Studie bezweifelt Wirksamkeit: Lungenentzündung trotz Impfung
Impfungen sollen vor Lungenentzündungen schützen - doch eine aktuelle Übersichtsstudie bezweifelt ihre Wirksamkeit.
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 800.000 Menschen an Lungenentzündung, der Pneumonie. Ein Drittel von ihnen muss ins Krankenhaus, viele landen auf der Intensivstation. Gründe genug, nach einem wirksamen Schutz zu suchen. In den letzten Jahren setzen Mediziner dabei große Hoffnung auf die Impfung. Im Visier haben sie vor allem die Bakteriengruppe der Pneumokokken, die an fast der Hälfte aller Lungenentzündungen beteiligt sind, aber auch die Grippeviren, insofern sie sich oft mit den Bakterien zusammentun und ergänzen.
Die Schutzimpfungen sorgen dafür, dass die Immunabwehr die Erreger besser erkennen und bekämpfen kann. Doch inwieweit dies auch wirklich vor Lungenentzündungen schützt, ist unklar.
So kommen US-amerikanische Forscher in einer Analyse von Versicherungsdaten zu dem Schluss, dass gegen Grippe geimpfte Senioren während einer Grippewelle nur zu 8 Prozent seltener an Lungenentzündung erkranken als nichtgeimpfte. Das ist weitaus geringer als die 30 bis 40 Prozent, die gemeinhin als Verringerung des Pneumonierisikos angenommen werden. Studienleiter Michael Jackson vom Center of Health Studies in Seattle will jedoch seiner Oma weiterhin zur jährlichen Grippeimpfung raten: "Denn die ist sicher und gut verträglich, weswegen sich auch eine geringe Schutzwirkung lohnt."
Für die Pneumokokkenimpfung stehen mittlerweile zwei Impfstoffe zur Verfügung: ein älterer namens PPV, der vor allem bei Senioren und immunschwachen Erwachsenen eingesetzt wird. Der zweite, ein so genannter Konjugatimpfstoff, wurde erst vor kurzem entwickelt. Er eignet sich auch für Kinder unter zwei Jahren, die noch nicht auf PPV reagieren können.
Während die Wirkung des neueren Mittels wissenschaftlich solide belegt ist, beruht die unter Medizinern übliche Positivbewertung des älteren im Wesentlichen auf zwei Studien aus den Jahren 1947 und 1977. Das ist lange her - und lässt die Frage aufkommen, ob Arbeiten aus dieser Zeit die heute üblichen Ansprüche an eine klinische Arbeit erfüllen. Und in der Tat fand Matthias Egger von der Uni Bern bei ihnen "erhebliche methodische Mängel", als er mit seinem Forscherteam das Datenmaterial zur PPV-Impfung überprüfte.
Die Schweizer Sozialmediziner haben die alten Arbeiten daher von ihrer Bewertung ausgenommen, und das, was dann noch an Studien übrig blieb, "deutet nicht darauf hin, dass die Impfung tatsächlich vor Lungenentzündungen schützt". Selbst Risikogruppen wie Senioren und immunschwache Erwachsene würden nicht von ihr profitieren.
Die Weltgesundheitsorganisation beurteilt die PPV-Impfung weiterhin positiv - obwohl man die Studie von Egger nicht nur kennt, sondern sogar mit finanziert hat. In jedem Falle kann man dem Schweizer Forscher nicht vorwerfen, er sei ein chronischer Impfkritiker, der lieber auf Naturheilverfahren setzt. Vor vier Jahren sorgte er für Furore, als er - ebenfalls in einer Übersichtsarbeit - für die Homöopathie keine klinischen Beweise finden konnte und ihre Wirkung mit dem Placebo-Effekt, also der menschlichen Einbildungskraft, erklärte.
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