Streit über Offshore-Strom: Einigung im Grenzkonflikt in Sicht
Der neue Offshore-Windpark Riffgat steht zum Teil in einem Gebiet, das sowohl Deutschland als auch die Niederlande beanspruchen. Niedersachsen hat nun einer geplanten Einigung zugestimmt.
Der Offshore-Windpark Riffgat vor der Insel Borkum gilt als erster kommerzieller Windpark Deutschlands in der Nordsee. Doch so einfach ist die Sache nicht: Ein Teil der sechs Quadratkilometer Meer, auf dem die Windräder stehen, wird von den Niederlanden beansprucht. Jetzt stehen beide Nationen kurz vor einer Einigung über das umstrittene Gebiet. Den Weg für eine entsprechende Vereinbarung hat die rot-grüne niedersächsische Landesregierung am Dienstag frei gemacht.
„Der Streit um den genauen Grenzverlauf ist so alt wie die Region“, sagt Michael Lüders, Sprecher der niedersächsischen Staatskanzlei. Gelöst werden musste er, weil die Nationalstaaten ihre Souveränitätsansprüche immer weiter auf die See hinaus ausgedehnt haben und weil sie mit der technischen Entwicklung die See immer vielfältiger nutzen können: nicht mehr nur militärisch oder für die Handelsschifffahrt, sondern eben auch für Energie- und Rohstoff-Gewinnung.
In der Einigung, die die Bundesregierung mit der niederländischen Regierung anstrebt, soll genau das geregelt werden. Wie die niedersächsische Landesregierung mitteilte, stimmte sie den Eckpunkten eines Staatsvertrages zwischen beiden Nationen zu. Demnach würde der Grenzverlauf zwar ungeklärt bleiben, der Windpark aber nach deutschem Recht genehmigt und der Strom dürfte in Deutschland verwertet werden, wie Lüders erläuterte.
Mit dem Eckpunktepapier sei „ein wichtiger Schritt zur Rechts- und Investitionssicherheit für den Windpark Riffgat erreicht worden“, lobte die niedersächsische Europa-Staatssekretärin Birgit Honé (SPD). Lange genug hat es gedauert: Schon 2010 verhandelten die beiden Staaten wegen des geplanten Windparks über die Grenzfrage. Nach deutschem Recht genehmigt wurde das Meereskraftwerk im September 2010.
Die Frage des eigentlichen Grenzverlaufs – zu welchem Staat welches Gebiet gehört – hatten Deutschland und die Niederlande im Jahr 1962 schon einmal verhandelt. Statt der heutigen zwölf Seemeilen (22 Kilometer) erstreckte sich die Hoheitszone drei Seemeilen (fünfeinhalb Kilometer) ins Meer. Im Ems-Dollart-Vertrag einigten sich damals beide Länder darauf, keine Grenze festzulegen, sondern im „Geiste guter Nachbarschaft“ zusammenzuarbeiten.
Mit der Ausarbeitung des Staatsvertrages zu Riffgat können sich die beiden nationalen Regierungen noch Zeit lassen. Zwar hat der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) den Windpark Ende vergangener Woche feierlich eröffnet. Doch Strom produziert er deshalb noch lange nicht. Denn im Oktober 2012 teilte der Übertragungsnetzbetreiber Tennet der Windparkbetreiberin EWE mit, sie könne deren Anlagen nicht rechtzeitig zur Fertigstellung an das Stromnetz an Land anschließen – trotz einer vorangegangenen Zusage.
Das niederländische Staatsunternehmen verwies darauf, dass auf der geplanten Kabeltrasse Munition aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden sei – und zwar mehr als nach den ersten Sondierungen zu erwarten gewesen sei. „Das Problem ist, dass es in diesem Bereich eine starke Strömung gibt, die die Munition versetzt“, sagte eine Tennet-Sprecherin damals der taz.
Die Windparkbetreiberin EWE hat inzwischen von Tennet eine Entschädigung für den verzögerten Netzanschluss verlangt. Denn dass hier Munition liegt, ist seit Langem bekannt. Und solange sich die Bergung hinzieht und an der Stromtrasse gebaut wird, kann der Windpark keinen Strom produzieren, weil dieser nicht abtransportiert werden kann.
Schlimmer noch: Der Windpark verbraucht Strom. Ein Diesel-Generator hält die Überdruck-Kompressoren für die Maschinen-Häuser, die Beleuchtung und die Elektronik in Gang. Außerdem müssen die Windräder immer mal wieder gedreht werden, damit sie nicht kaputtgehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt