piwik no script img

Studie zu illegalen Musik-DownloadsExperiment gescheitert

Legale, kostenlose Musikdownloads halten Verbraucher nicht vom illegalen Herunterladen aus dem Netz ab - so eine neue Studie. Ist die Branche am Ende?

Radiohead-Sänger Thom Yorke: Die Band verschenkte ihr Album "In Rainbows". Bild: dpa

Verehrte Herren in den Chefetagen und liebe Spürhunde der Musikindustrie, geschätzte Promotion-Mitarbeiterinnen und alle restlichen Plattenfirmenangestellten, wir haben eine schlechte Nachricht. Sie haben es womöglich schon geahnt, aber nun endlich ist es endgültig, das Leiden hat ein Ende: Ihre Geschäftsgrundlage ist nicht mehr vorhanden. Oder, anders gesagt: Suchen Sie sich einen neuen Job!

Das Kerngeschäft von Plattenfirmen hat sich in Luft aufgelöst. Mit dem schlichten Verkauf von Musik, das steht jetzt fest, ist kein Geld mehr zu verdienen. Das, was alle eigentlich schon wussten, hat nun eine von der Musikverwertungsgesellschaft MCPS-PRS Alliance in Auftrag gegebene Studie ganz offiziell bewiesen. Die britische Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) ließ vom Marktforschungsunternehmen Big Champagne untersuchen, wie Kunden ein avantgardistisches Angebot von Radiohead annahmen: Die bekannte britische Band hatte ihr letztes Album "In Rainbows" zuerst als Download auf der eigenen Website angeboten, und die Kunden konnten selbst bestimmen, ob überhaupt und wie viel sie zahlen wollten.

Trotzdem, das ergab nun die Studie der MCPS-PRS, luden die meisten Interessenten "In Rainbows" nicht umsonst auf der Radiohead-Seite herunter, sondern lieber illegal über Internettauschbörsen. Allein über das Filesharing-Programm BitTorrent wurde das Album bereits am ersten Tag nach der Veröffentlichung 400.000 aus dem Netz gesaugt, 2,3 Millionen Downloads waren es nach gut drei Wochen. Im Klartext: Radiohead verschenkten ihr Album, aber die Hörer klauten die Musik lieber weiter wie gewohnt zwei Mausklicks nebenan.

Damit kann sich die darbende Musikindustrie nun endlich von einer Lebenslüge verabschieden. Dass nämlich der Musikkonsument gern auf illegale Angebote verzichten würde, wenn man den Verfolgungsdruck nur entsprechend erhöht und parallel dazu technisch konkurrenzfähige Verkaufsdownloads anbietet. Damit räumt die Studie nun radikal auf: "Tauschbörsen sind etabliert, unglaublich beliebt und werden niemals verschwinden", kommentierte Big-Champagne-Chef Eric Garland, "es ist Zeit, damit aufzuhören, gegen den Strom zu schwimmen, und zu akzeptieren, was die Leute wollen."

Zeit also für die Musikindustrie in Deutschland, all die Rechtsanwälte wieder zurückzupeifen, die Filesharer mit Klagen überziehen. Zeit für Softwareentwickler, die wahrscheinlich eh aussichtslose Suche nach dem unknackbaren Kopierschutz aufzugeben. Zeit für die Plattenfirmen und Onlineanbieter in England, sich das Porto zu sparen, mit dem sie demnächst hunderttausende von Downloadern über die Illegalität ihres Tuns aufklären wollen. Es wird, kurz gesagt, Zeit für die Verantwortlichen im Popgeschäft, die Realität zu akzeptieren.

Denn die sieht so aus: Die Leute wollen Musik. Aber sie wollen sie umsonst dort herunterladen, wo sie wollen und wie sie wollen. Wer also mit Musik noch Geld verdienen will, sollte sie am besten verschenken. Denn auch das beweist das Beispiel Radiohead: Obwohl "In Rainbows" quasi kostenlos angeboten und zudem millionenfach illegal heruntergeladen wurde, laufen die Geschäfte prima für Sänger Thom Yorke und seine Kollegen. Der Werbecoup hatte ausverkaufte Tourneen und akzeptable Verkäufe der später angebotenen Luxus-CD-Ausgaben zur Folge.

Natürlich kann das keine Blaupause sein für das zukünftige Geschäft mit der Popmusik. Nicht jede Band hat so treue Fans wie Radiohead, und die unbekanntere Konkurrenz muss erst prominent werden, bevor sich irgendjemand ihr Produkt wird schenken lassen wollen.

Aber umdenken müssen nun endlich vor allem die Plattenfirmen. Musik zu verkaufen an Musikfans, ob als Tonträger oder Download, dieser klassische Verwertungskanal ist hiermit zu Grabe getragen. Und mit ihm der aktuelle Hoffnungsschimmer der Industrie, die momentan heiß diskutierte Musik-Flatrate. Denn wozu soll ich einen festen Monatsbeitrag überweisen an eine Plattenfirmen, um auf deren beschränktes Repertoire zugreifen zu können, wenn eine Website weiter nahezu alle Musik der Welt umsonst zur Verfügung steht? Die Menschen wollen Tauschbörsen, weil sie umsonst sind, praktisch und zudem ein soziales Netzwerk.

So ist zwar ungewiss, wie die Zukunft der Musik aussieht. Vielleicht wird sie zum Werbeträger degradiert. Vielleicht nur noch live aufgeführt und für Filmsoundtracks lizenziert. Vielleicht gibt es sie bald als Dreingabe zum Pfund Kaffee. Aber eines steht nun fest: An den Endkunden verkauft wird Musik demnächst nur noch in Notfällen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • P
    pianojoe

    Was machen Bands btw. Plattenfirmen, die ihre Musik nicht selbst schreiben? Sie legal verschenken, und gleichzeitig dem Komponisten die gesetzlich vorgeschriebene Vergütung zahlen?

    Die illegalen Downloads beflügeln also das Live-Geschäft der Bands. Was machen Musikproduzenten, die nie auftreten (weil sie zB Electronica produzieren, den man gar nicht live spielen kann)?

    Von den Songwritern will ich gar nicht erst anfangen…