Streng geheim: Spione in der Fankurve
Polizei und Verfassungsschutz setzen in der Fußball-Fanszene verdeckte Ermittler und V-Leute ein, gibt der SPD-Senat zu. Konkrete Fragen bleiben unbeantwortet.
Einige Fans des FC St. Pauli haben es geahnt, jetzt geben es die Sicherheitsbehörden – wenn auch nur spärlich – zu. Polizei und Verfassungsschutz setzen in der Fan-Szene der Fußball-Clubs verdeckte Ermittler und V-Leute ein. „Der Einsatz von verdeckten Ermittlern, Vertrauenspersonen und Informanten stellt ein unverzichtbares Mittel zur vorbeugenden Bekämpfung beziehungsweise Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung dar“, heißt es in der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei-Innenpolitikerin, Christiane Schneider.
Mehrfach hatte es Berichte gegeben, dass FC St. Pauli-Fans mit Anwerbeversuche der Polizei konfrontiert worden waren. Zuletzt sei am 1. Dezember ein Fan in der Brigittenstraße angesprochen worden, der jedoch ein Gespräch verweigerte. „Die Vorgehensweise ist stets dieselbe. Entweder auf der Straße oder per Telefon versuchen Beamte Kontakt aufzunehmen“, berichtet die Fangruppierung Ultra St. Pauli. „Sie kommen dabei nicht mal aggressiv rüber, sprechen einen mit Vornahmen an und bitten um ein Gespräch.“ Im Falle der Ultra-Fans sei es immer um „Gewalt zwischen links und rechts“ gegangen, „also um nichts Spezielles, um die Leute nicht skeptisch zu machen“, vermuten die Ultras.
Um Auskünfte über Art, Umfang und Wirksamkeit der polizeilichen Maßnahmen mogelt sich der SPD-Senat herum: „Eine – auch teilweise – „Offenlegung der Umstände konkreter Einsätze kann Rückschlüsse auf Maßnahmen der Polizei zulassen, die den Erfolg und die Wirksamkeit der Maßnahmen erheblich beeinträchtigen“, heißt es in der Antwort. Zudem könnten Angaben über zurückliegende Einsätze zur Enttarnung der verdeckten Ermittler und V-Leute führen und in der Folge „Gefahren für Leib und Leben der eingesetzten Beamten “ haben, so der Senat.
Und auch der Verfassungsschutz mischt in der Fußball-Fanszene mit: Zwar habe der Inlandsgeheimdienst die Fanszene nicht generell unter Beobachtung, beteuert der Senat, es gebe aber Hinweise über Angehörige der Fanszene und personelle Überschneidungen zum linken Spektrum – da dürfte der FC St. Pauli gemeint sein – und zur rechtsextremistischen Szene, zu der Fans des Hamburger SV gehören.
Die Federführung im Bereich „Sportgewalt“, insbesondere bei Fußballspielen in den ersten vier Ligen, liegt bei der Zentraldirektion West. Aber auch Rauschgift- und Staatsschutzfahnder sind bei Fußballspielen im Einsatz.
Dass der Senat konkrete Fragen nicht beantwortet, lässt für Schneider tief blicken. „Es muss davon ausgegangen werden, dass in Hamburg verdeckte Ermittlungen in der Fußballszene stattfinden, die geheim gehalten werden sollen“, sagt sie.
Während Verfassungsschutzaktivitäten zumindest durch den parlamentarischen Kontrollausschuss einer gewissen Überprüfung unterliegen, „kann die Polizei tun und machen was sie will“, sagt Schneider. Fußballfans sollten davon ausgehen, „dass in ihrer Fankurve nicht nur Fans sondern auch V-Leute stehen, die sie ausspionieren“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!