Streit mit Verleger Holtzbrinck: Steingart verlässt das „Handelsblatt“
Der Herausgeber und frühere Chefredakteur des „Handelsblatts“ Gabor Steingart geht. Er habe die Geduld des Verlegers oft überstrapaziert, räumt er ein.
In einer Mitteilung spricht die Dvh Medien GmbH von „Differenzen in wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Fragen“ und einer „unterschiedliche Beurteilung journalistischer Standards“ in einem Einzelfall. Eine „andere Form der Zusammenarbeit“ schließen Steingart und die DvH Medien nicht aus.
Steingart hatte in seinem täglichen und meinungsstarken Newsletter „Morning Briefing“ am Mittwochmorgen die Personalpolitik an der Spitze der SPD missbilligt. Unter der Überschrift „Der perfekte Mord“ hatte er geschrieben, Schulz wolle den scheidenden Außenminister Sigmar Gabriel „zur Strecke bringen“, um selbst Außenminister zu werden.
Holtzbrinck hatte den damaligen Chefredakteur Steingart 2013 unter anderem zum Miteigner der „Handelsblatt“-Gruppe gemacht, die zur Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH gehört. Vor allem bei der Gestaltung des „Handelsblatts“ und seiner zunehmend digitalen Ausrichtung hatte der gebürtige Berliner bis zuletzt große Freiheit erhalten und die Zeitung auf die Erfolgsspur gebracht.
„Multitalent“ Steingart
Steingart war Herausgeber, Geschäftsführer und Miteigentümer der Handelsblatt Media Group (Wirtschaftswoche), er hat außerdem mehr als ein halbes Dutzend Bücher geschrieben. Nach „Deutschland – der Abstieg eines Superstars“ 2004 wurde er zum „Wirtschaftsjournalist des Jahres“ gewählt.
Von Holtzbrinck würdigte ihn in der Mitteilung als „Multitalent“. Er habe das Handelsblatt und auch die Gruppe auf großartige Weise weiterentwickelt und erneuert. „Dabei hat sich der preisgekrönte und breit gebildete Publizist als äußerst kreativer und dynamischer Unternehmensstratege gezeigt, als mutiger und charismatischer Führer.“
Steingart lobte, von Holtzbrinck sei „ein wunderbarer Mensch und erfahrener Verleger, dessen Geduld ich über so viele Jahre nicht nur strapaziert, sondern oft genug auch überstrapaziert habe“. Ein „Morning Briefing“ des Handelsblattes wird nach DvH Medien-Angaben weiter wie gewohnt erscheinen. Steingart behält als Eigentümer allerdings sein eigenes „Briefing“, das nach seinen Angaben mittlerweile rund 700.000 Abonnenten zählt.
Der Journalist war 2010 vom Spiegel zu dem Düsseldorfer Blatt gewechselt. Beim Hamburger Nachrichtenmagazin war er bereits mit 32 Jahren Leiter des Wirtschaftsressorts und sechs Jahre später Leiter des Berliner Hauptstadtbüros, außerdem Büroleiter des Spiegel in Washington.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe