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Streit wegen BeschneidungGrauzone Vorhaut

Die männliche Beschneidung ist für viele Juden und Muslime Teil ihrer Religion. Rechtens aber, behaupten Gegner, sei sie selten. Jetzt ist ein Streit über Diskriminierung entbrannt.

Findet die Beschneidung auch doof: kleiner Junge. Bild: dpa

Für die einen ist es lediglich ein kleiner Schnitt, für viele Juden und Muslime ein wichtiger Eingriff: die Entfernung der Vorhaut. Diese religiöse Beschneidung hat nun einem Streit zwischen der islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) und Autoren des Deutschen Ärzteblattes ausgelöst. Massive Diskriminierung und Bevormundung wirft Engin Karahan von der IGMG, der 87.000 Mitglieder angehören, den Verfassern eines Artikels vor, der im August veröffentlich wurde.

In dem Aufsatz "Strafrechtliche Konsequenzen auch bei religiöser Begründung" raten die Ärzte Maximilian Stehr, Hans-Georg Dietz und der Jurist Holm Putzke von religiösen Beschneidungen ohne medizinische Notwendigkeit ab. Denn die Entfernung der Vorhaut stelle einen "nicht nur unerheblichen Substanzverlust dar, sie ist mithin eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit", bei der sich der Operateur wegen Körperverletzung strafbar machen könne. Ob ein Arzt hierzulande Kinder aus religiösen Gründen beschneiden muss, ist juristisch nicht eindeutig geregelt. Während Kritiker auf die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Kinder hinweisen, argumentieren Befürworter mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit.

Wegen der rechtlichen Grauzone gibt es auch kein einheitliches Vorgehen in Deutschland. Karahan erzählt von verzweifelten Eltern, die keinen Fachmann finden, der eine Beschneidung ihrer Söhne durchführen will. So wurde 2006 ein türkischer Rentner in Düsseldorf zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er als Nichtmediziner kleine Jungen beschnitten hatte. Der Mann verteidigte sich: In der Türkei gelte er als angesehener Beschneider, und es sei dort nicht die Aufgabe von Ärzten, diese Eingriffe durchzuführen.

Holm Putzke weiß, dass er mit seinem Artikel einen bloßliegenden Nerv getroffen hat. "Es gibt keine unbeschränkte Religionsfreiheit", so Putzke und warnt vor einem rechtsfreien Raum bei grundrechtlich geschützten Bereichen. "Ein Tabuthema muss auch besprochen werden können. Denn nur so kann Integration funktionieren." Eine Sichtweise, die Karahan nicht nachvollziehen kann, im Gegenteil: Er wirft dem Juristen Einseitigkeit und Verständnislosigkeit vor. "Ein ähnlicher Artikel von Putzke wurde unaufgefordert an viele Ärzte versendet. Welche Intention steckt dahinter?", fragt er. "Wenn ich einen Beitrag über die Tierhaltung schreibe, sende ich den auch nicht allen Bauern zu."

Ulrich Hofmann, Präsident der deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie, kennt die hitzige Debatte. "Wir sind in Deutschland, und hier gilt deutsches Recht", sagt er und empfiehlt seinen Kollegen, sich vertraglich abzusichern. Denn vielleicht klagen irgendwann mal die Beschnittenen gegen die Ärzte.

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36 Kommentare

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  • GT
    Gabriella Tuttle

    Es ist endlich an der Zeit, dass es mal Schluss mit dieser Verstuemmelung sein muss. In den USA werden nur noch ca. 10% der Juden in einem religioesen Setting beschnitten, die anderen lassen es im Krankenhaus ohne religioese Zeremonie einfach machen. Es gibt aber auch schon viele Juden, die nicht mehr beschnitten sind. Sogar in Israel gibt es eine Bewegung in Tel Aviv, die schon vor 20 Jahren gegruendet wurde und die damals schon ueber 20 Familien hatte, die gegen die Beschneidung sind. In den USA gibt es ueber 18 Organisationen, die gegen Beschneidung sind: doctorsopposingcircumcision.org, nocirc.org, etc. Was for mehreren Dekaden in den USA als "normal" galt und die Beschneidungsrate in the 80er Jahren noch 85% war, ist heute um die 50%, in Kanada allerdings nur noch 12% und Australien ca. 9%. In England ist sie ca. 4%, und das war das Land das alles anfing, und allen englisch-sprechenden Laendern das vorschrieb, aus hygienischen Gruenden vor allem. Heute wird es ueberwiegend nur aus aesthetischen Gruenden und weil "Daddy" auch beschnitten ist, gemacht. Es ist in den USA ein Millionengeschaeft; die Vorhaut wird hier fuer "Hautersatz" (Brandfaelle, etc.)und Anti-aging cremes benutzt, indem die Aerzte und Krankenhaeuser 3fach kassieren. Der leidtragende ist leider der kleine Junge, der nicht sein Einverstaendnis gegeben hat.

