Streit der Woche: Braucht Kultur Industrie?
Musik und Literatur werden meist noch in professionellen Strukturen produziert. Wäre freie Selbstvermarktung besser? Oder sorgen nur Labels und Verlage für notwendige Sicherheit?
![](https://taz.de/picture/298966/14/dsds.20100831-15.jpg)
Am Montag beginnt die Berlin Music Week. Erstmals trifft sich die Musikszene auf der Konferenz alltogethernow und die Industrie auf der wiederbelebten Musikmesse Popkomm zum Tagen und Feiern. Gemeinsam wollen sie Überlebensstrategien der Branche diskutieren.
Das ist notwendig. Denn die vergangenen Jahre haben die Musikindustrie stark verändert. Mit physikalischen Tonträgern lässt sich kaum mehr Geld verdienen, den Sprung ins Internetzeitalter haben viele Labels noch nicht vollzogen. Unterdessen werden immer Künstler durch Plattformen wie Myspace oder Youtube bekannt – bevor sie von großen Labels entdeckt werden.
Andere Bands wie Angelika Express oder die Einstürzende Neubauten testen neue Wege der Veröffentlichung. Über Crowd-Funding sammelten sie Geld, um ihre Platten im Alleingang herauszubringen. Die britische Band Radiohead veröffentlichte ihr Album „In Rainbows“ 2007 ausschließlich im Netz.
Fans konnten dabei den Preis für den Download selbst bestimmen – weit über eine Millionen Fans kauften die Platte. Zufrieden mit den Erlösen war die Band im Nachhinein dennoch nicht.
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Die Diskussion um Selbst- und Fremdbestimmung der Künstler und um kreative Prozesse im Abhängigkeitsverhältnis zur Industrie hat sich auch auf andere Kulturbereiche ausgeweitet. Bereits vor zehn Jahren stellt der US-Autor Stephen King seine Kurzgeschichte „Riding the Bullet“ exklusiv zum Download ins Netz – und erreichte damit mehr als 700.000 Leser.
Auch Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek übte sich als Eigenverlegerin: Sie veröffentlichte ihren „Privatroman“ mit dem Titel „Neid“ seit 2007 kapitelweise auf ihrer Homepage.
Aus Sicht der Kreativen spricht für die Veröffentlichung im Alleingang vor allem die künstlerische Unabhängigkeit. Kein Verlag, der über Erscheinungszeitpunkt oder Covergestaltung bestimmt.
Auch finanziell kann die unabhängige Veröffentlichung lohnen: Statt den sonst üblichen 10 Prozent pro verkauftem Buch landen beim Selbstverlag – je nach Plattform der Veröffentlichung – 40 bis 100 Prozent beim Autoren. MusikerInnen können sich ohne Abhängigkeitsverhältnis von Großlabels kreativ austoben, bekommen keine Vorgaben zum gewünschten Image oder zur Ausrichtung des Musikstil, müssen sich keinen Knebelverträgen unterwerfen oder ungewollte Imagekampagnen ertragen.
Auf der anderen Seite bieten Verlage und Labels KünstlerInnen Sicherheit. Statt auf Marketing und Organisation können sie sich auf kreative Arbeit konzentrieren. Bücher in Eigenregie veröffentlichen ist weiter nur Randerscheinung im Literaturbetrieb, wirtschaftlich kaum rentabel.
Auch die Bands und MusikerInnen, die ihre Platten unabhängig von Labels rausbringen tun dies oft aus purer Verzweiflung und Alternativlosigkeit heraus, weniger aus Überzeugung.
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