Streit um Verbot in Frankfurt: „Blockupy“ genehmigt sich Protest
Ein pauschales Verbot für den „Blockupy“-Protest in Frankfurt hat den Blockierern einen riesigen Zustrom verschafft. Nun wollen sie klagen und blockieren.
BERLIN taz | Das Ordnungsamt der Stadt Frankfurt und die Frankfurter Occupy-Bewegung – das waren lange Zeit Freunde. Aber dass die Frankfurter Behörde eines Tages zum größten Mobilisierungsschlager für Krisenproteste in der Finanzmetropole werden würde, das war nicht abzusehen. Immer einsamer war es zuletzt um die verblassten Plastikzelte im Occupy-Camp vor der europäischen Zentralbank geworden.
Der Traum von einer großen, neuen Bewegung der 99 Prozent – schon geplatzt. Doch dann kam die Stadt Frankfurt. Und seitdem diese am Freitag ein pauschales Verbot aller sogenannten Blockupy-Proteste am Himmelfahrtswochenende verkündete, ist der Protestfrühling eröffnet.
Es ist ein kühler Raum, mit kleinteilig verlegtem Parkett, an dem an diesem Dienstag die Stimmung dafür bereitet wird. In der Dorotheenstraße 101, Deutscher Bundestag, sitzen in einem kleinen Konferenzsaal Sahra Wagenknecht, die stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende der Linken, und der Grünen-Abgeordnete Sven-Christian Kindler, daneben einige Protestveteranen aus dem Blockupy-Bündnis.
„Blockupy findet statt“, sagen sie. Und dann spekulieren sie: Im fünfstelligen Bereich dürfte die Anzahl der Demonstrationsteilnehmer locker liegen, die sie für das Himmelfahrtswochenende in der Bankenmetropole erwarten. Davon dürfen die Veranstalter der sogenannten Blockupy-Proteste, bei denen vom 16. bis zum 19. Mai massenhafte Sitzblockaden an der Europäischen Zentralbank in Frankfurt stattfinden sollen, inzwischen auch ausgehen.
Tausende erklären sich solidarisch
Weit über 2.000 Menschen unterschrieben innerhalb weniger Tage eine Solidaritätserklärung, um sich gegen den Versuch der Stadt Frankfurt zur Wehr zu setzen, sämtliche Demonstrationen des Bündnisses zu verbieten – unter ihnen neben Wagenknecht auch Personen wie die hessische SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti, weitere Bundespolitiker sowie Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern weltweit.
Mitte Mai soll in Frankfurt mit Dutzenden Mahnwachen, Demonstrationen und Sitzblockaden gegen die europäische Krisenpolitik und die Rolle der Europäischen Zentralbank demonstriert werden.
Zahlreiche politische Gruppen, Parteien, Verbände und Gewerkschaftsgruppen sowie das globalisierungskritische Netzwerk Attac bereiten sich seit Monaten auf diese Demonstrationen vor. Doch ehe die Stadt Frankfurt den Anmeldern zahlreicher Kundgebungen und Mahnwachen ihre Bescheide persönlich zustellte, verkündete sie am Freitag in einer Pressemitteilung unter der treffenden Überschrift „Stadt verbietet Blockupy“ das Verbot sämtlicher Veranstaltungen – zum „Vorrang des Schutzes der Rechtsgüter unbeteiligter Dritter“, wie es in der Begründung hieß. Nach Darstellung der Stadt hatten zuvor Unternehmer ihre Bedenken gegen die Demonstrationen vorgetragen.
Musiker sind empört
Verboten wurde auch gleich der Bau einer Bühne, auf der das Klavier von Konstantin Wecker stehen sollte. Der wollte in Frankfurt seine Protestlieder vortragen. Dementsprechend empört reagierten am Dienstag auch Musiker und Künstler in einem eigenen Aufruf.
Das Blockupy-Bündnis sieht in dem breiten Demonstrationsverbot einen Eingriff in Grundrechte und befürchtet auch eine abschreckende Wirkung auf weniger demonstrationserfahrene Teilnehmer. Das Bündnis will gegen das Verbot nun klagen. Aber mit Blick auf den neuen, massenhaften Zuspruch sagte Blockupy-Sprecher Roman Denter am Freitag: „Wir können die Stadt Frankfurt nicht davon abhalten, maximal ungeschickt zu agieren.“
Dann lächelte er. So hatten sich die Frankfurter das sicher nicht vorgestellt.
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