  • A
    Anne

    Es ist zu begrüßen, daß sich endlich dieser widerwärtigen Verstümmelung von Kindern angenommen wird, übrigens ganz unabhängig der Religionszugehörigkeit. Es steht zu hoffen, daß die Arbeiten von Herrn Putzke endlich für eine kritischere Beurteilung sorgen.

     

    Selbst bei der sog. "medizinischen Indikation" müßte prinzipiell abgewogen werden, ob nicht eine konservative Behandlung möglich ist und zuerst nachhaltig durchgeführt wird. Dies ist übrigens praktisch immer der Fall, selbst bei sehr schweren und schwersten Phimosen gibt es ausgezeichnete Alternativen. Und wenn im äußersten Fall geschnitten werden muß, dann läßt sich auch dabei in der Regel die Vorhaut erhalten. Die wenigsten betroffenen Eltern bzw. Patienten werden hierüber aufgeklärt, auch hierzulande nicht.

     

    Was die religiöse oder kosmetische Beschneidung betrifft, so ist das Ganze wirklich sehr einfach. Sobald jemand 18 Jahre alt ist, kann er tun und lassen was er will, auch sich beschneiden lassen. Davor hat niemand das Recht, irgendwem etwas abschneiden zu lassen.

     

    Was das Masturbieren beschnittener Männer betrifft, wer wie ich schon Gelegenheit hatte, einem "high and tight" beschnittenen Amerikaner beim Masturbieren zuzusehen, der ohne Gleitmittel praktisch garnicht normal masturbieren kann und dessen Masturbation aber auch sexuelle Reaktion bei Fellatio deutlichst im wahrsten Sinne des Wortes "beschnitten" ist, der wird nie wieder leichtfertig behaupten, es gäbe da keinerlei Unterschied! Es hat schon seinen Grund, warum sich Walmart restlos verkalkulierte, als die zu Anfang Unmengen an Gleitmitteln in deutsche Regale packten, nur um festzustellen, daß die kaum verkaufbar waren. Im Gegensatz zu den USA, wo bereits der männliche Teenager Derartiges einkaufen muß. Wahrlich pervers.

  • AB
    Andreas Bühler

    Zum Foto: Dieser Jung findet Beschneidung nicht "doof", sondern, und das sieht man ihm an, er hat eine Scheiß-Angst, die er völlig zurecht hat. Ich bin sicher, über ein Mädchen hätte die taz-Redaktion sich nicht so süßlich verharmlosend geäußert.

    Tatsächlich gibt es noch eine ganze Menge an Aufklärungsarbeit zu leisten, damit in Deutschland die körperliche Unversehrtheit auch von Jungs vollständig geschützt wird, in dem Maße wie es die von Mädchen eine Selbstverständlichkeit ist. Schade, daß von der Linken so wenig (um nicht zu sagen QUASI NICHTS) dazu beigetragen wird.

     

    A.B.

  • S
    soren

    Abenteuerlich, welch rassistischer Blödsinn in den Postings abgesondert wird. Die Beschneidung werde durchgeführt, weil eine Industrie mit der Vorhaut Profit mache. Die Beschnittenen würden sogar aus der Vorhaut Profit schlagen. Ja, das ist die Mär von der jüdischen Gier.

     

    @Susi: Das Masturbieren ohne Vorhaut ist kein Problem. Die Mehrheit der Amerikaner sind beschnitten und onanieren, selbst dann, wenn sie sehr religiös sein sollten.

     

    Sex soll aber, besagen Untersuchungen, viele Frauen mit beschnittenen Männern besser finden. Beschnittene bräuchten ein wenig länger und litten weniger unter vorzeitigem Samenerguß.

     

    Die Beschneidung ist keine Verstümmelung. Sie ist Ausdruck der Religionsfreiheit.

