Streitgespräch: Nur Porzner für Scherf
■ „Europa – eine Gefahr für den Föderalismus?“ / EU-Streitgespräch
Bedeutet der Fortschritt der Europäischen Einigung eine Gefahr für den Föderalismus? Der Bremer Bürgermeister Henning Scherf würde diese Frage vermutlich mit „ja“ beantworten, jedenfalls hat er zusammen mit Edmund Stoiber (CSU) engagiert dafür gestritten, dass Deutschland seine Zustimmung zur Reform der EU-Institutionen und damit zur Osterweiterung von einer Klarstellung abhängig macht: In Angelegenheiten der regionalen „Daseinsfürsorge“ soll sich die EU nicht mehr einmischen dürfen.
Damals hatten die Bremer Europa-Abgeordnete und unter anderem auch der frühere saarländische Umweltminister Jo Leinen heftig widersprochen. (vgl. taz 15.5.) Es hatte also eine durchaus bremische Brisanz, als am Dienstag abend Karin Jöns den Saarländer und andere zu ihrem traditionellen Europapolitischen Streitgespräch aufs Podium geladen hatte: „Europa – eine Gefahr für den Föderalismus?“ war das Thema.
Der Saal im Park Hotel war trotz des Freimarktes gut gefüllt, aber aus den Reihen der aktiven SPD-Politiker war kaum jemand gekommen. Auch der SPD-Landesvorstand, der einmal eine klare Stellungnahme gegen Henning Scherfs Position verabschiedet hatte, war nicht vertreten, der europapolitisch engagierte Landesvorsitzende Detlef Albers wurde nicht gesehen. Henning Scherf natürlich auch nicht – dessen Position wurde so von dem CSU-Politiker Konrad Porzner vertreten. Die EU sei „geschaffen für Fragen, die über die Leistungsfähigkeit der Staaten hinausgehen“, definierte Porzner. Die Bundesländer wollten „Kompetenzen zurückhaben“. Die geplante Osterweiterung könne nur dann erfolgreich sein, „wenn die Kompetenzfrage gleichzeitig geklärt wird“. Mit dieser harten Position hatte Scherf noch im Juli gemeinsam mit Stoiber in einem informellen „Spitzengespräch“ eine deutsche Kompromiss-Position gegenüber der EU scheitern lassen. Ende September sind die anderen Länder von dieser harten Position allerdings abgerückt, Bayern musste seine Position zur „Protokollnotiz“ machen.
Die Agrarproduktion Polens, zum Beispiel, stelle die gesamte Agrarpolitik der EU vor eine Herausforderung. Da helfen „Kompetenz-Abgrenzungen“ nichts, wenn man das Problem nicht „positiv integrieren“ könne, so die grüne Europapolitikerin Edith Müller, dann würde es „illegalen Druck an der Grenze“ geben. Die EU müsse aus der Wirtschafts- und Währungsunion zu einer „politischen Union“ weiterentwickelt werden, formulierte Jo Leinen.
Wenn die staatlich gestützte Westdeutsche Landesbank in Honkong und Singapur Geschäfte macht und die anderen Banken da eine Wettbewerbsverzerrung sehen, dann habe der Streit nichts mit einem Angriff der EU auf den deutschen „Föderalismus“ zu tun, viel aber mit gleichen Wettbewerbschancen, wandte Jo Leinen gegen die bayerisch-bremische Linie ein. Er hatte Scherf damals vorgeworfen, Stoiber in seinen anti-europäischen Ressentiments „auf dem Leim gegangen“ zu sein. Bei dem „Europapolitischen Streitgespräch“ von Karin Jöns widersprach ihm nur der CSU-Mann. K.W.
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