Studenten-Protest gegen Sparkurs: Und was bleibt von der Kunst?
In Berlin fehlen Lehrkräfte für den Kunstunterricht. Die Universität der Künste soll das Problem lösen, doch gegen die Pläne gibt es Widerstand.
![Protestierende Studenten vor der UdK Protestierende Studenten vor der UdK](https://taz.de/picture/7524477/14/37652964-1.jpeg)
„We’re being kicked out“ steht auf dem Banner, das Anfang des Monats mit einer Hebebühne von der Decke der Universität der Künste (UdK) geholt wird. Es ist das letzte Überbleibsel eines provisorischen Protestateliers, das Studierende des ersten Semesters der Bildenden Kunst vor Wochen in der Eingangshalle aufgebaut hatten.
Doch viele Studierende fühlen sich immer noch betrogen: Von der Kunstfakultät und von UdK-Präsident Norbert Palz, der im vergangenen Herbst eine tiefgreifende Strukturreform beschlossen hat. Diese wird als Bedrohung für die „Studierbarkeit“ ihrer Fächer gesehen – und damit auch für die Möglichkeit, das Lehramtsstudium im vorgegebenen Zeitrahmen abschließen zu können.
Während sich die Zahl der Studierenden unter der neuen Reform vervielfachen soll, werden die Bedingungen zunehmend untragbar. So leidet etwa die Kunstdidaktik an der UdK an massivem Personalmangel. Es gibt nur eine festangestellte Person, sämtliche Professuren sind nur vertretungsweise besetzt.
Hinzu kommen die Sparmaßnahmen des Senats. So sollen künftig Lehrbeauftragte nur noch während der Vorlesungszeit beschäftigt werden – obwohl offiziell bereits jede Woche 50 von 120 Lehrstunden ausfallen.
Mangelnde Betreuung
Thomas Lindenberg, Student des Quereinstiegs-Masters, sagte der taz, er wolle eigentlich schnell in den Lehrberuf, doch vor allem die mangelnde Betreuung von Abschlussarbeiten bereite ihm Probleme. „Wenn jetzt durch die Kürzungen noch die Anstellungszeit reduziert wird, wird es für uns Studierende noch schwerer, fristgerecht abzuschließen, um ins Referendariat zu gehen.“
Das Kernproblem ist der drastische Lehrkräftemangel in Berlin. Zum Schuljahr 2024/25 fehlen 695 Lehrkräfte, darunter viele für das Fach Kunst. An Sonderschulen wurde das Schulfach längst abgeschafft. Die Senatsverwaltung für Wissenschaft hat den Engpass vor ein paar Jahren erkannt, und daraufhin die UdK per Hochschulvertrag verpflichtet, deutlich mehr Kunstlehrer:innen auszubilden.
Dabei drohte die Senatsverwaltung der UdK mit der Abschaffung der künstlerischen Eignungsprüfung, falls die Universität diese nicht liefere. Das würde bedeuten, dass an der UdK nicht wie bisher die künstlerischen Fähigkeiten über die Zulassung entscheiden, sondern, wie in den Wissenschaften auch, die Abiturnote.
Für viele in der UdK wird die Wurzel des Problems weniger im Lehrer:innenmangel, als in politischen Entscheidungen, die ihn verursacht haben, verortet. Stefan Kunzmann, langjähriges Mitglied des Fakultätsrats der UdK, zählt eine Reihe von Gründen auf, warum es gerade in Berlin an Kunstlehrer:innen mangelt. Neben der Streichung des sogenannten „Großfachs“, das Lehramtsstudierenden ermöglichte, ausschließlich Kunst und Pädagogik zu studieren, habe vor allem die „zeitweise Aussetzung der Verbeamtung“ die Attraktivität, als Kunstlehrer:in in Berlin zu arbeiten, geschmälert – so der Werkstattleiter im Bereich Digitale Medien.
Weniger Geld für Ausbildung von Lehrern
Nun will der Senat – statt die notorisch klamme UdK finanziell für die Ausbildung von Lehrkräften weiter zu bezuschussen – die Mittel der Universität um voraussichtlich 8 Millionen Euro kürzen. Um welche Summe genau, stehe zwar noch nicht „endgültig fest“, teilt die Senatsverwaltung für Bildung der taz auf Nachfrage mit. Dass aber gekürzt wird, gilt als gesetzt. Eine Entscheidung wird bis Mitte des Jahres erwartet.
Um das Problem anzugehen, dass die UdK nicht genügend Kunstlehrer:innen ausbildet, hatte Präsident Palz die große Strukturreform angekündigt. Es war seine letzte große Amtshandlung, im nächsten Monat scheidet er aus dem Amt. Die Kernidee: Die Lehramtsstudiengänge sollen aus den „integrierten Fachklassen“, in denen sie bisher gemeinsam mit der Freien Kunst studiert haben, herausgelöst werden.
Für die Reform entsteht ein eigenes Institut für Lehrkräftebildung – jedoch ohne eigenen Campus. Die Atelierräume des ersten Semesters sind nun im Wedding, die Kurse finden weiterhin in der Hardenbergstraße in Charlottenburg statt, und für Lehramtsstudierende liegt die Zweituniversität unter Umständen in Dahlem. Neu geschaffene Gastprofessuren sollen den Übergang erleichtern; die Klassen der in Rente gehenden Professor:innen werden zukünftig in Lehramtsklassen umgewandelt. Gegenüber kritischen Studierenden verteidigt Palz die Reform, die als prototypisches Modell eingeführt wird: „Unklarheiten sollen in der Praxis bewertet und angepasst werden.“
Unter Lehramtsstudierenden geht nun die Sorge um, dass ihre Fachklassenprofessuren zunehmend unter pädagogischen Gesichtspunkten vergeben werden könnten. Damit würde die künstlerische Ausbildung weiter an Bedeutung verlieren. Gleichzeitig sorgen sich auch die Studierenden der Freien Kunst vor einer schleichenden „Pädagogisierung“ der UdK – dass also nicht mehr der Inhalt, sondern dessen Vermittlung zur zentralen Frage künstlerischer Auseinandersetzung wird.
„Auf dem Papier klingt die Reform nicht so schlecht für die Bildende Kunst – aber was kommt als Nächstes? Und wie viel Platz bleibt der Kunst?“, fragt sich die BK-Studentin Leo Wintzen, die auch den sozialen Austausch mit den Lehramtsstudierenden als bereichernd empfindet. Auch die Studierenden des Vollzeitfachs kritisieren, dass die ausbleibende finanzielle und ideelle Unterstützung dem von der UdK formulierten Anspruch entgegensteht, eine exzellente Kunstuniversität zu sein.
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