Streit um Jenas Jugendpfarrer: Thüringen und Sachsen im Clinch
Vergangene Woche durchsuchten sächsische Beamte das Haus des Jugendpfarrers im thüringischen Jena. Seitdem liegen sich beide Länder in den Haaren.
Am 13. September wollen sich die Kabinette von Thüringen und Sachsen auf Schloss Wackerbarth in Radebeul zu einer gemeinsamen Sitzung treffen. Der Termin ist lange geplant – doch die Tagesordnung muss nun wohl ergänzt werden. Denn nach der Hausdurchsuchung beim Jenaer Jugendpfarrer Lothar König haben gegenseitige Vorwürfe das Klima zwischen den beiden Ländern getrübt.
Die Opposition beider Länder äußert starke Kritik, in der kommenden Woche kommen deshalb die Justizausschüsse zu Sondersitzungen zusammen. Gleichzeitig nimmt die Angelegenheit immer mehr possenhafte Züge an.
Am Mittwoch vergangener Woche durchsuchten sächsischen Beamte das Haus des Jugendpfarrers im thüringischen Jena, unter anderem ein Computer und ein Kleinbus wurden beschlagnahmt. Die Dresdner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen König wegen schweren aufwieglerischen Landfriedensbruchs. Aus seinem Bus soll während der Anti-Nazi-Demo im Februar zu Gewalt aufgerufen worden sein.
In Thüringen empörten sich Kirche und Opposition: Was erlauben sich die Sachsen? Daraufhin beschwerten sich die Dresdner Justizbehörden über politische Einmischung.
Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung weilte Thüringens Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) im Urlaub - und meldete sich lautstark zu Wort. Es sei unklar, ob die Thüringer Behörden ausreichend eingebunden worden seien.
Jetzt mag sich Poppenhäger nicht mehr äußern
Am Dienstag dieser Woche trat dann sein Ministerkollege Jürgen Martens (FDP) in Dresden vor die Presse. Und er schilderte, dass es schon am 7. Juli ein Treffen zwischen sächsischen Polizisten und Jenaer Staatsschützern gab, dass im August noch mal telefoniert wurde und dass am Durchsuchungstag selbst die Polizeidirektion Jena um 5.30 Uhr Uhr informiert wurde. Diese Angaben bestätigt das Thüringer Innenministerium – zu Poppenhägers Blamage, der sich jetzt nicht mehr äußern mag.
Rechtlich, so steht nunmehr fest, ist die Durchsuchung nicht zu beanstanden, zumindest was die Länderzuständigkeiten angeht. Aber nur darum geht es längst nicht mehr. Das Verhalten der Dresdner Staatsanwaltschaft in jüngster Zeit habe "unser Vertrauen in unsere Demokratie ernsthaft erschüttert", schreibt der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) in einem Brief an Sachsens Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) und lud ihn zu einer Diskussionsveranstaltung ein.
Tillich ließ das Schreiben an den Generalstaatsanwalt weiterleiten. Das gebiete der "Grundsatz der Gewaltenteilung".
Für weitere Aufregung sorgen die sächsischen Ermittlungsbehörden derweil bei Katharina König, der Tochter von Lothar König. Sie ist Abgeordnete der Linkspartei in Thüringen. Am Samstag erhielt sie einen Brief vom Dresdner Amtsgericht: Von einem "Vorermittlungsverfahren" gegen sie ist da die Rede. König war überrascht: Vorher müsste doch ihre Immunität als Abgeordnete aufgehoben werden. Dies bestätigt ihr Parteigenosse Ralf Hauboldt, der Vorsitzende des Justizausschusses. Der Pressesprecher des Thüringer Landtags, Detlef Baer, widerspricht: Vorermittlungen, die nötig seien, um die Aufhebung der Immunität zu begründen, könnten jederzeit erfolgen.
Schulterzucken beim Amtsgericht
Von der Dresdner Staatsanwaltschaft kam dann gleich die Beschwichtigung: Es laufen gar keine Vorermittlungen gegen König. Ein bedauerlicher Irrtum, schuld sei das Amtsgericht Dresden, sagte Jan Hille, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft. "Bei uns wird nicht gegen sie vorermittelt", so Hille.
Beim Dresdner Amtsgericht nur Schulterzucken. Man könne sich den Fehler einfach nicht erklären, sagte eine Sprecherin. König hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und bis zum Donnerstag keine weitere Nachricht erhalten. Sie streitet mit den Dresdner Behörden um die Herausgabe einer Telefonliste, die vor Monaten bei einer Autodurchsuchung beschlagnahmt wurde. Sie ist der Ansicht, dass wegen ihrer Immunität die Beschlagnahme rechtswidrig war. Offenbar sollte in dem ihr zugestellten Beschluss stehen, dass die Herausgabe verweigert wird.
Die Ermittlungen gegen Lothar König, die Grundlage der Hausdurchsuchung waren, laufen unterdessen weiter. Wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" hingegen wird gegen ihn bald offenbar nicht mehr ermittelt. "Der Anfangsverdacht hat sich nicht verdichtet. Deshalb wird das Verfahren voraussichtlich eingestellt", sagte Staatsanwalt Hille der taz.
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