  • S
    Stardust

    Und auch nicht zu vergessen die boomende Industrie, die amputierte Säuglingsvorhäute weiterverwertet, z.B. für die Zellforschung, Spezialverbände und - besonders perfide, Collagen zum Aufspritzen von Lippen sowie Antifaltencremes. Man kann den Eindruck bekommen, dass die einzige Stelle, an der die Vorhaut keinen Nutzen hat, das Geschlechtsorgan ihres natürlichen Besitzers ist.

     

    Natürlich hat sie auch da einen Nutzen. Aber aus dem kann man keinen Profit schlagen...

  • F
    Felice

    @Sie

    Geklagt hat zum Beispiel ein Junge ein einem Fall, über den das OLG Frankfurt a.M. zu entscheiden hatte (Beschluss vom 21. August 2007, Az. 4 W 12/07, in: NJW 2007, S. 3580 ff. mit kritischer Besprechung von Putzke, in: NJW 2008, S. 1568 ff.). Das ist ein Fall von vielen. In den USA gibt es übrigens einen Industriezweig der boomt: angeboten werden Mittel und Methoden, um die Vorhaut wiederherzustellen. Seltsam, oder? Offenbar sind doch nicht alle als Kinder Beschnittenen glücklich... Übrigens: Vielleicht sollte man bei Hygiene zuerst mal an Waschen denken - dabei verliert man nicht gleich Körpersubstanz und es ist schmerzfrei. Wer ohne Kenntnis des Wissenschaftsstandes behauptet, die Beschneidung habe viele Vorteile, ist der eigentliche Hetzer!

    Es ist doch völlig irre, kleinen Kindern im Namen einer Religion irgendwas abzuschneiden. So was ist eine Körperverletzung und gehört bestraft.

  • S
    Stardust

    Meinen "Sie" geklagt im Sinne von juristisch geklagt oder nur "sich beklagt"?

     

    Für ersteres gibt es durchaus mehrere Beispiele, z.B. der Kanadier Paul Tinari, der Amerikaner William Stowell, ein namentlich nicht bekannter Norweger und ein namentlich nicht bekannter Deutscher.

     

    Erfolgreich übrigens (Schmerzensgeld). Tinari hat sogar die operative Wiederherstellung seiner Vorhaut erstattet bekommen.

     

    "Sich beklagen" über ihre Beschneidung ohne vor Gericht zu gehen, das tut natürlich eine weit größere Zahl Männer. Man muss nur willens sein, sie wahr- und ernstzunehmen...

     

    Ohrlöcher stechen bei kleinen Kindern, die selbst noch keine Meinung dazu äußern können – lehne ich ebenfalls ab. Vor einigen Monaten ist auch eine entsprechende Diskussion durch die Medien gegangen, mit der einhelligen Meinung, dass Eltern nicht das Recht haben, ihre Kinder zu durchlöchern oder zu tätowieren. Protest gegen diese Meinung gab es keinen, vermutlich, weil keine religiösen und sonstigen Interessen an Ohrlöchern und Tattoos hängen.

     

    Ansonsten ist objektiv betrachtet das Stechen von Ohrlöchern natürlich als vergleichsweise harmloser einzustufen, weil lediglich ein kleines Loch in einen Körperteil gemacht wird, was keine inhärenten funktionellen Folgen hat (Komplikationen vorbehalten), bei der Beschneidung jedoch ein gesunder, normaler, hochempfindsamer Körperteil unwiederbringlich abgeschnitten wird, was selbst bei optimalem Verlauf die Funktion des Geschlechtsorgans wesentlich verändert.

     

    Zu Hygiene und Gebärmutterhalskrebs hatte ich in meinem vorherigen Kommentar schon das Wesentliche geschrieben. Ich möchte dazu nur noch eine Frage in den Raum stellen: Was sollen wir von Mädchen abschneiden, damit sie "hygienischer" sind? Wo sich da nicht überall Krankheitserreger, Urin und sonstiges ansammeln können...

  • S
    Sie

    Alles bloss eine Hetzkampagne. Zeigen Sie mir einen beschnittenen Mann , der geklagt hat! Im Gegenteil, die Studien belegen, dass die Vorteile der Beschneidung für Mann und Frau nicht zu übersehen sind. Die Sauberkeit und Hygiene alleine schon sprechen Bände...bis hin zum geringeren Risiko bei Gebärmutterhalskrebs bei Frauen , da nicht so viele Bakterienkeime eingeschleppt werden. Da finde ich schon das Ohrläppchen löchern bei Mädchen schlimmer! Warum wird dagegen nicht protestiert?? ich sag es Ihnen, weil es keinen interessiert und weil es nicht religiös bedingt ist. Deswegen. Da gibts nicht zu holen.

  • N
    Nelson

    Die taz muss man (wieder einmal) loben, weil sie die skandalöse Praxis der religiösen Beschneidung thematisiert hat. Das Thema ist nicht nur heikel, sondern es gibt auch eine Lobby, die gegen die Kritiker des Eingriffs Sturm läuft. Neben religiösen Traditionalisten sind das vor allem niedergelassene Kinderchirurgen, die mit Zirkumzisionen gar nicht schlecht verdienen. Meist werden sogar falsche Indikationslagen bescheinigt, damit sich die Leistung über die Krankenkasse abrechnen lässt. Genau diese Kreise regen sich derzeit am meisten auf und spielen sich als Verteidiger der Religionsfreiheit auf. Gern beruft man sich auch darauf, Betroffene nicht in die Arme von "Küchentischbeschneidern" treiben zu wollen. Ärzte, die so ein dummes Zeug reden, bekommen hoffentlich bald Post vom Staatsanwalt!

  • S
    Stardust

    Großartig, dass diese Diskussion endlich einmal in den Medien auftaucht, wo sie schon lange überfällig ist! Die Arbeiten von Herrn Putzke waren mir schon länger bekannt und ich kann ihm nur meine Anerkennung aussprechen.

     

     

    Die Befürworter von Beschneidung argumentieren also mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit. Da stimme ich ihnen voll und ganz zu, aber sie wissen offensichtlich nicht, dass es neben der aktiven oder positiven Religionsfreiheit (seine Religion ausüben zu dürfen) auch die passive oder negative Religionsfreiheit (zu keiner Religionsausübung gezwungen zu werden) gibt. Wo ist letztere, wenn Eltern darüber bestimmen, dass ihr Sohn im Namen ihrer Religion beschnitten wird, ein irreversibler, schmerzhafter und mit Risiken behafteter Eingriff in die körpertliche Unversehrtheit?

     

    In Bezug auf religiöse Beschneidung gibt es nur eine Regelung, die der Religionsfreiheit wahrhaft gerecht wird: Mit 18 darf jeder selbst entscheiden, ob er dieses religiöse Gebot befolgen möchte oder nicht. Damit sollten eigentlich alle glücklich sein können.

     

     

    Dann möchte ich Susis Frage beantworten, die bisher offen geblieben ist:

     

    "Mal ne provokante Frage: wie gut klappt das Masturbieren ohne Vorhaut? Funktioniert das überhaupt noch halbwegs gut oder ist es dann eher kompliziert.

     

    Das könnte dann erklären warum auch unter manchen verklemmten amerikanischen Christen die Beschneidung so in ist."

     

    Nein, das Masturbieren klappt ohne Vorhaut natürlich nicht mehr so gut. Man(n) benötigt dazu Gleitmittel, die bei vollständigem Penis nicht erforderlich sind. Dazu kommt der Gefühlsverlust, der stärkere und längere Stimulation nötig macht.

     

    Und die Vermutung zu den "verklemmten amerikanischen Christen" ist absolut richtig: Genau das ist der Ursprung der amerikanische Unsitte der "routinemäßigen Säuglingsbeschneidung". Mitte-Ende des 19. Jahrhunderts war man dort so masturbationsfeindlich eingestellt, dass man Jungen die Vorhaut abtrennte - und auch Mädchen den äußeren Teil der Klitoris entfernte oder mit Säure verätzte - um sie für Selbstbefriedigung zu bestrafen, sie davon abzuschrecken und die unerwünschte Selbstberührung weniger erfüllend zu machen. Der Begriff der "besseren Hygiene" durch Beschneidung ist zunächst einmal moralisch zu verstehen.

     

    Sämtliche medizinischen Argumente für die Beschneidung von Neugeborenen kamen erst viel später, als dieses Argument nicht mehr ausreichte. Mich würde es allerdings nicht wundern, wenn manche fundamentalistisch-christlichen Amerikaner mit der Beschneidung ihrer Söhne nach wie vor den ursprünglichen Zweck verfolgen...

