Streit um Kopfpauschale: Showdown bei Seehofer
Bundesgesundheitsminister Rösler (FDP) ist nach München gereist, um Horst Seehofer und die CSU von der Kopfpauschale zu überzeugen. Er plant offenbar Sozialausgleich aus Steuern.
BERLIN taz | Kein Krisengipfel sollte es sein, das Spitzengespräch von FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler und CSU-Chef Horst Seehofer am Montagnachmittag. Einfach eine von vielen normalen Diskussionen, die im Moment zur Gesundheitspolitik geführt werden - so ließen es Sprecher aus Röslers Ministerium vor der Zusammenkunft in München verbreiten.
Tatsächlich ging es bei dem Treffen um nicht weniger als die Rettung eines Prestigeprojekts der Bundesregierung - der Kopfpauschale. Durch sie soll nach Röslers Plänen in Zukunft unabhängig vom Einkommen von allen BürgerInnen die gleiche Summe entrichtet werden, um einen Teil der Gesundheitskosten zu decken - der Straßenreiniger zahlt so viel wie die Unternehmenschefin. Der Gesundheitsminister war extra nach München gereist, um Seehofer als Kritiker der Pauschale von seinen neuesten Plänen zur strittigen Finanzierung des notwendigen Sozialausgleichs zu überzeugen - ein schwieriges Unterfangen.
Nach Informationen der taz haben sich dabei die Pläne des Gesundheitsministeriums noch einmal geändert: Der Sozialausgleich soll demnach doch über Steuern aufgebracht werden. Und nicht, wie bisher vermutet, über das Beitragssystem. Da diese Variante normalerweise zwingend der Zustimmung des Bundesrats bedarf - und für diesen Fall haben SPD, Grüne und Linkspartei bereits Totalblockade angekündigt -, will sich die Regierung nun eines Tricks bedienen: Der Sozialausgleich soll durch den bestehenden Steuerzuschuss aufgebracht werden, der bereits ins Gesundheitssystem fließt und für das kommende Jahr auf 13,3 Milliarden Euro festgesetzt ist. So könnte die Hürde Bundesrat möglicherweise umgangen werden.
"Hier wird versucht, durch die Hintertür die Kopfpauschale einzuführen", sagt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, "das ist Taschenspielerei." Die Grüne Birgitt Bender sagte der taz: "Das sind Verrenkungen, die nur der Gesichtswahrung dienen." Der CDU-Gesundheitspolitiker Rolf Koschorrek begrüßte dagegen die Pläne: "Jeder Sozialausgleich über Steuern findet meine Zustimmung."
Ins Bild passen auch die Äußerungen des Finanzstaatssekretärs Steffen Kampeter (CDU), der in einem Fernsehinterview lediglich zusätzliche Steuermittel für einen Sozialausgleich ausschloss. In Regierungskreisen wird dies nun so gedeutet, dass gegen eine Verwendung der bestehenden Mitteln für einen Sozialausgleich nichts zu sagen wäre.
Der Haken an der Sache: Mit dem bestehenden Zuschuss aus Bundesmitteln wird bereits ein Finanzierungsloch im Gesundheitssystem gestopft. Im nächsten Jahr wird auch dies nicht mehr ausreichen - durch die permanent steigenden Kosten im System wird ein Defizit von 10 Milliarden erwartet. Die Gesamtkosten von etwa 15 Milliarden müssten nach diesem Modell dann in Form einer Kopfpauschale in Höhe von bis zu 30 Euro von den BürgerInnen getragen werden. Zweite Möglichkeit: Die Beiträge werden erhöht. Dies haben aber bereits mehrere KoalitionspolitikerInnen ausgeschlossen. Die Linken-Politikerin Martina Bunge forderte in der taz: "Wir brauchen eine Bürgerversicherung, um die Einnahmebasis des Systems zu verbreitern."
Der Streit um die Gesundheitspolitik begleitet die Koalition nahezu seit ihrem ersten Arbeitstag. Wie Wasser und Feuer standen sich insbesondere CSU und FDP in den vergangenen Monaten gegenüber: Gesundheitsminister Rösler verknüpfte die Einführung einer Kopfpauschale mit seinem eigenen politischen Schicksal, Seehofer lehnte sie kategorisch ab. Die CDU positionierte sich nicht eindeutig und überließ den Streithähnen aus CSU und FDP die politische Auseinandersetzung.
Die Rhetorik hat sich dabei in den vergangenen Monaten immer weiter verschärft, so dass sich die Suche nach einer Lösung weitgehend von inhaltlichen Fragen gelöst hat. Erst kurz vor dem Treffen von Seehofer und Rösler hatte Seehofers CSU-Kollege Max Straubinger in der Süddeutschen Zeitung noch einmal den Takt vorgegeben. Die Kopfpauschale, sagte er mit Blick auf die Wünsche des Koalitionspartners FDP, sei "tot".
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