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Streit der WocheMuss der Staat uns alles verraten?

Wie geheim ist der Terminkalender von Klaus Wowereit oder das Fahrtenbuch von Ursula von der Leyen? Es gibt Informationen, die Politiker lieber nicht veröffentlicht wissen wollen. Zu Recht?

Geheim oder nicht geheim? Was steht im Fahrtenbuch von Ursula von der Leyen? Bild: dpa

Wie vertraulich sind Daten über Afghanistan-Operationen oder über Geldflüsse zwischen Wirtschaftsunternehmen und Ministerien? Gewisse Informationen wollen Behörden und Politiker lieber nicht veröffentlicht wissen. Seit einigen Jahren haben Bürger zwar mit dem Informationsfreiheitsgesetz eine Handhabe gegen zu viel Geheimniskrämerei, aber die Wirklichkeit sieht anders aus.

Seit 2006 gilt das Informationsfreiheitsgesetz. Danach hat jede Person einen Rechtsanspruch auf den Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Ähnliche Regelungen gibt es auch auf Länderebene. Der Nachweis eines besonderen Interesses ist nicht notwendig, es gilt: Was amtlich ist, ist auch von öffentlichem Interesse. Wenn da nicht die vielen Ausnahmen und Barrieren wären. Das Einholen von Informationen kostet zum Teil mehrere hundert Euro, nicht selten werden Anfragen mit Hinweis auf Verwaltungsaufwand, Urheberrecht, Sicherheitsbedenken oder Privatsphäre verzögert oder abgelehnt. Nächste Woche zieht wieder ein Antragsteller vor Gericht, um die Offenlegung der Kosten für das Grillfest von George W. Bush und Angela Merkel im Jahr 2006 zu erstreiten.

Trotz dieser Barrieren wurden in der Vergangenheit auch Stimmen laut, denen das letzte von der rot-grünen Regierung durchgesetzte Gesetz zu weit geht. So wollte etwa der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer 2008 – inmitten der Wirtschaftskrise - erwirken, dass die Daten der Bankenaufsicht vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen werden. Das Vorhaben scheiterte am Koalitionspartner SPD.

Bild: taz

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Anderen gehen die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes nicht weit genug, mehr Transparenz führt aus ihrer Sicht zu einer stärkeren Demokratisierung der Gesellschaft. So könnten doch alle amtlichen Informationen automatisch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Nach diesem Prinzip handelt auch die Datenplattform Wikileaks und wirft – etwa mit der Veröffentlichung geheimer Afghanistan-Dokumente – gleichzeitig die Frage auf: Gibt es staatliche Geheimnisse, die die Öffentlichkeit nichts angehen? Selbst die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte in Bezug auf die zu veröffentlichenden Dokumente, die Namen der Opfer unkenntlich zu machen.

In unserem Streit der Woche laden wir wieder PolitikerInnen, ExpertInnen und LeserInnen zur Diskussion ein. Was meinen Sie: Muss der Staat uns alles verraten?

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18 Kommentare

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  • A
    alfredo

    Die partielle Offenlegung von Information gibt die Möglichkeit zur Manipulation:

    Kohls Stasi-Akte wäre sicher interessant gewesen.

     

    Im Fall der Veröffentlichung des Fahrtenbuchs von der Leyen wäre die "Dienstwagenaffäre" der damaligen Gesundheitsministerin wohl schnell beendet gewesen: Die jetzige Arbeitsministerin verursachte Leerfahrten ihres Chauffeurs von 28.000 km allein 2008, wie eine Zeitung damals zum Vergleich anmerkte.

  • N
    Nordwind

    Grundsätzlich muß alles was prinzipiell zu Korruption führen kann offengelegt werden. Dies gilt auch für die sogenannte legale Korruption (Drehtüreffekte).

     

    Wahlentscheidungen können eigentlich nur getroffen werden wenn der Wähler weiss welche Interessen der "Volksvertreter" wirklich vertritt.

  • G
    Glocki

    @heikemai:

    Das denke ich aber doch.Politiker ein Beruf wie jeder andere? Na sauber!

    Ich würde lieber mal nachfragen, wie diese Menschen bei ihrem vollen Terminkalender dazu kommen, über wichtige Fragen nachzudenken. Aber das ist ein anderes Thema.

    Ich bin jedenfalls der Meinung, dass ein Politiker für die Zeit seines Mandats absolute Rechenschaft schuldig ist.

  • H
    heikemai

    Bei der Frage, ob man Politikerinnen ins Handtäschchen schauen darf oder Staatsangestellten in die Hosentasche, sollte man nicht vergessen, dass es sich hier um Menschen handelt. Auch sie benötigen Privatsphäre, so wie jeder von uns.

