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Streit um AtomausstiegKonzerne wollen Kohle

Während die Energiekonzerne gegen den Atomausstieg klagen wollen, wollen ihn die Demonstranten in Brokdorf schneller. Und die Grünen suchen nach einer Position.

"AKW? Nee": Atomkraftgegner demonstrieren am Samstag vor dem schleswig-holsteinischen Kernkraftwerk Brokdorf. Bild: dpa

HAMBURG taz/dpa/dapd | Die Energiekonzerne in Deutschland wollen nicht kampflos auf Milliarden verzichten. Wie der Spiegel berichtet, bereiten sie Verfassungsklagen gegen die Bundesregierung vor, um das Atomgesetz zu kippen. Dabei gehe es auch um Schadenersatzforderungen. So gingen Rechtsexperten in einem für den Düsseldorfer Eon-Konzern verfassten Gutachten davon aus, dass der von der Bundesregierung geplante Atomausstieg gegen die Verfassung verstoße.

Die den Konzernen im Jahr 2000 zugestandenen Reststrommengen für Atomkraftwerke, argumentierten die Juristen dem Bericht zufolge, seien Eigentum der Unternehmen und durch das Eigentumsrecht im Grundgesetz geschützt. Darin greife der Staat mit dem Ausstiegsgesetz ein, ohne bislang "stringente Gründe dafür zu liefern". Somit stehe den Konzernen Schadenersatz zu, nach Schätzungen der Konzerne im zweistelligen Milliardenbereich.

Wie der Spiegel weiter berichtet, erwägt der schwedische Konzern Vattenfall wegen der dauerhaften Stilllegung seines Atommeilers Krümmel ein internationales Schiedsgericht anzurufen, falls eine Einigung mit Berlin misslingt. Auch die von der Bundesregierung erhobene Brennelementesteuer wollen die Konzerne laut Bericht anfechten. Schon nächste Woche wolle RWE erste Einsprüche beim zuständigen Finanzamt einlegen.

Unterdessen streiten die Grünen weiter darüber, ob sie dem Atomgesetz der schwarz-gelben Koalition zustimmen sollen. Die Mainzer Grünen-Wirtschaftsministerin Eveline Lemke kritisierte beim Landesparteitag, im Antrag des Bundesvorstands fehle die rechtliche Absicherung. Die rheinland-pfälzischen Grünen wollen aber im Bundesrat nicht mit Nein drohen: Sie lehnten mit Mehrheit einen Vorstoß ab, dem Ausstiegspaket nur zuzustimmen, wenn alle Forderungen erfüllt sind.

"Nachbesserungen nötig"

Baden-Württembergs grüner Umwelt- und Energieminister Franz Untersteller sagte der Wirtschaftswoche: "Was auf dem Tisch liegt, geht in die richtige Richtung, aber es sind noch Nachbesserungen nötig."

Der Anti-Atomkraft-Veteran Karsten Hinrichsen aus Brokdorf hingegen rief die grüne Basis dazu auf, den schwarz-gelben Ausstiegsplan zu verhindern. "Er fällt hinter die Position des Umweltbundesamtes zurück", sagte er, "nur um sich einem möglichen Koalitionspartner CDU um den Hals zu werfen." Die Behörde halte den Atomausstieg für 2017 für möglich.

In Brokdorf hatten am Wochenende rund 200 Aktivisten der Kampagne X-tausendmal quer 24 Stunden lang beide Tore des Atommeilers blockiert. Anlass waren Revisionsarbeiten am Meiler. Dass die Teilnehmerzahl unter den Erwartungen blieb, lag zum einen an der kurzfristigen Verschiebung der Arbeiten durch den Betreiber Eon.

"Wir hatten uns für die angekündigten Blockaden Urlaub genommen, den können wir nicht einfach verschieben", sagte eine IG-Metall-Betriebsrätin aus der Unterelbe-Region. Und viele Hamburger nutzten das Wochenende lieber dazu, Unterschriften für das Volksbegehren zu Rekommunalisierung der Strom- und Gasnetze "Unser Hamburg - Unser Netz" zu sammeln.

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10 Kommentare

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  • N
    Nurmalso

    Nurmalso dahergeredet...

     

    also, wenn jetzt der Atomausstieg nach Vorgaben von Schwarzgelb läuft, sind dann die Schwarzen jetzt grün?

     

    Und wenn die Grünen da mitmachen, ärgern die sich dann schwarz, dass ihnen ihr Kernthema gemopst wurde?

     

    Aber macht das hinsichtlich Wählern oder Politik überhaupt einen Unterschied, schwarz, gelb, grün?

     

    Oder sind das alles nur verschiedene Seiten derselben Münze? (Undzwar einer Münze, die von Banken und Wirtschaft geprägt wird!?)

     

    Was bleibt denn noch, wenn alles grün, alles schwarz ist?

     

    ROT bleibt!

     

    Aber nicht das LBS Rot der SPD, sondern nur das Herzblut-rot der Linken!

     

    FÜR Grundversorgung als Gemeineigentum!

    GEGEN das Primat der Wirtschaft!

     

    Es lebe die Linke!

  • A
    Alex

    Ja, enteignen und verstaatlichen. Grundversorgung darf nicht der freien Wirtschaft ausgeliefert sein. Wenn sich die Konzerne auf den Rot-Grünen Ausstieg berufen und die Restlaufzeiten nutzen wollen, passt das ja wohl nicht mit der letzten Verlängerung zusammen.

  • A
    aurorua

    Rekommunalisierung und Enteignung wäre eine vernünftige Antwort auf die schamlosen Forderungen der Atommafia! Enteignung ist nicht kommunistisch sondern gelebte Realität. Bsp.: "Wird ein Bürger nach 35 Jahren Arbeit erwerbslos und Hartz IV Empfänger schämt sich der Staat ja auch nicht denselben zu enteignen, indem man ihn bis auf ein jämmerliches "Schonvermögen" (150,- EURO pro Lebensjahr), nötigt sein sauer Erspartes zu verbrauchen bevor er ALG II erhält.

  • J
    JanG

    @Jeff

    Dummerweise ist ein kompletter Umstieg auf Ökoenergie derzeit nicht machbar. 80% des erzeugten Stromes werden in der Industrie verbraucht und ich denke, dass solche Stromfresser wie das Hüttenwesen es sich einfach nicht leisten kann, auf solche zufallsbedingten Energiequellen wie Sonne oder Wind umzustellen. Ausfälle, auch nur von ein paar Minuten, erzeugen hier Kosten in Mio-höhe.

  • Z2
    Zyniker 2

    Energiekonzerne sofort vestaatlichen. Forderungen und Klagen ablehnen aus Gründen der Volks- und Demokratiefeindlichkeit. Verantwortliche der Konzerne und Ihre gekauften Politiker anklagen!

    Folgekostenbezahlung der AKW´s von den Konzernen verlangen und sofortige Rückzahlung aller Subventionen der letzten 10 Jahre.

  • J
    Jeff

    Das war doch klar, dass das Thema noch lange nicht vom Tisch ist. Und ich glaube absolut nicht, dass in den kommenden 10 Jahren alle Atom-Meiler abgeschaltet sind. Dafür wird zu viel Geld damit verdient. Da sollte man auch anpacken. Brennstoffsteuer: Richtig! Die muss irgendwie durch. Und Kunden müssen weiter zu Ökostrom wechseln. Mittlerweile hat sich das auch in Unternehmen gut durchgesetzt, denn es verkauft sich gut wenn man mit Ökostrom arbeitet. Jetzt fehlt noch die Industrie und die Kraftwerke müssen schlicht weg, weil es nicht mehr lohnt.

    Tipp für die die Wechseln wollen: http://www.naturvolt.de/oekostromrechner

  • V
    vic

    Ach, wie haben sich alle gefreut über Merkels Atomkurve. Zugegeben, hat sich nicht schlecht angehört.

    Vergesst es, Leute. Mit DER an den Hebeln der Macht gibt es keinen Ausstieg.

    Sie frisst nach wie vor den Konzernchefs aus der Hand.

    Passend auch "man beißt nicht die Hand, die einen füttert".

  • JP
    Johannes Petrich

    Es wird Zeit für eine Bewegung der Empörten auch in unserem Land gegen die Banken und die Energiekonzerne. Sie missbrauchen ihre private Macht. Sie sollten enteignet und in staatliches Eigentum überführt werden. Dieses dann verstaatlichte Eigentum muss dann demokratisch gesteuert und kontrolliert werden.

  • A
    Atomat

    Alten Atomkonsens von Rot / Grün wieder in Kraft setzen. Und dann Steuern und Auflagen, Kartellamt, Strombörse.. bis die Balken brechen.

    Förderungen streichen >> Stadtwerke + Konkurrenz fördern, Gewerbesteuern hochdrehen.

    Versicherungspflicht, Asse Kosten, Rücklagen für Atomrückbau anheben, Endlagerfrage sollen die selbst bezahlen, Sicherheitsstandards nach oben, keinen Störfall mehr durchgehen lassen..

     

    und im Grunde einfach so mit den Konzernen umgehen, wie es die Behörden mit dem normalen Bürger tun. Aufschieben, Fristen ausreizen, dumm stellen, Hintertürchen, Gutachten, Zuständigkeitsdschungel... bis denen Hören und Sehen vergeht.

     

    Und wir Bürger wechseln weg von denen am besten zu den Stadtwerken dann bleiben die Gewinne in der Region und werden reinvestiert in erneuerbare und effizientere Kraftwerke vor Ort.

  • S
    Solaxim

    Rechtsunsicherheit wie in den ehemals sozialistischen Ländern ist eine harte Gefahr für unseren Wohlstand. Wie wir seit Marx wissen, ist das Kapital ein scheues Reh, das man schnell vertreiben kann.

    Ein Teil der politisch aktiven "Elite" der BRD konditionierte sich über Jahrzehnte hinweg einen Wutbürger zusammen, der nun Beschäftigung sucht. Sein Zorn gilt vor allem der Realität. Recht spielt für ihn eine untergeordnete Rolle - ihm dürstet nach "Gerechtigkeit" - was immer das auch sein mag. Nach dem Atom und S21 ist vermutlich noch lange nicht Schluss. "Besen, Besen, sei's gewesen" möchte manch einer murmeln. Anderen fehlt die Fantasie, zu Ende zu denken.