Streit der Woche: Regiert Gott in Deutschland mit?
Der Staat treibt die Kirchensteuer ein. Und wenn eine CDU-Ministerin Kreuze in Klassenzimmern verbieten will, löst das einen Glaubenskrieg aus. Leben wir in einer Bundeskirchenrepublik?
Im vergangenen Sommer mieteten Atheisten einen Bus und fuhren damit durch ganz Deutschland. Die Aufschrift: „Es gibt keinen Gott“. Besonders in Süddeutschland meldeten sich erbitterte Gegenstimmen aus der Bevölkerung. „Gott mit dir du Land der Bayern“, so beginnt schließlich die Landeshymne. Und auch die deutsche Verfassung spricht in ihrer Präambel vom „Vertrauen auf Gott“, in dem das Grundgesetz entstanden sei.
Selbst die neue türkischstämmige Bildungsministerin von Niedersachsen, Aygül Özkan, hat gerade einen Eid auf Gott geschworen. Sie dachte dabei an Allah, den Gott der Muslime. Vorangegangen war ein innerparteilicher Streit über die Frage, ob eine CDU-Ministerin eine Abschaffung von Kruzifixen in Schulen verlangen kann. Obwohl ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 Özkan recht gibt, scheint ihre Position nicht ohne weiteres mehrheitsfähig, schon gar nicht in ihrer Christlich Demokratischen Union.
Der Verfassungsrichter Udo di Fabio beobachtet im säkularen Staat Deutschland eine Renaissance des Religiösen. Er liefert dafür in einem Spiegel-Interview eine einfache Erklärung: Der Islam werde in der deutschen Öffentlichkeit so präsent, dass das „zu Rückfragen nach unserer eigenen kulturellen und religiösen Identität“ führe. Diese Identität erscheint vielen christlich. Andere verweisen auf das Grundgesetz, das allen Glaubensrichtungen Religionsfreiheit garantiert.
Lesen Sie die Antworten zum Streit der Woche in der aktuellen sonntaz vom 8./9. Mai - erhältlich zusammen mit der taz am Kiosk oder direkt an Ihrem Briefkasten.
Ab dem 12. Mai werden sich zehntausende Christen in München zum ökumenischen Kirchentag treffen. Schon vor sieben Jahren waren 200.000 Gläubige in der Hauptstadt zusammengekommen. Die Steuern, die sie an ihre jeweiligen Kirchen abführen, treibt der Staat ein. Unterschiedliche Politiker und Juristen kritisieren die Verflechtung von staatlichen und religiösen Strukturen, den Einfluss der Kirche auf die Besetzung von Universitätsposten und die staatlichen Zahlungen für Gehälter von Bischöfen und Priestern.
Schon 1974 forderte die FDP in einem Kirchenpapier eine striktere Trennung. Manchen kommt die BRD wie eine Bundeskirchenrepublik vor – obwohl die Zahl der bekennenden Atheisten steigt und viele gerade nach dem Missbrauchsskandal die katholische Kirche verlassen.
Was meinen Sie: Regiert Gott in Deutschland mit?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Doku über deutsche Entertainer-Ikone
Das deutsche Trauma weggelacht
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Proteste gegen LNG-Gipfel in Berlin
Partycrasher am Luxushotel
Nach dem Sturz von Assad in Syrien
Türkei verkündet Erfolg gegen syrische Kurden
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe