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Studie zum FamilienlebenAlleinerziehende sind gute Eltern

Eine aktuelle Studie kommt zu dem Schluss: Der Familienstatus beeinflusst das Leben von Kindern in Deutschland weniger als die soziale Lage ihrer Eltern.

"Armut wirkt sich negativ aus": Geld hat größeren Einfluss auf das Wohl von Kindern, als die Familiensituation. Bild: ap

BERLIN taz | Mutter. Vater. Kind. Die sogenannte "ganze" Familie ist ein in Deutschland weit verbreitetes Ideal für die Kindererziehung. Dennoch gehen hierzulande immer mehr Eltern einen anderen Weg. Seit 1996 ist die Zahl Alleinerziehender um knapp 70 Prozent auf 2,2 Millionen gestiegen. Eine Studie der Universität Bielefeld untersuchte nun im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung, welchen Einfluss Alleinerziehung und soziale Lage aus Sicht betroffener Kinder haben.

Die Ergebnisse wurden am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Zentrale Botschaft: Alleinerziehende sind besser als ihr Ruf.

Im Rahmen der Untersuchung wurden über 1000 Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren aus verschiedenen Milieus in sechs deutschen Großstädten befragt, darunter Berlin, Hamburg und Dresden. Der Leiter der Studie, Holger Ziegler, bringt das wenig überraschende Ergebnis auf den Punkt: "Armut wirkt sich negativ aus". Gemeint sei damit aber nicht nur Armut als eine statistische Größe, so Ziegler, sondern auch die Wahrnehmung der finanziell angespannte Lage der Eltern durch die Kinder selbst.

Immerhin gab jedes sechste Kind aus betroffenen Haushalten an, dass seine Familie zu wenig Geld zum Leben hätte. "Wenn bereits 6-Jährige denken, dass es davon zu wenig gibt, sollte uns das zu denken geben", sagt der Leiter der Studie. Es sei zwar gut, dass Kinder dank des Bildungspaketes nun an Schulausflügen und Aktivitäten in der Freizeit teilhaben könnten. Das Geld für teure Rucksäcke oder gute Fußballschuhe fehle aber nach wie vor, so Ziegler.

Alleinerziehung bedeutet Stress auf beiden Seiten

Auch bei der Selbsteinschätzung der Kinder spielt das Geld der Eltern eine Rolle. So trauen sich Kinder aus privilegierten Haushalten oft mehr zu als ihre Altersgenossen aus weniger gut situierten Verhältnissen. Überraschend für die Macher der Studie ist, dass erstere selbst dann bessere Noten in der Schule erhalten, wenn ihre Selbsteinschätzung schlechter ist. Ziegler verweist in diesem Zusammenhang auf andere Untersuchungen, wonach Kinder von Alleinerziehenden und aus unterprivilegierten Familien bei gleichen objektiven Leistungen in der Schule häufig schlechter bewertet werden. Auch laut Studie fühlen sich Alleinerzogene häufiger gehänselt, gemobbt und alleingelassen.

"Alleinerziehende müssen die Erziehung straff organisieren und das führt zu Konflikten", erklärt Ziegler. Dies bedeutet Stress für beide Seiten. Aus Sicht der Kinder geben ihre Eltern diesen aber nicht weiter. Alleinerzogene berichten von genau so viel Aufmerksamkeit und Zuwendung wie ihre Altersgenossen in Zwei-Eltern-Familien. Laut Studie geben sogar 100 Prozent der befragten Kinder von Alleinerziehenden an, dass sie jemanden hätten, der sich um sie kümmert.

"Kinder brauchen nicht nur Programme, sondern Beziehungen und Ansprechpartner", schlussfolgert daher der Leiter des christlichen Kinder- und Jugendwerkes Arche, Bernd Siggelkow. Wie der Wissenschaftler, so glaubt auch er als Mann aus der Praxis nicht an den Erfolg des Bildungspaketes. Dabei handelt es sich zwar um eine gute Idee. Insgesamt sei die Regelung aber zu bürokratisch und baue zum Nachteil der Kinder unnötige Hürden auf. Die niedrige Zahl der aktuell gestellten Anträge beweise dies, so Siggelkow.