     

     

    @ Gebärmutterhalskrebs: Die Studien, die statistische Zusammenhänge zwischen dieser Erkrankung und beschnittenen Partnern gefunden haben wollen, sind fehlerhaft. Israelische (!) Wissenschaftler haben inzwischen nachgewiesen, dass jüdische Frauen aus genetischen Gründen seltener daran erkranken und nicht aufgrund der fehlenden Vorhaut ihrer Partner.

     

    Und selbst wenn Beschneidung etwas bringen würde - und wenn es nicht inzwischen eine Impfung gegen HPV für Mädchen gäbe - würde es immer noch vollkommen ausreichen, wenn der Betroffene mit Erreichen der sexuellen Reife selbst entscheidet, ob er dieses Opfer zum Schutz seiner zukünftigen Partnerinnen bringen will. Ähnliches gilt natürlich in Bezug auf die - in meinen Augen hochgefährliche und verantwortungslose - Propaganda für "Beschneidung gegen HIV".

  • RM
    R. Marsh

    Endlich spricht es einmal jemand aus.

    Das vormoderne Ritual der Beschneidung ist juristisch schlicht Genitalverstümmelung.

    Mithin Körperverletzung.

    Und für die betroffenen Jungen eine grausame Angstfolter.

  • KF
    Karen Froebel

    Ich habe mir den von Aufsatz, den Dr. Holm Putzke in einer juristischen Festschrift veröffentlicht hat und von dem hier schon die Rede war, besorgt und gelesen (Titel: "Die strafrechtliche Relevanz der Beschneidung von Knaben"). Es sind 40 Seiten - die Ausführungen sind aber alles andere als langweilig oder gegen irgendeine Religion gerichtet. Putzke beschäftigt sich sorgfältig mit allen möglichen Argumenten und wägt gründlich das Für und Wider ab. Wem die Darstellung eines heiklen Themas so vorurteilsfrei und nüchtern gelingt, dem gebührt Anerkennung. Man muss ja nicht der gleichen Meinung sein - für plumpe Reaktionen ist angesichts der sachlichen Darstellung kein Platz. Empfehlung: unbedingt lesenswert!

  • J
    Jengre

    @ HaWe:

     

    "Soooo viel Unterschied in der Lebensqualität macht ein Stück Vorhaut nun auch nicht aus!" - Woher willst Du das wissen? Du bist mit vier Jahren beschnitten worden. Und der Vergleich mit dem Blinddarm ist so hanebüchen wie alle Hygiene- und Gesundheits-Scheinargumente der Beschnittenen, die sich über ihren Zustand trösten wollen und dadurch weitere Kinder ihm ausliefern (klassisches Verhaltensmuster). Man läßt sich auch nicht die Zähne ziehen, um sich vor Karies zu schützen. Aber was will man in einer Welt erwarten, in es sogar für die Verstümmelung der Vulva Fürsprecher gibt? Die gehört zuerst beseitigt.

  • L
    Lazzard

    Es wird Zeit, dass die Justiz dem archaischen Brauch der religiösen Beschneidung ein Ende macht. Der Staat muss Kinder schützen. Die Religionsfreiheit gilt nicht unbeschränkt; die körperliche Unversehrtheit der Kinder wird schon viel zu lange missachtet. Beim Schächten haben nicht nur die Tierschützer den religiösen Schlächtern ziemlich die Hölle heiß gemacht - obwohl der Tierschutz kein Grundrecht, sondern nur eine sog. Staatszielbestimmung ist. Seltsam, dass niemand sich aufregt, wenn nicht der Tierschutz der Religionsfreiheit gegenübersteht, sondern das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit.

  • H
    HaWe

    Ich oute mich jetzt mal: mich hat man im Alter von vier Jahren beschnitten. Wegen einer Phimose, also aus medizinischen Gründen.

    Ich kann nicht behaupten, daß ich meine Vorhaut schmerzlich vermisse. Vermutlich würde ich sie mir, wenn sie noch da wäre, nicht einfach aus Jux und Dollerei in einer Schnapslaune entfernen lassen; aber wenn jemand sich auf den Weg macht zu, sagen wir mal, einer Weltreise mit dem Segelboot oder dem Fahrrad, wird er sich dann nicht wahrscheinlich den Blinddarm lieber vor der Abfahrt in einer deutschen Klinik entfernen lassen, anstatt eine Blinddarmentzündung im Südpazifik oder im australischen Outback zu riskieren? Dabei kann der Appendix noch so unversehrt sein, wie man es sich nur wünschen könnte.

     

    Soooo viel Unterschied in der Lebensqualität macht ein Stück Vorhaut nun auch nicht aus!

  • S
    Susi

    @christoph

    Danke, dass du mich dumm sterben lässt.

  • J
    Johannes

    Beschneidung war, ist und bleibt Genitalverstümmlung an Kindern, die sich nicht wehren können. Die Sache ist ganz einfach. Allen Befürwortern viel Spass beim Zusehen einer solchen Beschneidung,ich hoffe, ihr habt den K***-Eimer dabei. Die Begeisterung ist den Kindern dabei übrigens ins Gesicht geschrieben!

  • G
    Gilbert

    Eine zweites Problem, das ich in meinem ersten Kommentar vergessen habe: wer bezahlt das Ganze, besonders im Fall einer nicht auszuschließenden Komplikation? Schließlich handelt es sich um eine religiöse, medizinisch nicht notwendige Operation, bei der man Angehörigen anderer Religionen wohl kaum zumuten kann, das über KV-Beiträge zu finanzieren. Leider finden sich da weder bei Herrn Karahan noch bei diesem Artikel irgendwelche Hinweise.

  • G
    Gilbert

    Das rechtliche Problem ist nur eine Seite der Medaille. So ist die religiöse Beschneidung bei Juden nur durch einen Juden durchführbar, wie mich Herr Karahan persönlich aufgeklärt hat, bei Muslimen ist die islamische Religionszugehörigkeit des Operateurs aber nicht notwendig. Da offensichtlich zu wenige islamische Ärzte vorhanden sind - sonst bestünde das Problem wohl nicht - muss man wohl auch einmal fragen, wie weit man einem Nichtmuslim eine religiöse Handlung in einer anderen Religion zumuten darf und ob "Diskriminierung" ein adäquater Ausdruck ist, wenn dieser das ablehnt.

  • C
    christoph

    @susi

    aber wieder ab zurück auf den Mond!

  • S
    Susi

    Mal ne provokante Frage: wie gut klappt das Masturbieren ohne Vorhaut? Funktioniert das überhaupt noch halbwegs gut oder ist es dann eher kompliziert.

     

    Das könnte dann erklären warum auch unter manchen verklemmten amerikanischen Christen die Beschneidung so in ist.

     

     

    Ansonsten finde ich eine medizinisch nicht notwendige Beschneidung genauso unfair wie die Kindstaufe. Man schafft vollendete Tatsachen bevor der Betroffene in der Lage ist seinen eigenen Willen dazu zu äußern.

  • F
    felix

    wenn die beschneidung so unglaublich sinnvoll ist und quasi nur vorteile bringt dann frage ich mich doch glatt wieso die natur so blöd war da diesen hautlappen hinzumachen... wir wissen ja alle das die natur lauter blödsinn macht...

    (für den fall das es nicht durchgedrungen ist, das war ironisch gemeint)

     

    jeder kann mit seinem körper anstellen was er mag, aber aus mehr oder minder spaß an der freude kleinen kindern stücke vom körper abzuschnippeln weil es unter umständen, möglicherweise und vielleicht mal sinn machen würde ist meiner meinung nach ziemlich abartig. wenns mal weg ist ists weg, wo bleibt da die selbstbestimmung? wenn das ein erwachsener macht ist das sein problem, aber einfach mal aufgrund irgend eines verstaubten glaubens oder einer sonstigen mehr oder weniger fundierten idee über einen anderen bestimmen? ich bin doch froh das meine eltern nicht zu so nem blödsinn neigen...

  • A
    A.S

    @ J.W

     

    Gerade weil Gebärmutterhalskrebs durch Viren ausgelöst ist, ist es plausibel, dass es in Regionen mit mehrheitlich beschnittenen Männern weniger Krebserkrankungen gibt, da durch die Operation vermutlich die Wahrscheinlichkeit für eine Übertragung der Viren verringert wird.

  • SM
    Sabine Mohr

    Für mich ist es völlig unverständlich, wie hier manche Leute für die Beschneidung argumentieren, ja fast schon agitieren. ... Schlimm sind nicht Wissenschaftler wie Putzke u.a., sondern Leute wie LBene, die bei jeder Kritik gleich vom Schüren antisemitischen und antimuslimischen Ressentiments sprechen. Es gibt medizinisch überhaupt keinerlei Vorteile, die bewiesen oder unbestitten sind. Jeder Arzt, der bei Kindern eine religiöse Beschneidung vornimmt, verstößt gegen das ärztliche Berufsehtos.

