Streit um Schulsystem: NRW-Städte gegen die Hauptschule
Das Festhalten der CDU in NRW am dreigliedrigen Schulsystem verschlinge das Geld, das für kleinere Klassen benötigt wird, so der Städtetag. Die FDP hat er hinter sich.
Wegen ihrer konservativen Schulpolitik gerät die nordrhein-westfälische Landesregierung nun auch von unerwarteter Seite unter Druck. Mit deutlichen Worten kritisiert der Städtetag des bevölkerungsreichsten Bundeslandes das starre Festhalten von Landesschulministerin Barbara Sommer (CDU) am dreigliedrigen Schulsystem. Insbesondere gelte es, "die Hauptschulproblematik zu lösen", fordert der Kommunenzusammenschluss und plädiert deshalb dafür, die Schullandschaft in Richtung eines "Zweisäulenmodells" zu entwickeln.
Wichtigstes Ziel bildungspolitischer Bemühungen müsse sein, dass möglichst viele Schüler unabhängig von ihrer sozialen Herkunft das Bildungssystem erfolgreich durchlaufen und abschließen. "Dieses Ziel ist umso schwerer zu erreichen, je früher eine Differenzierung in verschiedene Bildungsgänge einsetzt", konstatiert der Vorstand des Städtetags in einem aktuellen Positionspapier zur Reform der Schulorganisation.
Zurzeit sei in Deutschland "eine Erosion des tradierten dreigliedrigen Schulsystems zu beobachten", heißt es in dem der taz vorliegenden Papier, das von einer parteiübergreifend zusammengesetzten Arbeitsgruppe auf der Ebene der Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister erarbeitet worden ist. Während es jedoch in der Mehrzahl der Bundesländer bereits keine Hauptschulen mehr gebe oder ihre Abschaffung beschlossen sei, hätten NRW und Bayern in den vergangenen Jahren spezielle Programme zur Stärkung der Hauptschule aufgelegt, "ohne dass die Probleme gelöst werden konnten".
Die gegenwärtige Schulstruktur mit ihrer durchgängigen Differenzierung verschlinge sowohl beim Land wie bei den Kommunen "erhebliche Ressourcen, die besser für die qualitative Verbesserung der Schulen, beispielsweise durch kleinere Klassen oder individuelle Förderung, eingesetzt werden sollten". Aus kommunaler Sicht sei es deshalb "unverzichtbar", die Zusammenfassung von Haupt- und Realschulen zu erweiterten "Sekundarschulen" zu ermöglichen. Auch die Gesamtschulen könnten darin integriert werden. An die Gymnasien allerdings wagt sich der Städtetag nicht heran: "Das Gymnasium wird als eigenständige Schulform nicht infrage gestellt."
Das NRW-Schulministerium zeigte sich erwartungsgemäß wenig erfreut über den Vorstoß. "Schulstrukturdebatten bringen uns nicht weiter", sagte Ministeriumssprecher Thomas Breuer der taz. Das bestehende Schulgesetz biete vielfältige Möglichkeiten für ein wohnortnahes und differenziertes Schulangebot. "Auch um den Herausforderungen des demografischen Wandels gerecht zu werden, sind keine Strukturveränderungen notwendig", so Breuer.
Die Vorstellungen des Städtetags decken sich allerdings weitgehend mit den Auffassungen der FDP. Im scharfen Gegensatz zur CDU beschloss der kleinere Koalitionspartner erst im November auf einem Landesparteitag ein Konzept für eine regionale Mittelschule. Auch nach diesem Modell soll den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt werden, Haupt-, Real- und Gesamtschulen künftig unter einem Dach zu führen.
Den Grünen und der Linkspartei gehen solche Vorstellungen nicht weit genug. "Mit dem Zweisäulenmodell bleibt der Städtetag auf halbem Weg stecken", sagte die bildungspolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Sigrid Beer. "Wir dürfen die soziale Selektion und Segregation nicht weiter zementieren." Das Ziel müsse deshalb "eine Schule für alle" sein, forderte Beer.
"Auch eine Zweigliederung spaltet wieder die Kinder", kritisierte die Linken-Landessprecherin Katharina Schwabedissen. Wie auch die Grünen bemängelt die Linke, dass die Förderschulen in der Betrachtung des Städtetags überhaupt nicht berücksichtigt werden. "Wir brauchen ein integriertes Gemeinschaftsschulsystem, das auch die Förderschüler miteinschließt", sagte Schwabedissen der taz.
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