: Studenten sind ihren Professoren wohlgesonnen
■ An der Freien Universität liegen die ersten Ergebnisse der offiziellen Professoren-Bewertung durch Studenten vor/ Tendenz: freundlich/ Vierzig Prozent der Biologie-Professoren verweigerten jedoch die Teilnahme an den Studentenbefragungen/ FU-Präsident Gerlach fuhr »weiche Linie«
Dahlem. Biologieprofessoren an der Freien Universität scheinen einiges zu verbergen zu haben. Aus ihren Reihen kam ein Aufschrei, als es hieß, Lehrveranstaltungen sollten im Auftrag des FU-Präsidenten von Studenten begutachtet werden. Einige bombardierten die FU-Verwaltung mit seitenlangen bitterbösen Briefen — Tenor: Was FU-Präsident Gerlach veranstalten ließ, sei verfassungswidrig.
Das Grundgesetz garantiert die Freiheit der Lehre. Wenn Studenten hochoffiziell aufgefordert werden, ihre Eindrücke von den Leistungen des lehrenden Professors aufzuschreiben, dann ist das für die aufgebrachten Hochschullehrer »Bevormundung, Lenkung, Beeinflussung der Wissenschaft«. Und dagegen, so ihre Drohung in den bösen Briefen, wollen sie zur Not gerichtlich zu Felde ziehen.
Die Professoren-Opposition in der FU-Biologie hat die von FU-Präsident Gerlach angeleierte Evaluation der Lehre nicht stoppen können. Aber sie hat dafür gesorgt, daß die Biologen nun einen unrühmlichen FU-Rekord halten: 40 Prozent der Biologie-Professoren verweigerten sich der Teilnahme an den Studentenbefragungen. Das ist weit mehr als an den anderen Fachbereichen, in denen Gerlach im vergangenen Wintersemester zum ersten Mal eine offizielle Evaluation der Lehre durchführen ließ.
Dabei ging Gerlach so behutsam vor, daß keinem Professor etwas passieren kann: Ausdrücklich wurde klargestellt, daß die Ergebnisse der Studentenbefragung keiner Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ob der Professor gut oder schlecht bei seinen Studenten ankommt, das erfährt nach der Auswertung der in Umlauf gebrachten Fragebögen nur sein Dekan und er selbst. Offenbar, so vermuten Biologiestudenten und die FU-Verwaltungsfachleute, wollen die vielen professoralen Verweigerer in der Biologie nicht einmal im stillen Kämmerlein persönlich damit konfrontiert sein, was ihre Studenten von ihren Lehrleistungen halten.
In den letzten Wochen des Wintersemesters wurden neben der Biologie auch in der Soziologie, den Rechtswissenschaften und der Medizin Studentenbefragungen durchgeführt. Deren Ergebnisse liegen (außer in der Medizin) der FU-Verwaltung nun vor. Offiziell soll erst in zwei Wochen bekanntgegeben werden, was herausgekommen ist. Inoffiziell wird an den Fachbereichen jedoch schon erzählt, daß die Studenten ihre Dozenten überraschend gut bewertet haben sollen. Jürgen Mees, als Student Mitglied in der FU-Kommission für Lehre und Studium, wundert sich: »Wie kommt trotz der offensichtlichen Misere das gute Bild zustande?« Für ihn hat die Befragung Mängel, die das Bild nachhaltig verfälschen. Zum einen werde nun bewertet, was an Veranstaltungen tatsächlich angeboten werde. Die Misere bestehe aber zu einem Gutteil aus dem, was an Angeboten fehlt. Zum anderen blieben bei der Umfrage die Urteile derjenigen unberücksichtigt, die der Veranstaltung schon weit vor Semesterende den Rücken gekehrt haben. Die Fragebögen werden nur von denjenigen ausgefüllt, die geblieben sind. Und die hätten sich wohl überwiegend so an die Verhältnisse gewöhnt, daß sie den Dozenten keinen Vorwurf mehr machen würden.
Dieter Grühn, Evaluationsbeauftragter des FU-Präsidenten, hat bereits begonnen, nachsorgende Gespräche mit den betroffenen Professoren zu führen. Er versucht, die Gemüter zu beruhigen und die Debatte um die Lehrevaluation zu entdramatisieren. Nach den letzten Gesprächen mit Professoren freut sich Grühn über erste Erfolge: Bei den Gegnern der Evaluation habe sich die Aufregung zum Teil schon gelegt, daß er und Kollegen beim nächsten Mal mitmachen würden.
Was Dieter Grühn, der Evaluationspragmatiker, als Indiz für eine erfolgreiche Strategie der Konfliktvermeidung wertet, das sieht jedoch Peter Grottian, der Evaluationsfundi, ganz anders. Für den Politikprofessor ist es kein gutes Zeichen, wenn seine Kollegen jetzt erleichtert mit einem »war doch alles halb so schlimm« auf den Lippen aufatmen. Grottian plädiert für ein hartes Vorgehen: Ohne eine namentliche Veröffentlichung der Befragungsergebnisse fehlt nach seiner Überzeugung der Druck, um nachlässige Hochschullehrer zu zwingen, sich mehr Mühe in der Lehre zu geben. Am Otto-Suhr-Institut habe er im vorigen Jahr eine Studie veröffentlicht, in der genau zu lesen war, wie Studenten die Lehrleistungen ihrer Dozenten bewerten. FU-Präsident Gerlach hatte dann schnell die Verbreitung der Studie untersagt. Grottian seinerseits protestierte dagegen. In einem offenen Brief wies er das Argumentieren mit dem Grundgesetz zurück: Das Prinzip »Freiheit der Lehre« dürfe nicht ausgenutzt werden, um die Lehre vor Kritik zu schützen. Grottian sieht den Widerspruch, daß die Professoren es ertragen, wenn sie von Kollegen in einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung öffentlich verrissen werden — daß sie aber empfindlich reagieren, wenn Studenten sich über ihre Lehrveranstaltungen auslassen. Wer Befragungsergebnisse unter Verschluß halte, unterstütze schlechte Lehre.
FU-Präsident Gerlach hingegen hat sich für die weiche Linie entschieden — nicht zuletzt, da auch der Berliner Datenschutzbeauftragte Bedenken gegen eine personenbezogene Veröffentlichung der Umfrageergebisse geäußert hat. Dieter Grühn versucht, aus der juristischen Not eine Tugend zu machen. Indem die Professoren das Gefühl erhalten, daß alles halb so schlimm ist, soll eine Gesprächsebene mit ihnen hergestellt werden, um über das Problem der Lehre reden zu können. Das ist für Grühn das wichtigste Ziel: daß die Lehre in der Universität ein Thema wird und bleibt.
Zumindest bei den Jurastudenten hat Grühn eifrige Mitstreiter. Grottians Weg lehnt Corinna Filipowski vom Fachbereichsrat entschieden ab. »Wir haben uns als Jurastudenten das Grundgesetz angesehen und wissen, was geht und was nicht geht.« Da sie wußten, daß ihre Professoren die ganze Sache beargwöhnten (zehn Prozent der Juraprofessoren verweigerten ihre Teilnahme), vermieden sie jede Forderung, die die Professoren hätte verschrecken können — in der Hoffnung, so Filipowski, »daß die Professoren in sich gehen«. Winfried Sträter
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