Streit um Bauwagen: Wohnen auf Rädern bleibt verboten
Die SPD lehnt eine Novellierung des Bauwagengesetzes in der Bürgerschaft ab. Eine Lösung für den Wilhelmsburger Platz "Zomia" soll am nächsten Donnerstag präsentiert werden.
Die allein regierende SPD hat keinen Bedarf, über Bauwagenplätze zu diskutieren. Gleich vier Anträge der gesammelten Opposition von CDU, FDP, GAL und Linke in der Bürgerschaft, das noch aus der Nazi-Zeit stammende Wohnwagen-Platzverbot an das 21. Jahrhundert anzupassen, lehnten die Genossen mit ihrer absoluten Mehrheit am Mittwoch ab.
Nicht einmal eine Überweisung in den Stadtentwicklungsausschuss zur weiteren Beratung ließ die SPD zu. Es habe keinen Sinn, "jetzt eine Grundsatzdebatte zu führen", begründete der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Fraktion, Andy Grote, die Abwehrhaltung.
Vordringlich sei es, so Grote, "eine tragfähige Lösung für einen konkreten Fall zu finden". Damit gemeint ist der Bauwagenplatz "Zomia" in Wilhelmsburg. Auf einer Fläche am Ernst-August-Kanal leben seit November vorigen Jahres 15 Menschen in acht Bauwagen. Nach Ansicht des zuständigen Bezirks Mitte ist das Areal jedoch eine "Industriefläche, auf der Wohnen nicht erlaubt ist". Zudem sollen sich Anwohner beschwert haben, sie könnten dort wegen der Bauwagenbewohner im Sommer nicht mehr grillen und sonnenbaden.
Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) hatte deshalb den Platz zum 30. April räumen wollen. Bürgermeister Olaf Scholz indes hatte seinem Parteifreund "unmissverständlich" klargemacht, so ist zu hören, dass eine Räumung am Vorabend der befürchteten Maikrawalle im Schanzenviertel "politisch nicht erwünscht" sei.
Stattdessen soll nun der Stadtentwicklungsausschuss der Bürgerschaft eine Lösung suchen, so lange sei Zomia zu dulden. Bis zur Ausschusssitzung am kommenden Donnerstag sollen Platzangebote für Zomia auf dem Tisch liegen. Nach taz-Informationen werden zwei infrage kommende Flächen in Jenfeld und Harburg geprüft.
Wegen der Zomia-Debatte hatte die FDP gleich beantragt, das Hamburger Wohnwagengesetz grundsätzlich so zu ändern, dass "alternative Wohnformen auf rechtsstaatlicher Grundlage ermöglicht" werden. CDU, GAL und Linke unterstützen diese Linie im Prinzip, legten aber Zusatzanträge mit Änderungen und Ergänzungen in Einzelfragen vor. Die GAL erwägt, eine Experten-Anhörung zur Gesetzesnovellierung durchzuführen.
Die SPD will "den Einzelfall nicht mit Grundsätzlichem belasten" - nicht zuletzt, um den internen Konflikt mit dem störrischen Bezirkschef Schreiber rasch zu beenden. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass es in ein oder zwei Jahren eine neue Debatte über die Liberalisierung des Wohnwagengesetzes geben wird - auf der Basis eines Entwurfs der SPD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind