Studie von Google-Forschern: MySpace & Co ohne Privatsphäre
Eine Studie von Google-Forschern warnt vor Datenschutzproblemen bei sozialen Netzwerken. Die zunehmende Vernetzung der Informationsströme beeinträchtige demnach die Privatsphäre.
Es kommt eher selten vor, dass Datenschützer der Europäischen Union und Wissenschaftler eines Unternehmens, dass sein Geld hauptsächlich der Aufbereitung und Bereitstellung gigantischer Datenmengen verdankt, einer Meinung sind. Beim Thema soziale Netzwerke scheint das allerdings nun so zu sein: Monica Chew, Dirk Balfanz und Ben Laurie, alle drei als Forscher beim Suchmaschinenriesen Google beschäftigt, haben in einer Untersuchung mit der Überschrift "Die Untergrabung der Privatsphäre in sozialen Netzwerken" scharfe Kritik an den Datenschutzzuständen im Mitmach-Netz geübt.
Damit schließen sie sich ähnlichen Erkenntnissen der "Artikel 29-Datenschutzgruppe" der EU an, der die europäischen Datenschutzbeauftragten angehören und die seit längerem fordert, soziale Netzwerke künftig genauer zu überwachen und notfalls gesetzlich zu regulieren, sollten sich die Bedingungen nicht ändern.
In ihrer Untersuchung, die die Google-Forscher auf einer Tagung im kalifornischen Oakland zur Sicherheit und Privatsphäre im Web 2.0 vorstellten, sehen sie insbesondere die zunehmende Vernetzung von Informationsströmen in den Datenbanken der Anbieter als problematisch an. Der so genannte "soziale Graph", also die von außen einsehbaren Verbindungen der Nutzer untereinander, führe zu einer zunehmenden Entanonymisierung, einer Offenlegung des Beziehungsgeflechts teilnehmender Personen. Zudem fehle es an der Kontrolle über so genannte Aktivitätsdaten. In diesen verzeichnet etwa Facebook, was ein Nutzer auf einem sozialen Netzwerk alles tut, auch wird hierüber seine aktuelle Statusmitteilung übermittelt, sollte er diese nutzen (z.B. "bin gerade am Ort X").
Google betreibt mit "Orkut" zwar ein eigenes soziales Netzwerk, ist damit aber wesentlich weniger erfolgreich als MySpace, Facebook oder hier zu Lande auch StudiVZ/SchuelerVZ. Zudem entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Forscher des Suchmaschinenriesen vor der Privatsphärenproblematik warnen, sammelt ihre Firma doch selbst beispielsweise Suchanfragen von Milliarden von Nutzern, hält diese monatelang vor und arbeitet mit ihnen, um beispielsweise Trends im Datenstrom ausmachen zu können.
Für die Google-Wissenschaftler scheinen soziale Netzwerke jedoch noch eine weitere Dimension im Datenberg hinzuzufügen, die ihnen deutlich problematischer erscheint. So kritisieren sie an Facebook, dass dort mit dem so genannten "Beacon"-Feature eine Verlinkung zwischen Website-Aktivitäten etwa auf E-Commerce-Angeboten und dem Freundesnetzwerk vorgenommen wurde. Nutzer hätten so kaum kontrollieren können, ob ihre Einkäufe der ganzen Welt bekanntgegeben wurden.
Aber auch an Googles eigenen Web 2.0-Aktivitäten üben die Forscher Kritik. So habe die Nachrichtenleser-Software "Google Reader" im Dezember 2007 zu schnell damit begonnen, vom Nutzer als interessant markierte Neuigkeiten mit seinem gesamten "Google Talk"-Adressbuch zu teilen. Problematisch seien auch "unabsichtigte Links", also Verbindungen zwischen verschiedenen Internet-Angeboten. So füge etwa der Web 2.0-Fotodienst Flickr beim Posten von Bildern ins eigene Netztagebuch stets Links zum Profil des Nutzers ein, wovon dieser zunächst nicht benachrichtigt würde. Auch beim so genannten "sozialen Graphen" sehen die Forscher Probleme, etwa indem berufliche Profile mit privaten Profilen kombiniert würden. Dies könne etwa durch gemeinsame Kontakte entstehen.
Die Google-Forscher schlagen verschiedene Strategien vor, Privatsphärenprobleme im Web 2.0 zu beheben. Bei den Aktivitätsdaten sei es so zum Beispiel wichtig, dass Nutzern stets mitgeteilt würde, welche Informationen sie dem Rest der Welt übermittelten und wer dann das genaue Publikum sei. Bei unerwünschten Links gelte ähnliches - hier dürfe Software insbesondere nicht automatisch davon ausgehen, dass jeder Nutzer alle Informationen mit anderen teilen wolle. Beim sozialen Graphen wiederum empfehlen die Google-Wissenschaftler, Nutzer zu warnen, dass die Verwendung zahlreicher verschiedener sozialer Netzwerke negative Konsequenzen haben könnte, weil sich dadurch die Datenmengen massiv erhöhten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben