piwik no script img

Streit um BäumeWie die Axt im Walde

Die Bezirke fällen mehr Straßenbäume als sie neue pflanzen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz sieht in ihnen einen großen Schatz und fordert mehr Pflege.

Manchmal ist auch der Wind schuld am Ende der Bäume. Bild: dpa

Unser Straßenbild wird ganz langsam kahler: Berlin hat in den vergangenen beiden Jahren gut 1.100 Straßenbäume verloren. Das ergibt sich aus einer am Donnerstag vorgestellten Statistik des Bundes für Umwelt und Naturschutz, der sich dabei auf Zahlen aus den Bezirken beruft. Besonders schlecht schneiden die Bezirke Pankow und Lichtenberg ab: Beide haben jeweils rund 500 Bäume mehr gefällt als neu gepflanzt. Auf einen positiven Saldo kommen nur die vier Bezirke Steglitz-Zehlendorf, Treptow-Köpenick, Friedrichshain-Kreuzberg und Reinickendorf.

Angesichts von rund 430.000 bis 480.000 Bäumen an Straßen und Plätzen ist der Verlust zwar eher gering. Der Bund für Umwelt und Naturschutz weist aber darauf hin, die Bäume seien „ein einmaliger Schatz“ für Berlin, so Baumschutzreferent Christian Hönig. Das viele Grün in den Straßen sei europaweit einmalig, erhöhe die Lebensqualität in der Stadt für Berliner und Touristen. Hönig: „Da blutet einem das Herz, wenn man sieht, wie die Stadt damit umgeht.“

Nachhaltige Pflege

Hönig begrüßte, dass Rot-Schwarz bereits im Koalitionsvertrag angekündigt hat, 10.000 neue Straßenbäume zu pflanzen, in zwei Wochen soll damit begonnen werden. Dies reiche jedoch nicht aus. Es brauche einen Systemwandel hin zu einer nachhaltigen Pflege des gesamten Baumbestands und der Grünflächen. Hönig kritisierte etwa, dass die Bezirke alte Bäume zu schnell fällen und ersetzen, anstatt sich um sie zu kümmern. Berlin habe einen Großteil des Baumbestandes im oder nach dem zweiten Weltkrieg verloren. Die Straßenbäume seien in den folgenden Jahrzehnten gepflanzt worden, und immer mehr kämen jetzt in ein Alter, in dem sie pflegebedürftig seien: Zum Beispiel müssen einzelne schwache Äste abgesägt werden. Jeden einzelnen Baum regelmäßig zu schneiden, sei aufwändig für die Bezirke. Den Baum dagegen einfach zu fällen und einen neuen zu pflanzen, sei billiger.

Besonders zu schaffen macht den Straßenbäumen, dass sie nur wenig Platz für ihre Wurzeln haben, dass Hunde sie anpinkeln, dass Streusalz in den Boden eindringt, dass Autos die Rinde beschädigen oder den Boden zusammendrücken. „Angesichts all dieser Faktoren geht es den Bäumen sogar gut“, meint Hönig.

Die Bezirke führen zwar Buch über jeden gefällten und neu gepflanzten Baum – bisher ist aber noch nicht landesweit bis auf den einzelnen Baum erhoben, wie viele Straßenbäume es eigentlich gibt. Dies soll in Zukunft mit einem neuen Kataster möglich sein. Neben den Straßenbäumen hat die Stadt etwa noch einmal so viele in Parks. Hinzu kommen Bäume auf Privatgelände und in Wäldern, vor allem im Südwesten, Nordwesten und Südosten.

Während die Bezirksämter die Pflanzungen neuer Bäume in der Regel an externe Firmen vergeben, kontrollieren sie die Bäume in Eigenregie. Drei Bezirke beschränken sich dabei darauf, nur auf Verkehrssicherheit zu kontrollieren – also darauf, ob ein Ast bald abstürzen könnte. Ein detaillierteres Monitoring der Schäden fehlt. Die Bezirksämter, die ein solches Schadmonitoring betreiben, sagen nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz fast einhellig, dass ihre Straßenbäume nicht gesund sind. Viele weisen leichte bis mittlere Schäden auf. Lediglich Spandau gibt an, dass zwei Drittel der Straßenbäume gesund sind.

Besonders besorgt ist der Bund für Umwelt und Naturschutz darüber, dass zehn der zwölf Bezirke Straßenbäume aus Mitteln für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für andernorts zerstörte Natur verwenden. Drei Bezirke finanzieren ihre Neupflanzungen sogar fast ausschließlich aus solchen Mitteln. Wenn gefällte Bäumen mit Geldern für andere gefällte Bäume bezahlt werden, finde eine Umverteilung und Verringerung von Natur statt, kritisiert der Umweltverband.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • VL
    Volker Liebscher

    guter Artikel. Ich habe zu dieser Aktion, im Zusammenhang einer mir sinnlos erscheinenden Baumbeseitigung http://kiez-dendrarium.blogspot.de/2012/11/berlin-friedenau-crataegus-vernichtet.html einmal beim Senat nachgefragt und erfuhr u.a., dass ein Berliner Stadtbaum mit 60 Jahren stirbt. Folgerichtiger Gedanke. Wenn ein Baum 20 Jahre früher stirbt als ein Berliner Bürger, gehen wir mit Bäumen nicht richtig um. Mehr Rücksicht und Pflege sowie Verstand bei Umsetzung uns selbst gegebener Regeln, verhilft den Bäumen zu längerem Leben und schont die Kassen.

  • P
    Pseudo

    Wenn dieser Bund wirklich für Natur und Umwelt wäre, dann würde er dafür sorgen, daß Autos aus der Stadt verschwinden und dann der Asphalt entfernt wird um Bäume zu pflanzen.