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Streit um Kohlekraftwerk in Lubmin"Auch die Polen können klagen"

Das geplante Kohlekraftwerk Lubmin stößt auch im nahen Polen auf Unmut. Den dort Betroffenen steht der Rechtsweg in Deutschland offen, sagt Anwalt Reiner Geulen.

Gegner des Kohlekraftwerks gibt es in Deutschland und in Polen. Bild: ap
Interview von Johann Martens

taz: Herr Geulen, nach der öffentlichen Erörterung des geplanten Kohlekraftwerks Lubmin ist die Diskussion über das Vorhaben neu entbrannt. Selbst Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) geht auf Distanz. Stehen die Gegner vor dem Sieg?

Reiner Geulen: Die Erörterung hat klar ergeben, dass das Meerwasser im Greifswalder Bodden und im angrenzenden offenen Meer durch Kühlwasser und Schadstoffe stark belastet würde. Das Kraftwerk ist daher auf keinen Fall genehmigungsfähig. Vor allem würde das Wasser erheblich erwärmt, mit möglicherweise katastrophalen Folgen.

Bild: dpa
Im Interview: 

REINER GEULEN, prominenter Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Berlin, vertritt Gegner des Kraftwerks Lubmin.

KRAFTWERK LUBMIN

In Lubmin bei Greifswald will der dänische Staatskonzern Dong Energy ein neues Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 1.600 Megawatt errichten. Viele Einwohner der Touristenregion sind empört. Eine Volksinitiative wurde im Landtag abgebügelt, doch der geplante Baustart musste verschoben werden.

Welche Folgen könnten das sein?

Das Kraftwerk müsste seine Abwärme über Kühlwasser abgeben. Bisher hat Dong argumentiert, das sei kein Problem, denn schließlich habe dort auch das frühere Atomkraftwerk "Bruno Leuschner" sein Kühlwasser eingeleitet, und das sei seinerzeit unschädlich gewesen. Auf dem Erörterungstermin hat sich nun herausgestellt, dass die Angaben der Betreiberin falsch sind. Die vorgelegten Messungen aus den 1970er- und 80er-Jahren zeigen nämlich, dass die Wassertemperaturen damals erheblich zugenommen haben - mit all den Folgen, die sich für Flora und Fauna daraus ergeben: starke Vermehrung gefährlicher Keime, stärkeres Auftreten von Quallen und Gefährdung des Fischbestandes. Unter den Einwendern sind auch Ostseefischer.

Sie vertreten seit Kurzem auch Einwender aus Polen.

Ja. Deutsches und EU-Recht sehen vor, dass Ausländer gehört werden müssen, wenn sie von einer solchen Anlage betroffen sind. Erst nachdem wir die Untätigkeit der deutschen Behörden gerügt haben, hat die Schweriner Landesregierung nun endlich - verspätet - die Antragsunterlagen an die polnische Regierung geschickt.

Haben die polnischen Bürger Rechtsmittel, um eine Genehmigung zu verhindern?

Sie haben das gleiche Recht gehört zu werden wie deutsche Bürger. Wenn das nicht geschieht, also jetzt nicht das Anhörungsverfahren auf der polnischen Seite abgewartet wird, würde das eine etwaige Genehmigung rechtswidrig machen.

Könnten die betroffenen polnischen Bürger auch klagen?

Ja. Das Bundesverwaltungsgericht hat das bereits im Falle eines Kraftwerks in Niedersachsen entschieden, das wenige Kilometer von der holländischen Grenze entfernt errichtet werden sollte. Einwender, die im Ausland von einer solchen Maßnahme betroffen sind, können demnach vor deutschen Gerichten klagen. Insbesondere können sie geltend machen, dass sie nicht angehört wurden.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat die wichtigsten Unterlagen übersetzen lassen, und die polnischen Behörden organisieren im Amtshilfeverfahren die Anhörung. Nach unserer Auffassung müsste der Erörterungstermin neu durchgeführt werden. Das Ganze würde das Verfahren um ein bis zwei Jahre verzögern.

Wie sieht es in Svinoujscie (Swinemünde) politisch aus? Gibt es ähnlich viel Unmut wie diesseits der Grenze?

Langsam wird den Menschen dort klar, welche Auswirkungen das Kraftwerk hat. Svinoujscie ist ein Badeort und hätte mit dem Wasser die gleichen Probleme wie die Gemeinden auf der deutschen Seite der Insel. Der Widerstand hat zugenommen, und die Bürger fordern vom Innenministerium in Warschau, dass es gegen den Kraftwerksbau interveniert.

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3 Kommentare

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  • W
    wanja

    Pardon, die Erdwärme (bzw. wer's hellenischer möchte: Geothermie) hatte ich glatt vergessen im letzten Absatz zu erwähnen.

     

    Was Wellenkraftwerke angeht, ist neben dem noch nicht ausgereiften Modell Anaconda auch das bereits ziemlich ausgreifte Modell Wave Dragon exzellent.

     

    Der Hinweis von Emil auf die Studie von Osnabrück ist auch nicht zu vergessen.

  • W
    wanja

    @ emil: Also 1 großes Windrad auf 4 qkm wäre sogar mir eine zu hohe Windraddichte, obwohl natürlich viele davon offshore stehen könnten und dadurch sich die Sache an Land ein wenig entzerren könnte. Aber schon nur ein Viertel davon, also eines auf 16 qkm, wären dann ja immer noch mehr als 37 Gigawatt.

     

    Vielversprechend finde ich außerdem ein Modell von Wellenkraftanlagen, das Anaconda heißt und im Unterschied zu Pelamis keine Schwimmkörper aus Stahl hat (was ja sehr energieaufwändig herzustellen ist), sondern aus gummiähnlichem Material, das auch viel leichter ist und daher auch die Installation erleichtern dürfte. Damit könnten auch in der Ostsee (auch für Polen) sicher etliche GW Leistung aufgebaut werden.

     

    Für viele Meerestiere und Vögel sind Solaranlagen auf Dächern, ggf. auch in Wüsten (dort z.B. solarthermische Parabolrinnen- oder Heliostat-Kraftwerke), und möglichst viel Energiesparen freilich immer noch die beste Option.

  • E
    emil

    Eine polnische Wissenschaftlerin hat mich mal auf folgendes aufmerksam gemacht: Mit nur einem einzigen 2-Megawatt-Windrad auf je 4 qkm Landesfläche - Großstädte dabei sogar großzügigerweise ausgenommen - könnten in Polen mehr als 150.000 MW Leistung installiert werden

     

    und das riesige Offshore-Potential der Ostsee ist dabei noch nicht mitgerechnet, ebenfalls nicht das Potential von Biomasse und von Solarenergie (zum Vergleich: Die nordrheinwestfälische Stadt Osnabrück könnte laut einer Studie der dortigen FH auf einem Bruchteil ihrer Dachflächen im Jahresmittel den Strom für alle ihre Privathaushalte allein durch Fotovoltaik erzeugen - und Polen hat ähnlich viel/wenig Sonne wie Osnabrück, wg. der aktuellen Kohlekraftwerke & sonstigen Luftverschmutzung evtl. etwas weniger).

     

    Wenn die Windräder möglichst auch im Land selbst hergestellt würden, würde es - neben der Installation & Wartung sowieso - zugleich einen extrem positiven Effekt auf die Beschäftigungsrate haben. Dafür könnte z.B. die Weltbank Ausbildungsprogramme etc. finanzieren (womit sie ausnahmesweise mal 'was Gutes tun würde), und vielleicht würde auch der fromme Kahtolik Bill Gates ein paar Prozent seines Vermögens dafür locker machen (am besten natürlich als Spende, damit ihm ein paar Jahre Fegefeuer erlassen werden).