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5 Kommentare

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  • SS
    Schawn Steinfeger

    Ich finde es sehr gut, dass dieser Artikel den Fokus weg von alleinerziehenden Eltern als Problemfaktor hin zum sozialen Milieu als ausschlaggebender Faktor für das Gefühl mangelnden Aufgehobenseins in einer Familie lenkt. Letztendlich geht es aus Sicht eines Kindes doch darum, dass sich jemand konstant und verlässlich um es kümmert, es eine Bezugsperson hat und Glück und Liebe erfährt und nicht darum, dass diese Gefühle zwangsläufig von den leiblichen Eltern als Paar vermittelt werden.

    Zu diesem Thema habe ich auch gerade einen wirklich interessanten Artikel gelesen. Es gibt anscheinend einen neuen Blog zum Thema Familienpolitik/ Zukunft der Institution Familie. Guckt euch das mal an: http://www.atkearney361grad.de/2011/06/29/freunde-kann-man-sich-aussuchen-familie-auch/!

  • S
    Sandra

    Studie der Universität Bielefeld, im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung

     

    2,2 Millionen alleinerziehende Konsumenten, denen man Honig ums Maul schmiert....Ja ihr macht das gut, euren Kindern macht es überhaupt nichts aus, wenn sie einen Elternteil nicht haben (Halb- und Vollwaisen ausdrücklich ausgenommen)

     

    Armes Deutschland, Arme Kinder

  • U
    Unterschichtler

    Solchen Studien sollte man nicht allzuviel Bedeutung beimessen,denn es erweckt den Eindruck,das in sozialschwachen Familien es wohl besser wäre,sich zu trennen.Es gibt wohl genug Mischformen aus beiden.Sollte man da nicht eher die Verbindung von Alleinerziehung und sozialer Unterprivilegiertheit untersuchen.

  • HA
    halb allein erziehender Vater

    Es ist sicher richtig, dass Kindern von ihren getrennt lebenden Eltern häufig größte Aufmerksamkeit geschenkt wird, und ihnen von daher scheinbar "nichts fehlt". Aus eigener Erfahrung - vor vier Monaten ist meine Frau ausgezogen - weiß ich, dass getrennte Eltern sich doppelt anstrengen, alles für ihre Kinder zu tun, sei es aus schlechtem Gewissen hinsichtlich in der Vergangenheit gemachter Fehler, sei es um im "Wettbewerb" mit dem anderen Elternteil besser da zu stehen. Aber um welchen Preis? Mensch hängt sich doppelt rein, vernachlässigt dabei das Verfolgen eigener Wünsche und Interessen zugunsten des Kindes. Außerdem ist das einfach-so-sich-Trennen eine Bankrotterklärung hinsichtlich der eigenen Fähigkeiten zur Konfliktaustragung, und das wird dann dem Kind auch vorgelebt: Dem ersten größeren Konflikt oder einer Schwächephase des Partners entfliehe ich; als getrenntes Elternteil bin ich ja mittlerweile genauso sozial akzeptiert und kann es mir ökonomisch ja auch leisten. Welche Wunden bei einem selbst und beim (Ex-)Partner, aber auch dem Kind geschlagen werden, welche Opfer das für alle mittel- und langfristig bedeutet - das wird dabei zugunsten von aktuell ein wenig Egoismus übersehen.

  • T
    Torben

    Loriot: "Ach?!"

     

    Ratzinger: "Veto!"

     

    Käßmann: "Wohlsein!"

     

    Wulff: "Grundgesetz, Schutz von Ehe und Familie und so!"

     

    Bleibt wohl noch eine gefühlte Ewigkeit beim abgefuckten "christlichen Wertefundament" und die Mutterkreuzfraktion stimmt an diesem Punkt auch liebend gern in das Hohelied der gleichgeschlechtlichen Ehe ein. Ein Klassiker.