Streit in der AfD: „Ohne Lucke keine Chance“
Die Bürgerlichen wählen keine Partei ohne klare Abgrenzung nach rechts, sagt der Politologe Oskar Niedermayer.
taz: Herr Niedermayer, aus der AfD werden täglich neue Querelen bekannt. Jetzt muss auch noch der Bundesparteitag verschoben werden. Wo steht die Partei derzeit?
Oskar Niedermayer: Viel schlimmer kann es aus Sicht der Partei nicht werden. Seit Monaten gibt es inhaltlichen und personellen Streit. Die Wählerunterstützung geht inzwischen deutlich zurück.
Ist es wirklich ein Richtungskampf, oder geht es eher um persönliche Querelen?
Es ist auch ein Richtungskampf, der aber von personellen Animositäten überlagert wird. Wirtschaftlich sind alle mehr oder weniger marktliberal, aber in der Gesellschaftspolitik stehen sich in der AfD gemäßigte Konservative, die auch in der CDU sein könnten, und Rechtskonservative mit unscharfer Abgrenzung zum äußeren rechten Rand gegenüber. Dabei geht es um Themen wie Migration und Asyl, Islam oder Homo-Ehe.
Äußern sich nicht beide Flügel tendenziell islamfeindlich und sind gegen die Homo-Ehe?
Ja, aber in Abstufungen. Wenn Sie sich die Parteibeschlüsse anschauen, dann haben Sie, zum Beispiel bei der Homo-Ehe, zunächst das Plädoyer, dass jeder nach seiner Façon selig werden soll, aber dann kommt, der Staat solle die traditionelle Ehe bevorzugen. Da konnte in der Programmatik kein Konsens gefunden werden.
Das Ganze läuft auf einen Machtkampf zwischen Frauke Petry, die für den rechten Flügel steht, und Bernd Lucke, den Sie einen gemäßigten Konservativen nennen, zu. Nehmen wir mal an, Frau Petry gewinnt diesen Machtkampf. Was passiert dann mit der AfD?
Bernd Lucke hat versucht, seine Bataillone mit der Gründung des „Weckrufs 2015“ hinter sich zu versammeln. In dem Aufruf steckt ja die Drohung, wenn der Parteitag nicht im Sinne Luckes entscheidet, verlässt man kollektiv die Partei. Ob das wirklich passiert, weiß man natürlich nicht. Ich kann mir aber nicht wirklich vorstellen, dass Lucke sich zurückzieht und dem anderen Flügel die Partei überlässt. Einen Kompromiss kann es aber wohl nur geben, wenn Lucke und Petry beide nicht mehr für den Vorstand kandidieren, und das sehe ich nicht.
Oskar Niedermayer, 62, ist Politikwissenschaftler und leitet das Otto-Stammer-Zentrum der Freien Universität Berlin.
Wenn Lucke mit seinen Gefolgsleuten die Partei verlässt, was bleibt dann von der AfD?
Ich glaube, wenn der Vorstand vor dem Parteitag nicht personell und inhaltlich einen halbwegs tragfähigen Kompromiss findet, dann hat die AfD keine Zukunft, egal unter wem. Wenn Lucke und sein Flügel raus sind, bleibt eine Partei, der ich auf Bundesebene keine Chance mehr geben würde, in Sachsen mag das anders aussehen. Aufgrund der deutschen Vergangenheit ist es bei uns noch nie gelungen, eine Partei rechts von der Union zu etablieren, die nicht wirklich eine klare Abgrenzung zum rechten Rand hat. Denn die bürgerlichen Wähler wählen eine solche Partei nicht.
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