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Streit um MindestlohnSPD gegen SPD

Fraktionschef Saleh setzt in der Fraktion 8,50 Euro Stundenlohn für öffentliche Beschäftigung durch. Regierungschef Wowereit will aber nur 7,50 Euro.

Er will was zu melden haben: SPD-Fraktionschef Saleh. Bild: dap

Der SPD-interne Streit über die Bezahlung von Langzeitarbeitslosen in Beschäftigungsmaßnahmen verschärft sich. Am Dienstagabend hatte Fraktionschef Raed Saleh die SPD-Abgeordneten auf seine Linie eingeschworen und sich knapp mit seiner Forderung nach 8,50 Euro pro Stunde durchgesetzt. Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) hingegen beharrt auf 7,50 Euro: „Die Fraktion hat ein Meinungsbild abgegeben, entscheiden wird das der Senat“, sagte sie am Mittwoch. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (ebenso SPD) hatte tags zuvor gesagt, bei dem geforderten höheren Stundenlohn könne man 1.400 Stellen weniger finanzieren als die geplanten 5.600.

Hintergrund ist Kolats geplantes Programm „Berlin Arbeit“, das den als zu teuer kritisierten öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) ablösen soll. Teilnehmer des Programms sollen wie im ÖBS maximal 7,50 Euro pro Stunde bekommen. Dieser Betrag entsprach der Mindestlohnvorgabe des Vergabegesetzes: Unternehmen, die weniger zahlten, sollten keine Aufträge vom Land bekommen. In ihren Koalitionsverhandlungen einigten sich SPD und CDU jedoch darauf, diesen Mindestlohn auf 8,50 Euro zu erhöhen. Nachdem erst die Linkspartei verlangte, dass dieser Mindestlohn auch für „Berlin Arbeit“ gelten müsse, erhob vergangene Woche Saleh ebenfalls diese Forderung.

Der Koalitionspartner CDU verweist dazu auf den Koalitionsvertrag: Der nennt keine konkreten Zahlen, sondern erhebt stattdessen den Anspruch, von „Berlin Arbeit“ sollten „mehr als doppelt so viele Langzeitarbeitslose“ profitieren wie ÖBS. Offen blieb dabei, auf welche Zahl von ÖBS-Stellen sich das bezog. Gestartet war das Lieblingsprojekt der Linkspartei mit 2.500 Plätzen, zwischenzeitlich waren es rund 7.500, Ende der rot-roten Koalition rund 5.000.

Doch schon während der Koalitionsverhandlungen war klar, dass künftig deutlich weniger Geld für die Beschäftigungsmaßnahmen zur Verfügung stehen würde. Laut Saleh sind bei 8,50 Euro nur 4.200 Plätze machbar. CDU-Fraktionschef Florian Graf flüchtete sich in die Aussage, es stehe kein Zeitpunkt für die Verdoppelung der Plätze im Koalitionsvertrag an – deshalb müsse das nicht für diesen Doppelhaushalt geschehen.

Während es für Saleh eine Frage sozialdemokratischer Grundsätze ist, dass ein Mindestlohn für alle gelten muss, sieht Wowereit das anders: Öffentlich geförderte Jobprogramme hätten nichts mit einem Mindestlohn zu tun.

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5 Kommentare

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  • G
    Gernholz

    SPD- Der Sündenfall

    Die SPD ist grundsätzlich in Fragen der Arbeitsmarktpolitik nicht kompetent und völlig unglaubwürdig. Wer hat den Schaden denn verursacht? Die SPD hat jegliche Legitimation verloren, die Bürger politisch zu vertreten. Der Mindestlohn wird zu einer Falle.

    Die Betroffenen sind nicht nur die Hartz IV Empfänger, sondern auch die Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft. Ob 7.50 € oder 8.50 €, ist doch nur eine Marginale, ein dilettantisches Gerangel um nichts und keine wirkliche und grundlegende Veränderung des perversen Hartz- Systems. Man inszeniert das soziale Engagement, den Kampf mit denen da Oben und mit sich selbst. Sozialtheater auf der politischen Bühne der Eitelkeiten und immer mit dabei dieser komische und merkwürdige Wowereit. Ein Theaterstück ohne Publikum. An die Kulturschaffenden in Berlin: „setzt das Drama Hartz I bis IV endlich ab.“ Die Premiere war 2003 mit Hartz I und die Darsteller merken bis heute nicht, dass sie vor leeren Rängen spielen. Niemand applaudiert, keiner verlangt nach einer Zugabe. Die SPD wird mit sinnlosen Milliarden subventioniert. Traumhafte Gehälter im öffentlichen Dienst, Vergünstigungen aller Art, bishin zur Kostenübernahme von Zahnimplantaten, Bodyguards, gepanzerte Limousinen, exklusive Büros, Sekretärinnen, üppige Abfindungen und abstrusen Pensionen für eine Versagertruppe per Excellance. Ohne dieses Gauck-ler Ensemble, wäre Deutschland jetzt nicht in den Niederungen der chinesischen Wanderarbeiter angekommen.

     

    Im Detail könnte der Stundenlohn für einen Hartz IV Empfänger auch 20 € betragen.

    Der ALG I Empfänger darf 160 € zusätzlich verdienen und der ALG II Empfänger 100 €. Und was soll jetzt das ganze Theaterstück? Ach so, dadurch bekommt der Harzer jetzt 20 Cent mehr Rente. Applaus Applaus Applaus Zugabe Zugabe Zugabe Wowereit Wowereit Wowereit...........

  • M
    Maria

    Wowereit und Arbeitssenatorin Kolat sind faktisch keine Sozialdemokraten, denn sie treten nicht mal für den flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro ein, der eigentlich viel zu niedrig ist. 10 Euro wären angemessen.

     

    Ein einziges Trauerspiel, diese mehrheitlich neoliberale SPD!

     

    Und Kolat ist noch nicht mal für eine Frauenquote. Eine Fehlbesetzung, die frau!

  • L
    Lovem

    @ Hatem:

     

    Ihr Kommentar basiert auf einer ziemlich personalisierenden Sichtweise auf eine Debatte, deren eigentlicher Kern die schon arg lädierte Glaubwürdigkeit der Berliner Gesamt-SPD betrifft. Wer für einen Mindestlohn von 8,50€ eintritt, zugleich aber Tausende von Beschäftigten mit 7,50€ abspeisen will, wird keine großen Schritte hin zu einem sozialeren und arbeitnehmerfreundlicheren Profil machen. Manche in der SPD nehmen diese inhaltliche Spannung womöglich ernst, andere hingegen nicht.

     

    Dennoch bleibt weiterhin zu fragen, ob die wahrscheinlich konsequenzlose Entscheidung der Fraktion für 8,50€ nicht eher als Gesichtswahrung der SPD zu deuten ist, die Dissonanz innerhalb der SPD also wohlkalkuliert ist. Mancher Wähler wird sich womöglich denken, dass die SPD doch noch zu retten ist, wenn zumindest die Fraktion noch ein wenig Anstand zeigt.

  • W
    Weinberg

    Wowereit soll nach Insiderberichten für 7,50 Euro arbeiten – warum sollen daher andere 8,50 Euro bekommen?

     

    Könnte es allerdings sein, dass sich der Betrag von 7,50 Euro nicht auf die Stunde bezieht …?

  • H
    Hatem

    Es gibt einen Haufen Skeptiker, die Saleh den Posten nicht zutrauen. Nun will er mit Macht beweisen, dass er kein Abnicker ist - das Ergebnis ist: Die SPD wirkt wie ein zerstrittener Haufen, der mit sich selber beschäftigt ist.

    In meinen Augen ein lächerlicher Profilierungsversuch von Raed Saleh: Er beweist, dass er einen eigenen Kopf hat und verschreckt gleichzeitig Wähler.

     

    Pyrrhus-Sieg!