten Sterbeprozess.

  • S
    Sarah

    Ich frage mich immer, welchen Organhändlern die TAZ mit ihren einseitigen Berichten zu dem Thema zum Munde reden will.

     

    Da die Gesundheitsbranche ein großer Markt ist, wird versucht an allen Ecken und Enden Geld zu verdienen und sei es selbst mit der massenhaften Ausweidung von Menschen.

     

    Die Sinnhaftigkeit einer freiwilligen und eigeninitiativ selbsterklärten Organspende steht hier ausser Frage. Jedoch müssten auch hierfür erst alle medizinischen Kenntnisse auch in das Entnahmeverfahren einfliessen, so muss es grds. eine Narkose wie in der Schweiz geben, da ansonsten auch bei Komatösen max. Qualen und Schmerzen auftreten können. Zudem müssten detailliert sämtliche Missbrauchsgefahren ausgeschlossen werden, etwa durch farlässige Tötung, illegalen Organhandel, Betrug etcetcetc.

     

    Es ist den intelligenten Bürgern nicht zu verdenken, dass sie auch nach den jüngsten allgemeinen politischen Entwicklungen gegen alle beschlossenen Gesetze und Politiken höchstskeptisch sind und das ist auch sehr gut so. Denn von der Politik werden negative Aspekte von Vorhaben nicht analysiert und der Gesellschaft nicht vermittelt oder sie werden durch hochfinanzierte Lobbys unterdrückt. Wenn dann solche Vorhaben zudem noch von der FDP forciert werden, müssen beim Bürger alle Alarmglocken schrillen. Jedenfalls ist eine Zwangsbefragung und Nötigung der "freien" Menschen durch die Schlächter höchst inhuman und unmoralisch!

  • N
    NurübermeineLeiche

    Ich dachte eben auch, ich lese nicht recht: Gut informierte Bürger spenden ihre Organe? Gut informierte Bürger tun dies eben nicht. Es gab in den letzten Monaten verschiedene Berichte in FAZ und Deutschlandradio zu dem Thema der Neudefinition des Hirntods. Nun stellt Euch mal vor, dies betrifft nicht Euch, sondern Euer Kind (war ein konkretes Beispiel im Radio): Wie lebt Ihr mit der Gewissheit, dass Euer Kind vielleicht doch Schmerzen hatte bei der Entnahme der Organe? Davon mal abgesehen, dass sich niemand zu vergewissern scheint, dass es von dem Moment der Freigabe der Organe nicht mehr um den Patienten, sondern nur noch um seine Organe geht. Diese Erfahrung ist für den betroffenen Verwandten unglaublich traumatisch. Dies in Kombination mit der zunehmenden Korrumpierung des Gesundheitswesens in Deutschland wird mich wohl nie dazu veranlassen, einen Organspenderausweis zu besitzen.

  • S
    Sirius

    Bei dem Forschungsergebnis, "gebilderte Menschen würden eher mit Hirntod und Organentnahme einverstanden sein", kann es sich nur um einen Witz handeln. Denn in anspruchsvollen Zeitungen wie FAZ, TAZ,FR,Der Freitag kommen zunehmend die kritischen Aspekte zur Sprache. Und diese Zeitungen werden von den "gebilderten Leuten" gelesen. Die Bildzeitung dagegen macht nach wie vor ausschließlich undifferenziert Werbung. Außerdem: wer englischsprachige medizinische Fachliteratur lesen kann, weiß, dass dort regelmäßig dafür plädiert wird, die "Tote-Spender-Regel" aufzugeben. Man will, sehr viel ehrlicher, zum "justified killing" übergehen. Denn der Hirntod,sagen immer mehr Wissenschaftler, die früher vom Hirntod überzeugt waren (Shewmon, Truog etc), sei naturwissenschaftlich nicht mehr haltbar. Diese Artikel stammen großteils aus den letzten 2 Jahren.

  • IW
    Ich weiß das ich nichts weiß

    Und natürlich wird dieser "Unterricht" nur auf bewiesenen Tatsachen beruhen. Denn Ärzte, Politiker und Lehrer haben ja, im Gegensatz zum Normalbürger, das gesamte Universum begriffen. Na dann muss ich mir ja keine Sorgen mehr machen und überlasse mich ganz entspannt den Alleswissern.

  • D
    dummfrager

    Wann genau kommt ein Artikel der vorrechnet, wieviele verhungernde Kinder die Kosten einer einzigen Transplantation eines Organs von einem nicht ganz Toten Menschen in den nicht ganz toten Organismus eines anderen Menschen, der möglicherweise 50 Jahre gut, fett und betrunken gelebt hat, retten könnte.

    Und wann genau erklärt mir jemand warum ein Mensch dessen Organe versagen und so seinem natürlichen Tode immer näher kommt, mehr Lebensrecht hat, als ein ungeborenes, gesundes Individuum im Mutterleib.

  • M
    margarete-sophie

    eben WEIL ich ich mich soweit als möglich informiert habe, bin ich NICHT bereit für sowas - weder für *spende* noch für einbau.

     

    margarete-sophie

  • BK
    bleibt kritisch!

    Mich würde langsam mal interessieren, welcher Nautr Frau Haarhoffs persönliche/berufliche Beziehung zur DSO ist. Eine derart häufige und tendenziell eindeutige "Berichterstattung" zum Thema, die ja auch gerne mal bis ins langweiligste Detail die Verbandsinterna platttrampelt, lässt mich Übles ahnen.

     

    Aber es ist ja schön, dass eine neue "Studie" jetzt ein neues Argument für die allgemeine Ausschlachtung gebracht hat: wer sich gegen die Organspende ausspricht, tut das nur, weil er doof und ungebildet ist. Prima! Eine ganz perfide Argumentation ist das, aber das doofe Volk wird's schon schlucken.

     

    Wenn's für die taz bei dieser Thematik nicht noch peinlicher werden soll, würde ich zur Abwechslung mal einen Kritiker zu Wort kommen oder wenigstens mal jemand anderen schreiben lassen. Außer den "Anmerkungen" von Frau Goettle, die aber irgendwo im "Alltag" untergingen, ist ja von kritischer Berichterstattung hier leider nichts zu merken.