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Streit der WocheBringt arabischer Frühling Demokratie?

Auf die Proteste in der arabischen Welt könnte Freiheit folgen. Doch das ist nach einem Umsturz keineswegs selbstverständlich. Neue Unterdrückung ist möglich.

Noch ist unklar, was auf die Euphorie der Proteste in der arabischen Welt folgt. Bild: dapd

Nach der Jasmin-Revolution verlassen immer mehr Flüchtlinge Tunesien. Sie kehren ihrer Heimat den Rücken, anstatt für Demokratie zu kämpfen. Die Proteste in Ägypten und Tunesien haben sich unterdessen auf weitere Länder ausgeweitet. In Bahrain gab es bei Zusammenstößen einen Toten und Verletzte, in Jemen dauern die Demonstrationen gegen die Führung seit fünf Tagen an. Auch im Iran zogen Regierungsgegner auf den Platz der Freiheit los.

Die Länder der muslimischen Welt stehen nun vor einer historischen Chance: Sie könnten die Menschenrechtsverletzungen beenden, die Lage der Frauen, der Schwulen und Lesben verbessern. Sie könnten Demokratien aufbauen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat am Freitag bei seinem ersten Auftritt vor dem UN-Weltsicherheitsrat die arabische Welt zu mehr Demokratie ermahnt. Er warnte das Regime in Algerien vor weiterer Gewaltanwendung.

Vor ein paar Monaten hätte sein Statement wohl noch ganz anders ausgesehen. Denn bislang hatte der Westen wenig Interesse daran, etwas an den stabilen Verhältnissen in den arabischen Diktaturen zu ändern. Tausende politische Gefangene saßen allein in Ägypten im Gefängnis – und der Westen schaute zu.

Dass auf einen Umsturz Demokratie folgt, ist keineswegs selbstverständlich. In Ägypten hat erst einmal das Militär die Macht übernommen. Es besitzt Ländereien, Betriebe, Kapital. Es wird sich zeigen, ob die Generäle das Versprechen für freie Wahlen einlösen, tiefgreifende demokratische Reformen zulassen – und damit ihre eigene Macht schwächen würden.

Bisher einte die Protestierenden die Wut auf die alten Herrscher. Jetzt müssen sie gemeinsam entscheiden, in welchen Systemen sie leben wollen.

Bild: taz

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8 Kommentare

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  • J
    J.B.

    Sofern die Leute im Spott wählen ist dieses so eine Sache mit der Demokratie. "seit ihr doof" in Deutschland. "Computer sind doof "CDU "dick und Doof"SPD etc. Grüne mit "zu doof" etc.

    Arabische Länder haben kein Fundament im Glauben und wir werden immer mehr zu Perversen weil wir es auch nicht mehr haben.

    Ich bin sogar mehr für einen König. Die gemachten "demokraten" müssen sich immer wieder in ihrer Amtsperiode mit Leuten abgeben, die sie zum Narren machen bis sie diese rausgeschmissen haben weil man sich mit ihnen nicht ernsthaft unterhalten kann und dann anfangen könnten was zu tun, ist ihre Amtperisode schon zu Ende. Ich würde diese einfach niemals wählen die diese machen. Alternativen haben wir nie es gibt nur ein und die gleichen Gemachten.

    Mit Königen halt auch immer so eine Sache dienen wir hier dem Glauben und dem der den Weg gegangen ist.

    Wenn der Sinn nur darin besteht Herrschende nutzbar zu machen indem man sie zum Narren macht so wird dieses wohl nichts. Narren machen ist schon nicht mehr sondern Perversion.

    Vielleicht sollte man über ein Ober- und Unterhaus diskutieren. Wir im Westen machen doch nur Sachen wo ein Kapitalist dastehen müsste und sagen ich muss ihnen ihr Geld wegnehmen dieses gehört von nun an zu "Toten Kapital" (Entertainment, Company so und so). Nur alle passen sie ja so auf ihre Schweinereinen auf.

    Zum wiederholsten Mal gebe ich diese Meinung ab.

    Als ich ein kleines Kind war habe ich sogar mal an Volksabstimmung geglaubt.

    Und mit diesen Kindern im heute von Eltern die durch perverse Spiele profitiert haben werden wir wohl komplett verrückt und aus den anderen Kindern ist einfach nichts geworden.

  • H
    hto

    Viel wahrscheinlicher aber ist, daß der Faschismus seinen nächsten Frühling bekommt, weil die Profitler der "Demokratie" auch weiterhin in "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" das "gesunde" Konkurrenzdenken im "freiheitlichen" Wettbewerb ausleben wollen, bis zum bitteren Ende, im geistigen Stillstand und ohne wahrhaftige Vernunft zu wagen!?

  • DP
    Dr. plag. zu Guttentag

    Ist der Westen denn wirklich ein erstrebenswertes Vorbild? Wenn ich mir anschaue, was in diesem Land alles passiert, frage ich mich, ob es wirklich das ist, was der Nahe Osten will.

    Wichtiger ist, daß durch Volksbewegungen Diktaturen beendet wurden. Dafür gebührt den Demonstranten jeder Respekt! Das ist eine großartige Geschichte, die in dieser Form auch noch nicht vorkam. Ob die Zukunft eine "lupenreine Demokratie" bringt? Wer weiß. Ist unsere eine?