    Kontrolle ist notwendig, keine Frage! Gerade auch deshalb weil sie Menschen sind, so wie jeder von uns. Menschen machen Fehler.

    Zu erwarten, dass wir es mit Staatsdienern rund um die Uhr zu tun haben, ist großer Käse. Die Leute üben einen Beruf aus. Alles, was in Zusammenhang mit ihrem Job steht, gehört offen gelegt. Der Rest ist Privatsache! Auch wenn uns das nicht gefällt. Der Gedanke, dass jemand mit Haut und Haar in der Politik unterwegs ist, ist unrealistisch.

  • G
    Glocki

    Das Argument, dass der Politiker ein Privatleben habe, ist unsinnig. Denn der Politiker arbeitet rund um die Uhr im Auftrag des Volkes. Führt er Gespräche hinter verschlossenen Türen, dann tut er das im Auftrag des Volkes. Tritt er im Bierzelt auf, dann tut er das im Auftrag des Volkes. Geht er mit einem Kollegen von der Opposition in die Kantine zum Mittagessen, dann tut er das im Auftrag des Volkes.

    Dabei spielen nicht nur Rahmendaten, sondern vor allem Inhalte eine Rolle.

    Und wer sagt, dass dies einem Menschen nicht zugemutet werden dürfe, der möge dabei beachten, dass Politiker sich dafür entschieden haben, für das Volk zu arbeiten. Und im Gegensatz zur Privatperson haben sie eine absolute Rechenschaftspflicht. Oder haben die etwas zu verbergen? Und wenn sie was zu verbergen haben, sind sie dann Terroristen, Herr Schäuble?

     

    Die mystischen Bilderberger wären da mal ganz interessant, oder?

  • O
    Oliver

    @ Euronmeyer:

    Kein Mandatsträger wird "gleiches Recht für alle" fordern. Und wenn doch, gut so. Immunität, ein eigenes Büro, ein Dienstwagen... all das von Steuergeldern finanziert, da wird wohl jeder Deutsche "gleiches Recht für alle" gerne in kauf nehmen.

     

    Ansonsten, wer Abgeordneter wird macht sich selber zu einer Person öffentlichen Interesses. Politiker haben ja auch nix dagegen wenn Bilder von ihnen abgedruckt werden. Ich weiß inziwschen allein aus den von Merkel inszenierten Fotos sehr genau wann sie wo wie beschützt in den Reichstag geht. Als Terrorist ist es mir da erstmal egal ob Ihr Dienstwagen 55000 oder 62000 km im Jahr fährt, als Bundesbürger, Wähler und derjenige, der den Dienstwagen finanziert, nicht.

     

    Terrorismus ist doch inzwischen Universalschuldig. Wieviele Deutsche sind durch Terrorismus umgekommen, seit sich die RAF ausgelößt hat? Wieviel Politiker? Und wieviel Politiker sind ersthaft gefärdet, weil sie ihre Bezüge offen legen müssen?

     

    Das einzige, was die Politische Elite durch ihr handeln ernsthaft gefährdet ist ihre eigene Legitimation. Aber so lange es immer noch Bürger in diesem Land gibt, die ihre eigene Überwachung mit "Ich habe doch nichts zu verbergen" kommentieren, oder andere, die sagen "Die Politiker brauchen auch ein Privatleben" wird sich an diesem Zustand nichts ändern. Wieso auch, selbst für solch eine Selbstversändlichkeit findet sich keine Mehrheit in der Bevölkerung.

  • P
    Peter

    Ich hätte gerne eine Website auf der die staatlichen Ausgaben explizit gelistet werden. Da gibts dann links oben eine Suchmaske und jeder kann sich mal ankucken was was kostet. Den einen interessiert dann was einen Panzer nach Afghanistan schicken kostet, den anderen was die dreistellige S-Klassenzahl für die Herrscherklasse im Monat an leasing kostet. Da ein Politiker eine öffentliche Person ist finde ich sollte auch sein Gehalt dort abrufbar sein.

     

    Mich persönlich würde der Radiergummiverbrauch im Kanzleramt interessieren.

  • I
    ianbellyn

    Unser Staat nennt sich BRD, abgekürzt für BUNDES REPUBLIK DEUTSCHLAND.

    Allzu sicher bin ich mir nicht, wie man heute eine Rebulik definiert, was muss erfüllt sein, um sich eine Rupublik nennen zu dürfen? Gibt es überhaupt ein internationales Organ, das sich damit befasst, ob eine Republik sich zu Recht Republik nennt?

    Keine Ahnung!

     

    Aber eines weiß ich genau: Republik kommt von lateinisch: res publica und ist eine römische Erfindung einer Staatsform, in der jegliches staatliches Handeln bedingungslos offen liegt und öffentlich verhandelt wird!!!

  • D
    deduk

    Ich würde es schon als Verbesserung empfinden, wenn

    Gastronomiebetriebe bundesweit mit einem negativen

    oder positiven Smiley gekennzeichnet würden.

     

    Forderungen zur weitestgehenden Transparenz in Staat und Industrie halte ich auf absehbare Zeit für utopisch. Leider.

  • A
    Amos

    Privatangelegenheiten sind eigene Angelegenheiten. Politische Angeleigenheiten sind demokratische Angelegenheiten-, also Volksangelegenheiten. Aber hier glaubt man ja langsam, dass gewählt sein auch Narrenfreiheit bedeutet. Man wählt, was man haben will, bekommt aber danach etwas ganz anderes.

  • K
    Konstantin

    Demokratie ist greichisch und bedeutet "Herrschaft des Volkes", deshalb sollten all diejenigen, die meinen sie könnten uns, dem Volk, etwas verschweigen einmal einen Blick ins Grundgesetz werfen indem steht, dass "alle Macht vom Volke ausgeht".

    Warum also das Volk entmächtigen und der Meinung sein ihm etwas vorbehalten zu müssen?

    Man ist ja schließlich auch von ihm legitimiert.

  • E
    Euromeyer

    Auch Politiker sind Menschen und haben ein Recht auf Privatsphäre. Das Argument, dass Politiker Angestellte der Wähler sind ist durchaus bedenkenswert- mein Chef hat auch kein Recht zu wissen mit wem ich mich wann treffe und was ich privat mache. Solange Infos von öffentlichem Interesse sind-o.k., Voyeurismus ist aber illegitim. Bedenkt vorallem,was auf UNS zukommt, wenn der gläserne, zu Allem auskunftspflichtige und lückenlosüberwachte Mandatsträger `gleiches Recht für alle` fordert!!!

  • MN
    Mein Name

    ich dachte Demokratie heißt dass das Volk Herrscht, dann sollte das Volk auch wissen was ihre Vertreter in ihrem Namen so alles anstellen.

    @Müller bei den Drecksnazis kann man eine Ausnahme machen

  • V
    vic

    Alles was der Staat mit unserem Geld anstellt muss er uns verraten, ja.

    Privates will ich nicht wissen - man verschone mich bitte damit.

  • V
    vic

    Einen Moment bitte.

    Daten über Afghanistan-Operationen, Atomkraftstrategien oder über Geldflüsse zwischen Wirtschaftsunternehmen und Ministerien,

    sind mit Terminplaner oder Fahrtenbuch wohl nicht ernsthaft zu vergleichen.

    Obige Daten möchte ich wissen, die Bücher sind mir egal.

  • M
    Müller

    Also wenn ich Art.133 GG lese steht da nichts von einem Staat sondern etwas von einer WIRTSCHAFTSVEREINIGUNG.Wenn ich dann noch weiß,daß es die BRD Finanzagentur GmbH gibt bin ich geneigt zu sagen:die BRD ist ein privates Unternehmen und muß somit nichts offen legen(Betriebsgeheimnis).

    Da man aber gern sich mit den Worten "Staat"und "Demokratie" schmückt ist es verdammt noch mal die PFLICHT der Internetausdrucker und politischen Betonköpfe über jeden einzelnen Cent des eingetrieben Steuergeldes Rechenschaft abzulegen.WIR,das VOLK, bezahlen diese sogenannten "Volksvertreter"also bitteschön alles offenlegen.

  • UM
    Uli Moll

    Alles veröffentlichen?

    Sicher sinnvoll: Für die Leute, die sich brennend dafür interessieren, wie gewisse Objekte und Veranstaltungen geschützt werden ein echter Beitrag. Warum nicht gar der NPD vor einem Hausbesuch des Staatsschutzes ein Kärtchen schreiben? "Liebe Faschisten, morgen schaun mer mal vorbei, ob wir Hinweise auf was illegales bei euch fuinden"

     

    Ach, so war das nicht gemeint? SOWAS natürlich nicht? Nicht den Nazis?

    Und nicht den Kinderschändern, den Verbrechern und teroristen

     

    Klar doch, verstanden: Erst denken, bitte

    Und das allen offenlegen

  • L
    Lars

    Sie nehmen öffentliche Ämter war, also muss auch von der Öffentlichkeit einsehbar sein, was Sie tun. Streng genommen sogar jeder wahrgenomme oder angefragte Termin. Es ist heutzutage leider nicht möglich, exakt nachzuvollziehen, welcher Politiker sich mit welchen Lobbyisten trifft. Gerade im Fall Wolfgang Bosbach wäre das mal sehr aufschlussreich.

    Ich finde, da ist maximale Transparenz angesagt!