piwik no script img

Streit um SparpläneZypern droht Euro-Abflug

Die linke Regierung lehnt die Sparpläne von EU, EZB und IWF ab und hat eigene Vorschläge. Doch bereits im Dezember könnte die Insel pleite sein.

Importierte Krise: Zyperns Präsident Christofias möchte lieber nicht so viel sparen. Bild: reuters

BERLIN taz | Zypern könnte das erste Land sein, dass die Eurozone verlassen muss, spekuliert der Exchef der US-Ratingagentur Moody’s, Christopher Mahoney. Er nannte in seinem Blog in dieser Woche Zypern „ein wirtschaftliches, finanzielles und politisches Durcheinander, schlimmer als Griechenland“. Zypern sei so klein, dass die EU ein Ausscheiden verkraften könne. Moody’s hatte die Kreditwürdigkeit Zyperns, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft stellt, kürzlich auf „hochspekulativ“ gesenkt.

Die Troika aus Vertretern der EU, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank liegt derzeit im Streit mit der zypriotischen Regierung über die notwendigen Sparmaßnahmen. Bis zum 12. November müssen die Gespräche abgeschlossen sein, so heißt es, damit eine erste Kedittranche eine Pleite spätestens im Dezember verhindern kann.

Die Republik Zypern, ein Land mit nur rund 850.000 Einwohner, benötigt bis zu 15 Milliarden Euro Rettungskredit, was nahezu dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von 17 Milliarden Euro entspricht. Grund ist die schwierige Lage der Banken, die sich mit griechischen Staatsanleihen verspekuliert haben, sowie der Staatshaushalt, der im letzten Jahr mit 6,1 Prozent im Minus war.

Die linksorthodoxe Regierung unter Präsident Demetris Christofias lehnt die Sparvorschläge der Troika ab und hat eigene Vorstellungen. Demnach will Zypern die Gehälter im öffentlichen Dienst je nach Einkommenshöhe um 6,5 bis 12,5 Prozent verringern, zudem sollen die Steuern erhöht werden. Das soll binnen vier Jahren insgesamt eine Milliarde bringen.

Der Kapitalismus soll schuld sein

Die Troika geht deutlich weiter. Sie fordert, Staatsbetriebe wie die chronisch defizitäre Fluglinie Cyprus Airways zu verkaufen, das 13. Monatsgehalt im öffentlichen Dienst abzuschaffen, Lohnkürzungen, einen Stopp des automatischen Inflationsausgleichs, Kürzungen von Abfindungen bei Renteneintritt und verschärfte Bankregelungen. Das soll das Land in den nächsten drei Jahren sanieren.

Doch Christofias möchte den überdimensionierten öffentlichen Dienst schonen. Ihm fällt die Vorstellung schwer, bei seiner eigenen Klientel zu kürzen. Zudem erkennt Christofias keine eigene Schuld an dem finanziellen Desaster an. Schuld seien die Banker und der Kapitalismus im Allgemeinen. „Unsere Krise ist im Wesentlichen importiert“, sagte Christofias.

Der Präsident setzt seine Hoffnungen auch auf einen Kredit aus Russland, mit dem der in Moskau ausgebildete Kommunist traditionell enge Beziehungen pflegt. Viele russische und ukrainische Unternehmen und Banken engagieren sich auf Zypern. Noch ist unklar, ob Moskau den Geldhahn erneut öffnet. 2011 hatte Russland 2,5 Milliarden Euro an Zypern verliehen.

Seit Tagen wartet man in Nikosia auf die Rückkehr der Troika, um die Verhandlungen über den EU-Kredit abzuschließen. Doch die lässt sich demonstrativ Zeit. „Wir haben die neuen Vorschläge der zypriotischen Regierung erhalten. Wir werden sie im Detail überprüfen“, sagte ein Sprecher. Einen Termin für neue Verhandlungen nannte er nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • B
    bull

    Was har Zypern überhaupt in der EU verloren.Die liegen Breitengradtechnisch eher in Asien wie an Europa.

  • PS
    Pantelis Sophocleous

    liebe FreundInnen... ich möchte Euch zustimmen, was ihr über mein Land Zypern schreibt... es sei doch noch schlimmer noch.. denn die Korrupton sei auf der 1. Stelle... die Parteien wollen doch meistens nur an die Provision kommen, wenn ein großes Entwicklungsobjekt vor steht... z.B. bezüglich auf das bevorstehende Erdgas... da wollen sowohl die Kommunisten (AKEL als regierungspartei) als auch die anderen Oppositionsparteien dran kommen...

     

    Es soll eine neue echte Grüne Partei gegründet werden... die sowohl für die Umweltschutz als auch gegen die Korruption eintreten könnte...

  • L
    Leo78

    Wie bitte? 13. Monatsgehalt, Inflationsausgleich??? Davon können die meisten Menschen hierzulande nur träumen! Selbstverständlich will der Präsident die eigene Beamten-Klientel verschonen, da werden lieber die kleinen Leute geschröpft, die Steuern drastisch erhöht und Sozialleistungen und Renten gestrichen als die üppigen Diäten der Politelite zur Disposition zu stellen. Der kleine Mann muss wie immer die Zeche für die Fehler der Polit- und Finanzelite zahlen.

     

    Ein Staat kann eben einfach auf Dauer nicht mehr Geld ausgeben, als er einnimmt. Aber wie man an Griechenland sieht, ist es sinnlos, die Wirtschaft kaputt zu sparen, wenn die Verschuldung erst einmal ein gewisses Maß erreicht hat. Sowohl die Griechen wie auch die Zyprioten müssten aus dem Euro austreten, um mit einer eigenen Währung auf ein ihrer Wirtschaftsleistung entsprechendes Niveau ABZUWERTEN. Nur so können diese Länder wieder wettbewerbsfähig werden. Doch der Euro muss ja um jeden Preis mit allen Ländern gerettet werden. Uns lässt man die Leistungsbilanzdefizite dieser Länder durch ständige Transferzahlungen schließen bis wir hier in Deutschland eines nicht mehr allzu fernen Tages auch bankrott sind. Ist ja auch klar, dass die Griechen und die Zyprioten nicht sparen wollen; wieso sollten sie auch, solange das Geld aus Deutschland, Österreich und Niederlande sprudelt und Herr Draghi verspricht, Pleiteländer unbegrenzt mit der Notenpresse zu finanzieren?! Zum Teufel mit dem Euro!!!

  • MM
    Maria Muschik

    Ihrem Journalisten ist ein Fehler unterlaufen. Ja, die Regierung Christofias will nach Möglichkeit ohne weitgehende Kürzungen im Bereich der Gehälter und Renten auskommen, aber nicht, wie geschrieben wurde, weil der öffentliche Dienst das Klientel von AKEL ist. Eher das Gegenteil ist der Fall. AKEL hat im Öffentlichen Dienst, vor allem bei den Universitäten,kaum Anhänger und potentielle Wähler. Gravierend bei den Universitäten, deren Personal zu den am höchsten bezahlten Kräften in Europa zählen, bei erschreckend niedrigen Leistungen in den Ratings. An den Privilegien dieser Gruppe wird nicht gerüttelt. Entsprechend ist es auch im weiteren öffentlichen Dienst. Die Einschnitte sind für andere Länder verschwindend gering. Warum die Regierung so handelt, obwohl sie vor allem ihre Nichtwähler schützt, kann ich nicht sagen.

    Und abschließend noch etwas: Wenn interessiert eigentlich die Meinung einer Ratingagentur (und hier ist es auch noch ein reicher Rentner, der im Ruhestand noch meint eine Meinung veröffentlichen zu müssen und selber zugibt, er habe nicht alle Informationen)? Die sind wohl so etwas von überflüssig. Haben ihre Journalisten schon mal etwas von self fulfilling prophecy gehört? Man kann eine Verschlimmerung von Krisen auch herbei reden. Was schrieb heute eine andere Zeitung, Anlagen in Syrien sind sicherer als in Griechenland. Nun, wenn Zypern in einer schlechteren Situation ist als Griechenland, und Griechenland unsicherer als Syrien, dann lasst uns doch alle nach Syrien ziehen. Was denken sich Journalisten eigentlich bei solchen Kommentaren?

  • B
    BerndJoel

    Zypern ist, wie alle anderen auch, erst durch überdimensionale Banken, die sich verzockten, ins Schlingern geraten. Ich hoffe sie machen es wie die Isländer. Ich will nämlich auf die Insel, aber auf eine mit viel Sonne.

  • RT
    reiner tiroch

    kaspern nun alle pleiteländer so saudumm herum? was bezwecken sie? ja klar, sie wollen nur geld ohne Auflagen. lasst sie einfach untergehen für die frechheiten.

  • A
    aurorua

    Raus aus dem EURO mit Deutschland, solange es noch nicht völlig zu spät ist.

  • RD
    Ren Dhark

    das sind mal soeben 17647 Euronen pro einem Einwohner, und die Zyprioten lehnen alles ab. Nun, dann lasst diese Insulaner eben kaputt gehen. Und die Banken, die sich verspekuliert haben? Na und, lasst Sie kaputt gehen.

  • I
    iquique

    Ein weiterer Bericht, der Meinungen von Ratingagenturen nachplappert, aber keinen eigenstaendigen volkswirtschaftlichen Sachverstand zeigt.

     

    Zypern muss ueberhaupt gar nicht aus dem Euro aussteigen, wenn es 'pleite' geht. Zypern kann sich in einer eigenen Waehrung nicht leichter finanzielle Resourcen erschliessen als im Euro. Selbst Laender wie Montenegro haben den Euro uebernommen, obwohl sie selbst an der Waehrungsunion gar nicht beteiligt sind und damit an den politischen Entscheidungen nicht teilnehmen. Niemand kann dieses verhingern und so kann auch Zypoern aus dem Euro gar nicht herausgeworfen werden.

    Es herrsch nach wie vor umfassendes Unverstaendnis ueber Waehrungsfragen vor, welches eine sachgerechte Berichterstattung unmoeglich macht.

     

    Es gibt keine 'Euro'-Krise. Kein Verschuldungsproblem oder reales oekonomisches Problem wird dadurch geloest, das man die Waehrung wechselt. Was hier stattfindet ist eine andauernde inkompetente Darstellung der Zusammenhaenge, die letztenendes die bauchorientierten Stimmungen thematisiert, nicht aber dazu beitraegt, dass die Zusammenhaenge richtig verstanden werden.