: Streit um Peter Handke
Peter Handke, die die Süddeutsche Zeitung in zwei Folgen (vgl. SZ vom 6. und 13. Januar) unter dem Titel „Gerechtigkeit für Serbien“ veröffentlicht hat, erregt weiter die Kollegen.
Zuerst hatte der Schriftsteller Peter Schneider im Spiegel vom 15. 1. geantwortet. Schneider warf Handke vor, die Schuldfrage zu relativieren. Es sei durchaus möglich, unter den Parteien des Balkankrieges „verbrecherische Aggressoren und angegriffene Opfer zu unterscheiden“. Gustav Seibt, Literaturchef der FAZ, erklärte (16. 1.) Handkes Reportage für politisch absurd und indiskutabel und fand in der Reiseprosa eine verklärende Dingmagie am Werk, einen „Wahn von Krieg und Blut und Boden“.
Am gleichen Tag kritisierte der Chefredakteur der taz, Thomas Schmid, Handkes Medien- und Journalistenschelte als zu pauschal. Handke, so Schmid, habe bei seiner Reise selbst nichts Neues über den Krieg zutage gefördert, was freilich auch schon seiner Reiseroute geschuldet sei, die ihn ausschließlich in vom Krieg verschonte Gebiete Serbiens geführt habe.
In der Zeit vom 18. 1. war neben einer verhalten kritischen Würdigung durch den Politikredakteur Michael Thumann („eine Chance“) ein Lob Handkes von seiten des Kinoredakteurs Andreas Kilb zu lesen: Handke liefere „Einzelheiten, Nebensächlichkeiten, Randbilder ... für die Zeit nach dem Krieg“. Der Literaturkritiker Willi Winkler (taz vom 19. 1.) verteidigte Peter Handke gegen seine Kritiker. Sein Text lehre das „genaue Hinsehen“ und sei ein willkommener Einspruch gegen die Rechthaberei der „Wichtigmacher wie Peter Schneider“.
Gerade diese Fähigkeit, genau hinsehen zu können, wird Handke von Marcel Ophuls vollständig abgesprochen. Der 1927 in Frankfurt am Main geborene und 1938 nach Frankreich emigrierte Dokumentarfilmer hat 1993 selbst in Bosnien gedreht. Ophuls, dessen Klaus- Barbie-Porträt „Hotel Terminus“ 1988 den Oscar erhielt, war für die Dokumentation „Veilleés d'Armes“ (Kriegsreporter) nach Sarajevo gereist, um einen Film über Medien im Krieg zu erstellen. Die Arbeit und das Leben der Journalisten vor Ort wurden von Ophuls mit Spielfilmmaterial gegengeschnitten, da er sich weder als Stellvertreter des „cinéma verité“ noch auf der Seite der Propaganda sieht, wie sie etwa Bernard-Henri Lévy mit „Bosna!“ gefilmt hat. Gegen Handkes Zweifel an der Seriosität der Medien im Umgang mit dem Bosnienkrieg hält Ophuls seine Erfahrungen, die er dort mit Kriegsberichterstattern gemacht hat.
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