Studie zur Ungleichheit von Landbesitz: Mehr Ackerland in weniger Händen
Zunehmende Ungleichheit von Landbesitz weltweit verschärft Hunger – das zeigt eine aktuelle Studie. Mitverantwortlich sind CO2-Kompensationsprojekte.
Die wachsende Ungleichheit der Landverteilung vertieft die Kluft zwischen Arm und Reich, denn Land ist weiterhin entscheidend für das Wohl eines Großteils der Bevölkerung in der Welt. Kleinbäuerliche Betriebe ernähren nach wie vor die Mehrheit der Weltbevölkerung. Auf nur 35% der globalen Anbaufläche produzierten Hirtenvölker und indigene Völker mehr als die Hälfte der weltweit konsumierten Lebensmittel, heißt es in der Studie. Zugleich ist Land aber auch eine begehrte Investitionsmöglichkeit.
Der Erwerb großer Mengen von Land durch wenige Konzerne steht häufig im Zusammenhang mit der Zerstörung von Ökosystemen durch industrielle Landwirtschaft oder wenig nachhaltige Baumplantagen. Auf diese Weise vergrößert die Konzentration von Land in den Händen weniger Unternehmen die wachsende Zahl derer, die an Hunger leiden.
Geschäftsstrategie großer Konzerne
Eines dieser Unternehmen ist Blue Carbon – laut der Studie der größte Landeigentümer weltweit. Allein in Simbabwe erwarb Blue Carbon 7,5 Millionen Hektar Land, was etwa 20 Prozent des nationalen Territoriums entspricht. Auf der Fläche will der von Scheich Ahmed Dalmook Al Amktourn in Dubai gegründete Konzern Projekte zur CO2-Kompensation entwickeln.
Durch Wiederaufforstung und eine Verbesserung von Anbaumethoden sollen klimaschädliche Emissionen gebunden werden. Allein: Blue Carbon habe keinerlei Expertise in der Entwicklung landwirtschaftlicher Projekte oder der Bewirtschaftung von Wäldern, sagt Saskia Ozinga von der Umweltorganisation Fern. Denn das Geschäftsmodell von Blue Carbon ist ein anderes. Es handelt mit CO2 Zertifikaten, also mit Rechten zum Ausstoß von Co2, die für beschriebene Ausgleichsmaßnahmen vergeben werden. Sie ermöglichen es Unternehmen dann zum Beispiel, die gestiegene Ölproduktion in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu kompensieren.
Studienautor Philipp Seufer von Fian sieht Projekte der Klimakompensation durch Unternehmen wie Blue Carbon als Trendverstärker der Konzentration von Land in den Händen weniger. Die neue Form des Landraubs sei die Anhäufung großer Mengen Land zur CO2-Kompensation, sogenannte „carbon grabs“, zitiert Seufer den früheren Direktor der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi Adesina. Häufig seien die Vertreibung indigener Gemeinschaften und Kleinbäuerinnen die Folge.
Mit in der Verantwortung stehen auch erste europäische Konzerne. Joanna Trimble, Referentin des TMG Think Tank for Sustainability, berichtete der taz vom norwegischen Unternehmen Green Resources. Dessen Kompensationsprojekte im ugandischen Central Forest Reserve führten zu gewaltsamen Vertreibungen und Einschränkungen des Zugangs zu Land der lokalen Bevölkerung.
Biodiversität: Mehr Schaden als Nutzen
Zahlreiche Studien zeigen außerdem, dass Projekte zur marktbasierten Kompensation von Emissionen in der Regel mit massiven Einbußen in der Biodiversität und Schäden der Ökosysteme vor Ort einhergehen. Das wiederum hat für kleinbäuerliche Betriebe häufig hohe Produktionsverluste zur Folge. Dies treffe laut Trimble auch auf die Flächen zu, die der schwedische Möbelkonzern Ikea seit 2021 in Neuseeland gekauft hat, um bis 2050 auf dem Papier klimaneutral zu werden.
Und sogar kleinere Anleger waren bereits in den internationalen Handel mit Boden involviert. Der Pensionsfonds der Ärzteversorgung Westphalen-Lippe beteiligte sich bis 2022 an Landkäufen, die in Brasilien eine der artenreichsten Regionen der Welt in riesige Monokulturen verwandelten. Bekannt wurde dies erst durch die aktuelle Recherche von Fian.
Die Ärzteverwaltung erklärt der taz: „Investitionen in landwirtschaftlich genutzte Flächen waren in der Vergangenheit vorteilhaft, weil sie einen gewissen Inflationsschutz, eine geringe Korrelation zu Aktien- und Rentenmärkten sowie stabile Erträge boten.“ Heute setze man vor allem auf erneuerbare Energien oder digitale Netze.
Besteuern und regulieren
Um ländliche Gemeinschaften und Kleinbäuerinnen vor internationaler Bodenspekulation zu schützen, brauche es Mechanismen zum Ausgleich des Machtgefälles, so Philipp Seufer. Er plädiert unter anderem für eine progressive Besteuerung von Vermögen, das in Land angelegt ist. Das könne die rasante Anhäufung von Land in den Händen weniger zumindest verlangsamen und betroffenen Regionen finanzielle Spielräume verschaffen.
CO2-Zertifikate sind laut Seufer dagegen eher ein weiteres Instrument für spekulative Investments und Greenwashing schädlicher Treibhausgasemissionen. Die kürzlichen Vorstöße der EU zur verbesserten Transparenz bei der Zertifizierung von CO2-Kompensationen findet Seufer nicht ausreichend. Idealerweise bräuchte es ein institutionelles Forum, angesiedelt zum Beispiel bei der FAO oder dem Welternährungsrat, das nationale und internationale Maßnahmen in Bezug auf Land koordiniere.
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