  • E
    Ekkaia

    Ich bezweifele ja, dass die Inquisitoren schlüssige Argumente hatten.

  • L
    LBene

    Für mich ist es vollkommen unverständlich, wieso hier so vehement gegen die Beschneidung argumentiert, ja fast schon agitiert wird. Besonders die Tatsache, dass Beschneidung wohl nur bei Juden oder Muslimen etwas verwerfliches ist, während die Beschneidungen in den USA unerwähnt bleiben, lässt mich an einem medizinischen oder juristischen Hintergrund des Herren Putzke zweifeln. Hygiene, Vorhautverengung, die Gefahr eines Vorhautrisses, usw.... All das sind Probleme, die beschnittene Jungen oder Männer in geringerem Umfang oer gar nicht kennen.

    Meine Meinung: Die Beschneidung des Mannes ist, auch wenn sie nicht medizinisch indiziert ist, nichts was den Beschnittenen in irgendeiner Weise schädigt, sondern eher im Gegenteil das Risiko späterer Erkrankungen minimiert.

    Das Plotzke-Pamphlet dient nichts Anderem als dem Schüren Antimuslimischer und -judaistischer Ressentiments.

  • JW
    J. W.

    @ Davut Piroğlu

    Welche "guten und schlüssigen Argumente hatten denn die Inquisitoren? Mir fällt kein einziges ein!

    Bei der Verletzung von kleinen Kindern fallen mir ziemlich viele ein, z.B. der fehlende eigene Wille, das Operationsrisiko, Schmerzen, mögliche Traumata, die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit etc. Das alles für einen medizinisch völlig uberflüssigen Eingriff. Deshalb hat das auch nichts mit Umerziehen zu tun, sondern mit Vernunft!

  • RW
    Regina Weinhold

    Es ist doch immer das gleiche: Wer starken Argumenten in der Sache nichts entgegenzusetzen hat, der tut alles, um einer inhaltlichen Diskussion aus dem Weg zu gehen. Das funktioniert am besten, indem man den "Gegnern" vorwirft, inquisitorisch, besserwisserisch usw. zu sein. Als Fachanwältin für Familienrecht pflichte ich Dr. Putzke bei. Es ist übrigens keineswegs so, dass die Rechtslage klar ist. Man muss nur mal einen Blick in den NomosKommentar (nicht weniger anerkannt als Tröndle/Fischer...) zum StGB werfen: dort kommentiert Professor Paeffgen und schreibt, dass die Beschneidung nicht sozialadäquat, d.h. nicht erlaubt ist. Zudem gibt es einen aktuellen Aufsatz von Professor Jerouscheck in der Neuen Zeitschrift für Strafrecht. Er stimmt Dr. Putzke voll und ganz zu. Dass die routinemäßige Beschneidung bisher kein Thema war, stimmt also nur ansatzweise. Richtig ist daran, dass Dr. Putzke offenbar der erste war, der zur Beschneidung ausführlich etwas geschrieben hat, und zwar in der Festschrift für Professor Herzberg. Was dort geschrieben steht, sollte man erst einmal zur Kenntnis nehmen, bevor man Schlagwörter wie Inquisition, Besserwisserei usw. hervorholt bzw. behauptet, die Sache sei geklärt.

  • OD
    Oliver Dillberger

    Religiöse Irrationalitäten oder der glühende Missionseifer der neuen Atheisten - ich weiß nicht, was mich mehr deprimiert. Kultur ist halt letztlich immer in gewisser Weise "irrational" und wissenschaftliche Theorien sind solange "rational" bis sie von der nächsten Theorie widerlegt sind.

  • DP
    Davut Piroğlu

    Lieber J.W. auch die Inquisitoren hatten 'gute und schlüssige Argumente' und haben trotzdem Unrecht getan. Unrecht an Juden, an Muslimen in Spanien, an Katterern, an der Wissenschaft, an, an , an, an,

  • JW
    J. W.

    Der Einwand mit der Hygiene und dem Gebärmutterkrebs geht ins Leere. Zur Hygiene: Warum sollte man gleich alles abschneiden, was man auch mit Waschen sauber halten kann? Und zum Gebärmutterkrebs: Nach den Forschungen des Nobelpreisträgers Harald zur Hausen sind für diese Erkrankung die humanen Papillomviren "verantwortlich". Die Beschneidung hat damit nichts zu tun.

    All das kann man nachlesen in einem Aufsatz von Holm Putzke: Die strafrechtliche Relevanz der Beschneidung von Knaben. Zugleich ein Beitrag über die Grenzen der Einwilligung in Fällen der Personensorge, in: H. Putzke u.a. (Hrsg.), Strafrecht zwischen System und Telos, Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg zum siebzigsten Geburtstag am 14. Februar 2008, Mohr Siebeck: Tübingen 2008, S. 669–709.

  • OD
    Oliver Dillberger

    Dass die Frage rechtlich nicht geklärt sei, ist so nicht zutreffend. Es reicht die einschlägigen StGB-Kommentare zu konsultieren (z.B. Tröndle-Fischer). Dass der Vorwurf der Diskriminierung und Einseitigkeit erhoben wurde ist vollkommen nachvollziehbar, da die routinemäßige Beschneidung aus medizinishcen Gründen bisher auch ohne Indikation strafrechtlich kein Thema war und die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung bisher davon ausgegangen ist, dass auch die rituelle Beschneidung straffrei ist. Dies wird von Holm Putzke et al in ihren Aufsätzen nicht erwähnt. Insofern ist das schon etwas einseitig.

  • JW
    J. W.

    Es ist absurd, jemandem Diskriminierung vorzuwerfen, der überzeugende Argumente gegen die Verletzung von Kindern vorträgt. Es wurde Zeit, dass sich mal jemand traut, die Sache klarzustellen, ohne sich von religiösen Irrationalitäten beeindrucken zu lassen. Bravo, Herr Holm Putzke!

  • DP
    Davut Piroğlu

    Es ist eine Ungeheurlichkeit mit welcher Penetranz manche Besserwisser über Praxis und Glauben von Andersdenken herziehen. Da gehen Leute hin und wollen die Muslime umerziehen zu 'Deutschen'. Ist das ein Witz oder erleben wir gerade wieder mal eine Zeit von Inquisiton, wo alles aber auch alles auf die EINE Meinung hingebogen und Vielfalt ausgemerzt wird, auch wenn sie aus dem Blickwinkel dieser besserwisserischen Ärzte rationell nicht nachvollziehbar ist. Hier gilt deutsches Recht. Das ich nicht lache. Seltsamerweise gilt dieses Recht besonders bei andersdenkenden Gläubigen, Juden und Muslimen. Den Beamten, der dem eingeborenen Deutschen eine Strafe erläßt um einige Minuten später den Zuwanderer aus demselben Grund noch härter zu bestrafen, haben wir Zugewanderte nicht nur einmal erlebt....

  • LE
    Lutz Ebers-Lehmann

    Nun, aus Religiösen Motiven finde ich die Beschneidung auch doof, da sie meistens dann durchgeführt wird, wenn der Junge sich nicht oder nicht umfassend selbst dazu äußern, bzw. dies bejahen oder verneinen kann. Bei den Juden wird sie üblicherweise in den ersten Lebenswochen vollführt, bei den Muslimen wohl erst in einem alter, in dem die Pubertät einsetzt(so weit mir bekannt). Was vor langer Zeit mal ein Ritus war, um Krankheiten zu vermeiden, sollte heute jedem selbst überlassen werden.

    Obwohl, auch in der USA ist die Beschneidung allgegenwärtig, bei so ziemlich jedem Neugeborenen üblich. Das sollte auch erwähnt werden.

    Ob nun aus Medizinischer Sicht sinnvoll (Vorhautverengung) oder einfach nur aus Ästethischen Gründen - viele Homosexuelle Männer finden beschnittene Männer erotischer als unbeschnittene - sie ist und bleibt etwas persönliches und nicht revidierbares. Zumal auch an dieser Stelle vor Heilsbringern gewahrnt sei; denn die Behauptung, eine Beschneidung schütze vor HIV ist mehr als Dumm, denn HIV verbreitete sich als erstes dort, wo es die meisten beschnittenen Männer gibt - in den USA und in afrika.

  • AF
    Angelika Farhan

    Beschneidung hat viele Aspekte. Unter anderem auch die Hygiene. Das Risiko von Gebärmutterhalskrebs bei Frauen liegt in Regionen mit mehrheitlich beschnittenen Männern deutlich niedriger. Würde mir übrigens wünschen, das Thema von Mädchenbeschneidung auf europäischem Boden würde mit mehr Ernsthaftigkeit angegangen werden.