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Archiv-Artikel

Streit um die Gräber Rachels und Abrahams eskaliert

ISRAEL Netanjahu erklärt heilige Stätten zum Kulturerbe des Landes. Das löst Unruhen aus

Ruhe wäre nötig, um den Friedens- prozess wieder in Gang zu bringen

JERUSALEM taz | Trotz des Großeinsatzes der Polizei in der Jerusalemer Altstadt halten die seit gut einer Woche andauernden Unruhen weiter an. Die Hamas rief bereits zu einer erneuten Intifada auf. Die Bilder aus Hebron und Jerusalem erinnern an den ersten Palästinenseraufstand vor gut 20 Jahren.

Begonnen hatten die zumeist mit Steinen und Tränengas ausgefochtenen Straßenkämpfe in Hebron, nachdem Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zwei sowohl Juden als auch Muslimen heilige Grabstätten zum nationalen israelischen Kulturerbe erklärte. Das Grab der Stammmutter Rachel liegt am Ortseingang von Bethlehem und das des Stammvaters Abraham, für Muslime die Ibrahim-Moschee, im Zentrum von Hebron. Im Viertel Silwan unweit der Altstadt von Jerusalem wurde am Montag ein Sicherheitsmann durch Schüsse leicht verletzt.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die „Attacke auf die heiligen Stätten“. Aus Protest gegen Netanjahu hielt die Palästinensische Autonomiebehörde ihre Kabinettssitzung gestern in Hebron ab. Rückendeckung erreichte die Palästinenser von der EU, die sich der Kritik der USA anschloss und von einer „Provokation“ im Hinblick auf eine Wiederbelebung der Friedensverhandlungen sprach. Netanjahu fühlt sich missverstanden. Niemand wolle am Status quo rütteln oder Muslime an der Ausübung ihrer Religion hindern. Es ginge lediglich darum, die heiligen Stätten vor dem Zerfall zu retten.

„Das ist der erste Schritt zu einer Konfiszierung“, fürchtet Majdi Dana aus Hebron, schließlich „haben wir unsere Erfahrungen mit den Israelis.“ Die Entscheidung Netanjahus berühre die „tiefsten Gefühle aller Palästinenser“. Niemand solle erwarten, dass man zur Tagesordnung zurückkehre, solange die Entscheidung nicht zurückgenommen werde. Der 41-jährige Palästinenser glaubt, dass Netanjahu auf Druck der rechten Politiker in seiner Koalition handelte, und bedauert, dass der Streit um die heiligen Grabstätten „als Alibi für neue Gewalt“ herhalten muss, gerade jetzt, wo „Ruhe so nötig wäre, um den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen“.

Vorläufig sorgt das riesige Sicherheitsaufgebot dafür, dass die Demonstrationen nicht völlig außer Kontrolle geraten. Erschwerend für die Grenzschützer kommen diese Woche die Purimsumzüge der israelischen Siedler in Hebron hinzu. Der harte Kern der nationalreligiösen Siedler nutzt die Tage der faschingsähnlichen Verkleidung zur zusätzlichen Provokation der muslimischen Nachbarn.

Zum 16. Mal jährt sich in diesen Tagen das Massaker in der Ibrahim Moschee, wo der jüdische Fanatiker Baruch Goldstein 29 betende Muslime erschoss, bevor er selbst überwältigt werden konnte. SUSANNE KNAUL