Streit um Kohlekraftwerk in Lubmin: "Auch die Polen können klagen"
Das geplante Kohlekraftwerk Lubmin stößt auch im nahen Polen auf Unmut. Den dort Betroffenen steht der Rechtsweg in Deutschland offen, sagt Anwalt Reiner Geulen.
taz: Herr Geulen, nach der öffentlichen Erörterung des geplanten Kohlekraftwerks Lubmin ist die Diskussion über das Vorhaben neu entbrannt. Selbst Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) geht auf Distanz. Stehen die Gegner vor dem Sieg?
Reiner Geulen: Die Erörterung hat klar ergeben, dass das Meerwasser im Greifswalder Bodden und im angrenzenden offenen Meer durch Kühlwasser und Schadstoffe stark belastet würde. Das Kraftwerk ist daher auf keinen Fall genehmigungsfähig. Vor allem würde das Wasser erheblich erwärmt, mit möglicherweise katastrophalen Folgen.
REINER GEULEN, prominenter Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Berlin, vertritt Gegner des Kraftwerks Lubmin.
In Lubmin bei Greifswald will der dänische Staatskonzern Dong Energy ein neues Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 1.600 Megawatt errichten. Viele Einwohner der Touristenregion sind empört. Eine Volksinitiative wurde im Landtag abgebügelt, doch der geplante Baustart musste verschoben werden.
Welche Folgen könnten das sein?
Das Kraftwerk müsste seine Abwärme über Kühlwasser abgeben. Bisher hat Dong argumentiert, das sei kein Problem, denn schließlich habe dort auch das frühere Atomkraftwerk "Bruno Leuschner" sein Kühlwasser eingeleitet, und das sei seinerzeit unschädlich gewesen. Auf dem Erörterungstermin hat sich nun herausgestellt, dass die Angaben der Betreiberin falsch sind. Die vorgelegten Messungen aus den 1970er- und 80er-Jahren zeigen nämlich, dass die Wassertemperaturen damals erheblich zugenommen haben - mit all den Folgen, die sich für Flora und Fauna daraus ergeben: starke Vermehrung gefährlicher Keime, stärkeres Auftreten von Quallen und Gefährdung des Fischbestandes. Unter den Einwendern sind auch Ostseefischer.
Sie vertreten seit Kurzem auch Einwender aus Polen.
Ja. Deutsches und EU-Recht sehen vor, dass Ausländer gehört werden müssen, wenn sie von einer solchen Anlage betroffen sind. Erst nachdem wir die Untätigkeit der deutschen Behörden gerügt haben, hat die Schweriner Landesregierung nun endlich - verspätet - die Antragsunterlagen an die polnische Regierung geschickt.
Haben die polnischen Bürger Rechtsmittel, um eine Genehmigung zu verhindern?
Sie haben das gleiche Recht gehört zu werden wie deutsche Bürger. Wenn das nicht geschieht, also jetzt nicht das Anhörungsverfahren auf der polnischen Seite abgewartet wird, würde das eine etwaige Genehmigung rechtswidrig machen.
Könnten die betroffenen polnischen Bürger auch klagen?
Ja. Das Bundesverwaltungsgericht hat das bereits im Falle eines Kraftwerks in Niedersachsen entschieden, das wenige Kilometer von der holländischen Grenze entfernt errichtet werden sollte. Einwender, die im Ausland von einer solchen Maßnahme betroffen sind, können demnach vor deutschen Gerichten klagen. Insbesondere können sie geltend machen, dass sie nicht angehört wurden.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat die wichtigsten Unterlagen übersetzen lassen, und die polnischen Behörden organisieren im Amtshilfeverfahren die Anhörung. Nach unserer Auffassung müsste der Erörterungstermin neu durchgeführt werden. Das Ganze würde das Verfahren um ein bis zwei Jahre verzögern.
Wie sieht es in Svinoujscie (Swinemünde) politisch aus? Gibt es ähnlich viel Unmut wie diesseits der Grenze?
Langsam wird den Menschen dort klar, welche Auswirkungen das Kraftwerk hat. Svinoujscie ist ein Badeort und hätte mit dem Wasser die gleichen Probleme wie die Gemeinden auf der deutschen Seite der Insel. Der Widerstand hat zugenommen, und die Bürger fordern vom Innenministerium in Warschau, dass es gegen den Kraftwerksbau interveniert.
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