Studie Arbeiten im Rentenalter: Bankerinnen halten am längsten durch
Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerinnen kann sich laut einer Studie vorstellen, bis zum Alter von 67 Jahren noch zu arbeiten. Dabei gibt es jedoch große Branchenunterschiede.

BERLIN taz Die Zahl erscheint auf den ersten Blick erstaunlich hoch: "58 Prozent der Arbeitnehmerinnen in Deutschland glauben, ihrer Arbeit auch mit 67 Jahren noch gewachsen zu sein". Dies meldete kürzlich die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA), ein Verbund aus Bundesgesundheitsministerium, Bertelsmann-Stiftung, Arbeitgebern und Gewerkschaften. Die Forscher hatten 1 800 Arbeitnehmerinnen der Jahrgänge 1947 bis 1964 befragt. Allerdings ackerten 40 Prozent der Frauen nur in Teilzeit. Und: Arbeiterinnen schätzten ihre Erwerbsfähigkeit im Alter erheblich schlechter ein als weibliche Angestellte.
"Es gibt Berufe, in denen die Beschäftigten während des gesamten Erwerbsverlaufs sehr hohen Belastungen unterliegen und daher mehr Schwierigkeiten haben, durchzuhalten", sagt Gerhard Naegele, Leiter des Instituts für Gerontologie an der Technischen Universität Dortmund, das die Untersuchung durchführte. Während nämlich über 60 Prozent der befragten Angestellten die Voraussetzungen, bis zum Alter von 67 Jahren durchhalten zu können, als "positiv" bezeichneten, waren dies bei den Arbeiterinnen nur die Hälfte.
Auch zwischen den Branchen gibt es erhebliche Unterschiede. So schätzten 70 Prozent der Beschäftigten bei Post und Bahn und im Hotel- und Gaststättengewerbe ihre Weiterarbeitsfähigkeit bis ins höhere Alter eher pessimistisch ein. Die meisten positiven Einschätzungen kamen hingegen von Angestellten in Banken und dem Versicherungsgewerbe. Interessanterweise gaben sich auch im Handel die befragten Frauen optimistisch.
Die Art der Belastung war sehr unterschiedlich: Dreiviertel der Arbeiterinnen gaben an, oft oder immer körperlich schwere Arbeiten auszuüben oder einseitigen Belastungen wie etwa ständiges Stehen, Sitzen oder ungünstigen Körperhaltungen, ausgesetzt zu sein. Bei den Angestellten hingegen überwogen die psychischen Anforderungen. 90 Prozent erklärten, dass die Arbeit fast immer hohe Konzentration verlange. Auch der Druck, gegenüber Kunden oder Patienten immer freundlich sein zu müssen oder die Konfrontation mit dem Leid anderer belastete die Angestellten.
Die Studie könnte einen Hinweis darauf geben, dass angesichts des künftigen höheren Renteneintrittsalters die unterschiedliche Belastung in einzelnen Berufen ein sozialpolitisches Thema werden könnte, an dem sich neue Gerechtigkeitsfragen entzünden. "Pauschale gesetzliche Regelungen wie jene zu den neuen Regelaltersgrenzen können keine Rücksicht auf die Belastungen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern nehmen, denn diese Unterschiede abzubilden und gesetzlich zu verankern, ist schlichtweg nicht machbar", sagt Naegele.
Der Rentenzugang läuft daher künftig möglicherweise verstärkt über den Arzt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert in seinem Rentenkonzept, die Erwerbsminderungsrenten künftig weiter auszubauen.
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