piwik no script img

Streit um Russlands SportcomebackDes Kremls Schatten

Die Sanktionen gegen Russlands Schachverband bleiben in Kraft. Die Debatte auf der Generalversammlung zeigt, wie zerrissen der Weltverband ist.

Der Kreml spielt mit: Fide-Präsident Arkadi Dworkowitsch bei einem Simultanschachwettbewerb Foto: itar-tass/imago

Berlin taz | Es wurde auch Schach gespielt an diesem Sonntag in Budapest. Indien stand schon vor dem letzten Spieltag bei der Schacholympiade als Sieger in der offenen Klasse fest. Bei den Frauen gingen Indien und Kasachtsan mit den größten Chancen in den finalen Wettkampftag. Doch die meisten Blicke richteten sich auf die Tische, an denen gar nicht gespielt wurde. Der Turniermodus hatte ergeben, dass Israels Frauen am letzten Turniertag gegen Iran spielen sollten. Man hat sich daran beinahe schon daran gewöhnt, dass Iran seine Sportlerinnen so unter Druck setzt, dass diese Duelle mit Israelis meiden. Eigentlich aber drehte sich beinahe alles an diesem Tag um Russland.

Dessen Teams waren zur Olympiade nicht zugelassen, so wie es den Spielern und Spielerinnen aus Russland und Belarus nach dem Überfall ihrer Heimatstaaten auf die Ukraine untersagt ist, ihre Flaggen bei Wettkämpfen zu zeigen.

Zwei Anträge, den ursprünglichen Status der Länder wiederherzustellen, wurden am Sonntag von der Generalversammlung des Internationalen Schachverbands beraten. Die Russen selbst, die – anders als etwa im Internationalen Olympischen Komitee – nicht suspendiert sind, wollen wieder Flagge zeigen. Auch Kirgistan stellte einen Antrag zu Wiederzulassung russischer Staatsabzeichen im internationalen Schachbetrieb.

Der wird beinahe schon traditionell von Funktionären aus der Russischen Föderation dirigiert. Auch der aktuelle Präsident des Internationalen Schachverbands Fide ist ein Russe. Arkadi Dworkowitsch, der lange zu den persönlichen Beratern des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin gehörte, führt den Verband seit 2018. Mit einem Haufen Oligarchengeld sicherte er sich die Unterstützung der Verbände.

Schock nach dem Überfall

Als 2022 das Entsetzen über den russischen Überfall auf die Ukraine die Sportwelt erfasst hat, blieb selbst der russisch dominierten Fide nichts anderes übrig, als Sanktionen zu verhängen. Während andere russische Sportverbände sich meist von den annektierten Gebieten fernhalten, organisiert der russische Schachverband dort ungeniert Turniere. Die Schachwelt hat sich daran gewöhnt, dass in Russland längst wieder jede Menge Turniere unter dem Fide-Label stattfinden. In den Augen der Russen schien also die Zeit reif zu sein, für die Wiederherstellung der vollen Rechte in der Schachwelt.

Auf der Generalversammlung am Sonntag in Budapest kam es nun zum verbalen Schlagabtausch. Russland brachte die Menschenrechte von Sportlern auf den Wettkampf ins Spiel und sang das übliche Lied vom Sport, von dem es die Politik fernzuhalten gilt. Die Schachfamilie wurde besungen.

Der Präsident des ukrainischen Schachverbands, Olexander Kamyschin, erinnerte in seinem Statement noch einmal an die 34 Schachspieler, -trainer und -funktionäre, die von russischen Waffen im Krieg getötet worden seien. Der norwegische Schachverband hat klargemacht, dass keine russischen Flaggen zu sehen sein werden, solange der Krieg in der Ukraine nicht beendet ist – unabhängig davon, was die Versammlung entscheidet.

Es war eine für Sportverbände ungewöhnlich offen geführte Diskussion. Am Ende stand eine Abstimmung. Drei Optionen hatten die Delegierten dabei. Weg mit den Sanktionen, Aufrechterhalten der Restriktionen oder – so wie es die Fide-Führung vorschlug, erst mal nichts ändern und sich mit dem IOC über das weitere Vorgehen beraten. Nachdem es zunächst hieß, nur das Fide-Council habe laut Satzung das Recht, über Sanktionen abzustimmen, kam es also doch zu einem Votum der Generalversammlung. An deren Ende steht nun fest: erst mal ändert sich nichts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!