: Strompreise in Bewegung
Verfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht gegen die Genehmigung überhöhter Strompreise in Bremerhaven. In Bremen will die swb den „Freizeit-“Tarif, der sie bisher konkurrenzfähig machte, nächstes Jahr um 10 Prozent erhöhen
Bremen taz ■ Die Strompreise steigen mal wieder. 3,5 Prozent mehr für den Normal-Tarif hat der Bremer Versorger swb-Enordia beantragt. In der Konkurrenzphase der Liberalisierung seien „Dumping-Preise“ angeboten worden, so die Begründung des Unternehmens, deren Oldenburger Konkurrent EWE erst in der kommenden Woche ihre Preissteigerung für 2004 bekannt geben will. Die swb-Enordia rechnet dabei in diesem Jahr mit einem Plus von 43 Millionen Euro, die swb Bremerhaven mit 9,2 Millionen Euro. Verbraucher können sich über Internet-Adressen wie www.verivox.de einen günstigen Anbieter suchen.
Da passt die Nachricht wie die Faust aufs Auge, dass in einem gerichtlichen Verfahren über die früher geltenden Bremerhavener Strompreise gutachterlich festgestellt wurde, dass überhöhte Preise genehmigt worden waren. Das meldet die „Gesellschaft für Energiemanagement“ aus dem bayerischen Olching, die an dem Gutachten beteiligt war. Die Bremerhavener swb möchte sich zu dem Gutachten, das für einen Prozess vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht erstellt wurde, nicht äußern.
Im Jahre 1998 hatte ein VierPersonen-Haushalt mit 5.000 Kilowatt Verbrauch in Bremerhaven satte 200 Mark mehr bezahlen müssen als derselbe Verbraucher in Bremen. Heute, wo die swb die Bremerhavener Stadtwerke übernommen hat, ist der Tarif dort sogar etwas günstiger als in Bremen. Als Grund wird angegeben, dass Bremerhaven seinen Strom nicht selbst produziert, sondern preiswert einkaufen kann. Um auch in Bremen günstigeren Strom anbieten zu können, hat die swb daher schon vor Jahren die schrittweise Stillegung von Kraftwerken beschlossen – der Verbraucher hätte dann allerdings einen höheren Anteil an Atomstrom in Kauf nehmen müssen. Diese Pläne werden zurzeit überdacht: Nach dem Jahre 2010 könnte aktuellen Prognosen zufolge ein Mangel an Kraftwerkskapazitäten auftreten. Denn die Betreiber tun sich wegen der Unsicherheiten der Strompreisentwicklung schwer mit dem Bau vollkommen neuer Anlagen. „Leistungserhöhende und lebensverlängernde Maßnahmen“ in den Bremer Kraftwerken könnten sich eventuell also doch rechnen, so die swb.
Aber alles hängt vom Marktpreis ab. Gibt man bei www.verivox.de die Daten einer vierköpfigen Durchschnittsfamilie ein, dann ergibt sich, dass der normale swb-Basis-Tarif im Jahre 2003 unterm Strich 917 Euro gekostet hätte. Bei dem günstigsten Anbieter, der GGEW (Bergstraße), hätte derselbe Strom nur 802 Euro gekostet. Das viel beworbene Yello-Angebot liegt bei 899 Euro. In Bremen konkurrenzfähig ist die swb nur aufgrund ihres lokalen “Freizeit“-Angebotes mit 825 Euro für denselben Strom. Ausgerechnet den Freizeit-Tarif hat die swb nun aber für 2004 kräftig erhöht – um rund 10 Prozent für die Musterfamilie. (Berechnung im Detail unter www.mehr-dazu.de)
Die Alternativen auszurechnen lohnt allerdings nicht, solange die anderen Anbieter mit ihren Preiserhöhungen hinter dem Berg halten. Tröstlich ist nur, dass dank des kräftigen Preisansteigs der Unterschied zum „Freizeit-pro Natur“-Tarif der swb nur noch 130 Euro im Jahr beträgt – elf Euro mehr im Monat fürs gute Gewissen.
Klaus Wolschner