  • A
    André

    Gesellschaften, die auf autoritären tribalistischen und semi-feudalen Verhältnissen fußen, transformieren sich nicht durch eine Reihe von Protesten. Dazu ist weitaus mehr erforderlich, aber wenigstens ist ein erster Schritt getan. Sollten aber die Übergangsherrscher sich zu Dauerherrschern wandeln, kommt nur eine andere Art von Stillstand zu Vorschein. Wirtschaftliche Reformen würden sogar kurzfristig zu einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse führen - und neue Proteste auslösen, denn in vielen arabischen Ländern werden die Menschen mit billigen Bohnen und Brot gekauft.

  • H
    hto

    Jetzt könnte es passieren, daß der Dreck der Diktatur des Kapitals überkocht, so daß "Demokratie" und Globalisierung der Blödheit endgültig beendet wird und wahrhaftige Demokratie wirklich wird!?

  • MB
    Markus Brandt

    Die Lage der Homosexuellen wird sich ändern, das ist klar. Nur glaube ich nicht, dass sie sich zum Guten ändern wird. Es wird auch weniger politische Häftlinge geben, da diese vieleicht bald schon ganz unbürokratisch gesteinigt, enthauptet oder aufgehängt werden.

    Man kann mir ja Pessimismus vorwerfen, aber schaut Euch doch die Militärs an die jetzt die Macht haben. Mubarak war auch aus dem Militär und Nasser natürlich auch. Die tauschen doch nur den Kopf des Drachen aus. Seit wann geben solche Menschen oder Gruppen Macht freiwillig ab? Die besitzen dort alles. Alles.

     

    Wir brauchen jetzt keine Blankoschecks und keine Worthülsen. Die Äghypter müssen selbst kämpfen für ihre Demokratie. Was können wir schon tun? Einmarschieren, wei bei Saddam? Es ist eben schwierig wenn die gesamte Gesellschaft die Korruption so tief verinnerlicht hat wie in der arabischen welt. Wie soll man das von heute auf morgen ändern? Klar, die Jugend will Arbeit und Perspektive. Aber sie weiss nicht was das ist und woher das kommt. Man braucht Freiheit, Rechtstaatlichkeit, Demokratie und eine Grundehrlichkeit bei einer kritischen Masse von Bürgern. Dann kann ein Staat gedeihen und dann gibt es auch die Hoffnung auf Arbeitsplätze. Bei dieser Demographie (wieviele arbeitslose 20jährige kommen auf einen 50jährigen???) und dieser Mentalität wird es aber glaube ich schwierig. Ich lasse mich extrem gerne vom Gegenteil überzeugen. Aber jubeln kann ich noch nicht.

  • E
    end.the.occupation.105

    Der Autor hat offenbar nicht mitbekommen, dass es in Ägypten nicht um die Lieblingsfragen des taz-Bourgeois geht - um Frauenrechte, Schwule und Lesben - sondern um - Horror - soziale Fragen: um Arbeitslosigkeit, bezahlbaren Wohnraum, Zugang zu Gesundheitsversorgung, Alterssicherung und Bildung.

     

    Dem stehen in den arabischen Ländern genau dieselben Klassen im Wege, wie in Europa - nur das der Ist-Zustand in Nordafrika noch weitaus fataler ist.

     

    Warum aber sollten Westerwelle und Merkel ausgerechnet in Ägypten daran mitwirken einen Sozial- und Rechtstaat aufzubauen, den sie hier nach allen Regeln der Kunst unterminieren?

     

    Wo ist denn überhaupt die Berichtertattung der taz über die hunderte von Millionen von Euro, welche die EU und Deutschland der Mubarak-Diktatur in die Taschen gestopft haben?

     

    Wenn sich die Ägypter aus den Klauen der Kleptokratie und der Compradoren-Ökonmomie befreien, dann ganz sicher gegen den Westen und gegen die taz.

    Was Ägypten dazu braucht ist eine Art Chavez.

    Wie die taz zur sozialen Befreiung steht, dass kann man der Venezuela-Berichterstattung sehr leicht erkennen: feindlich.

  • T
    T.V.

    Da stellen sich mir spontan einige(mehr oder weniger rhetorische) Gegenfragen:

     

    Ist Demokratie das Gegenteil von Unterdrückung?

    Sind "freie Wahlen" "mehr Demokratie"?

    Ist es von Vorteil wenn sich arabische Länder dem "Westen" anpassen?

    Sind muslimische Republiken zu mehr oder weniger Menschenrechtsverletzungen fähig als westliche?

    Sind die "westlichen" Staaten größtenteils christliche Republiken?

    Schwächen demokratische Reformen eine Militärherrschaft?

     

     

    Aber um die Frage zu beantworten: Die Frage stellt sich mir weniger, denn wie der Autor schon sagt: "Jetzt müssen sie gemeinsam entscheiden, in welchen Systemen sie leben wollen."

    Demokratie ist da kein Zauberwort, was ein Westerwelle im Wort führen muß und schon wendet sich alles zum Besten. Es gibt auch sicherlich mehr Alternativen als Militärherrschaft oder Diktatur. Die "Araber" haben genug positive Zukunftsvisionen bekommen in den letzten Wochen, denke ich, um daraus einen für sie passenden Staat zu entwickeln, solange sie sich nur nicht zu sehr beeinflussen lassen.

     

    Schön zu sehen, daß Tunesier und Ägypter die Chance bekommen haben, die Afghanen und Irakern nie gegönnt war.