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Streit der WocheKann Tourismus die Welt verbessern?

Tunesien und Ägypten hoffen, dass Urlauber ihre Wirtschaft rasch wieder anschieben. Andererseits ist Massentourismus ein Klimakiller und nicht jede Reise dient der Völkerverständigung.

Gerade jetzt nach Tunesien? Bild: dpa

BERLIN taz | Ab nächstem Mittwoch will die Tourismusmesse ITB Berlin wieder zum "perfekten Urlaub" inspirieren. Doch welcher Urlaub ist eigentlich perfekt? Reichen Spaß und gutes Wetter oder kann man im Urlaub andere Völker verstehen und sogar die Welt verbessern? Kann Tourismus das überhaupt?

Ohne Frage ist es nicht per se verwerflich, ein Tourist zu sein: Wer sich mit einer Studienreise beispielsweise auf die Spuren nahöstlicher Literaten begibt, im Straßencafé stilecht einen Minztee genießt und sich später im Nachtclub unter die Leute mischt, hat hinterher vielleicht etwas verstanden von einer anderen Kultur - möglicherweise sogar eine Kontaktadresse im Gepäck.

Vorteile auf beiden Seiten abbauen und dann noch den Mittelstand im Urlaubsland fördern – das bieten Veranstalter von Alternativreisen. Aber werden nicht auch durch Studienreisen mit straffem Programm Trugbilder bestätigt? Und schadet nicht eine Bildungsreise, die mit einem Flug beginnt, dem Klima?

Ganz anders die traurige Lage auf den ausgelatschten Pfaden des Massentourismus in Europa: In Venedig weiß man schon lange nicht mehr, wohin mit den Tausenden Besuchern, die täglich in die Stadt kommen. Sie verstopfen die Straßen und treiben die Immobilienpreise derart in die Höhe, dass den Venezianern oftmals nur die Flucht bleibt. So wird die Stadt von ihren ausländischen Verehrern geradewegs zu Tode geliebt.

Bild: taz

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Rührend hingegen ist ein Foto, das während der Proteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo entstanden ist: "Dear Tourists, don't leave. We’ll protect you", stand auf einem selbstgeschriebenen Plakat, das ein Junge in die Kamera hielt: "Liebe Touristen, geht nicht weg. Wir werden euch beschützen". Ein solches Versprechen mag naiv sein; dennoch war dies ein klares Statement inmitten der Reisewarnungen, die zur selben Zeit überall auf der Welt ausgesprochen wurden.

Auch Tunesien wünscht sich, dass die leeren Ferienanlagen wieder genutzt werden – denn der Tourismus zählt dort zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen, ohne ihn ginge es dem Land schlechter.

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13 Kommentare

 / 
  • SC
    Sönke C. Weiss

    Auf Sri Lanka habe ich 2003/2004 Touristen am Strand in der Sonne liegen sehen, als wenige Kilometer von ihnen noch Leichen angeschwemmt wurden. In Kenia, Anfang 2008, warteten in Nairobi ungeduldige Touristen auf ihre Weiterflüge ans Meer, als sich im Zuge der Wahlen die Volksgruppen umbrachten. In Uganda bin ich immer wieder Touristen begegnet, die auf Safari gingen, obwohl im Norden des Landes die Widerstandsarmee des Herrn Zivilisten abschlachteten und Kinder zu Mordwerkzeugen machten. Um nur drei Beispiele zu nennen. Man muss sich die Frage stellen, wer bekommt das Geld aus dem Tourismus? Es sind die Hotels, die zumeist in ausländischer Hand sind und die ihre Einnahmen auf ausländische Konten schaffen. Es sind die Regierungen, die Steuereinnahmen aus dem Tourismus in ihre eigene Tasche wirtschaften und gemeinsam mit veruntreuten Entwicklungsgeldern wiederum auf ausländischen Konten parken. Die Menschen aber, nein, sie erhalten einen Hungerlohn, für die in Deutschland nicht einmal ein Schüler einen Finger rühren würde. Wahre Kontakte zwischen Touristen und Einheimischen gibt es kaum. Wie auch? Dafür sind die wirtschaftlichen Gräben zu tief. Man begegnet sich nicht auf Augenhöhe. Ergo, nein, Tourismus baut keine Brücken. Wer das behauptet, der ist naiv.

  • UL
    Ute Linsbauer

    Kann Tourismus die Welt verbessern?

     

    JA! Tourismus kann zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Und er wird es in immer größerem Ausmaß tun. Denn das Kundeninteresse für umweltfreundliche und sozialverträgliche Reisen ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Schon jeder 5. Urlauber interessiert sich laut aktuellen Umfragen für alternative Reiseangebote. Immer mehr Reisende fragen kritisch nach: Was bleibt, wenn die Touristen weg sind? Wie viel CO2 verursacht meine Reise? Wie werden die Angestellten in den Hotels bezahlt?

     

    Wichtig ist, als Kunde genau hinzuschauen. Welche Veranstalter sind vertrauenswürdig? Welche geben sich nur einen grünen Anstrich? Nachhaltige Reisen sind ökologisch tragbar, wirtschaftlich machbar und sozial fair. Das heißt auch: Nachhaltigkeit umfasst alle Geschäftsbereiche und ist im Kerngeschäft eines Reiseunternehmens fest verankert.

     

    Eine Übersicht über Siegel im Tourismus gibt die Verbraucherinitiative unter http://www.label-online.de/label-datenbank?labelcat=15. Das umfassendste Siegel für Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung im Tourismus ist „CSR Tourism Certified“, das vom forum anders reisen mitentwickelt wurde und von der unabhängigen Organisation TourCert (www.tourcert.org) verliehen wird. Weitere Informationen und eine aktuelle Liste zertifizierter Veranstalter gibt es unter www.forumandersreisen.de. Auf der ITB Berlin werden zusätzliche Veranstalter mit dem Siegel ausgezeichnet werden.

     

    Ute Linsbauer

    forum anders reisen

  • M
    Milena

    Hab letztes Jahr im Ausland gearbeitet und kann nur sagen was mir so aufgefallen ist. Ich hatte das Gefühl, dass der Tourismus und vorallem das viele Geld die Menschen und deren Moral vergiftet und diese geldsüchtig macht. Völkerverständigung war nur in den seltensten Fällen zu beobachten, denn die meisten Menschen schaffen es gar nicht bis hinter die Touristenstände und empfohlenen Touristenlokale um mit den Menschen vor Ort zu reden. Zudem sind die allermeisten schlecht über die Eigenarten und kulturellen Unterschiede informiert und brechen laufend Tabus die oftmals zu erheblichen Vorurteilen innerhalb der Bevölkerung führen.

    Ich denke Tourismus kann gut sein. Doch der heutige Tourismus der nur Klischees bedient und Sehnsüchte und Wünsche erfüllen soll ist meiner Meinung nach extrem schädlich!

    Es kommt also vorallem auf die Einstellung der Menschen an die in ferne Länder reisen, denn wer mit der deutschen Brille vor dem Kopf versucht andere Kulturen und Länder zu verstehen wird sich eh nur in den westlichen Ecken des Ausland wohlfühlen.

  • H
    Hobbykoch

    @FelixH:

    Das sehe ich direkt anders :-)

    Deswegen auch meine einleitende Frage: wie tief muss man gehen um eine Antwort zu finden.

     

    Subventionen und Schutzzölle sorgen dafür, dass unsere Produkte billiger exportiert werden können als im entsprechenden Importland produziert werden kann.

    Unglaublich dass ein EU-Huhn in Afrika günstiger zu haben ist als ein lokal gezüchtetes. Bauern verlieren ihre Existenzgrundlage und sind darauf angewiesen den Touri zu umgarnen um dann, nach Gutsherrenart, 20ct Trinkgeld abzugreifen.

    Oder der Preisdruck der Kaffee- und Kakaoindustrie. Damit bei Aldi der Kaffee 3,-€ kostet müssen auf dem Weltmarkt die Preise gedrückt werden. Nestle und Co. sorgen schon dafür. Dass dieser Preisdruck nur zu halten ist wenn auf den Plantagen Kinder arbeiten, egal...

    Auch hier ist das Geld der Touris wieder wichtig um das Leben aufzubessern.

    Aber das Geld der Touris ist die Ersparnis von eben diesem Kaffee!

     

    Zugegeben, dass ist nur ein Aspekt des ganzen Systems, aber ein wichtiger.

     

    Das ist kein Plädoyer gegen das Reisen an sich. Gegen den Weltenbummler der auch in die abgelegenen Dörfer kommt.

    Die Frage zielt aber auf "Tourismus", und dann sind wir beim industrialiserten Reisen. Und das verbessert die Welt mitnichten.

  • AB
    anna born

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    vorab, ich weiss, es gibt nicht nur schwarz-weiss, nicht nur EINE seite der münze.

     

    gehen wir -zugegeben einseitig u mal ohne die offensichtlichen wirtschaftlichen u menschlichen nachteile- mit unseren idealen, dann sehen wir doch:

    wir haben die EU geschaffen. wir waren für die globalisierung.

     

    wir haben FREUNDE.

    wir erweitern via facebook, twitter, etc. unseren freundeskreis.

    schon heute überziehen diese netzwerke den ganzen globus.

     

    warum dann nicht auch in persona?

    tourismus hilft, in welcher form auch immer, diese welt u bisher unbekannte kulturen kennenzulernen, besser verstehen zu lernen, sich an fremdes anzunähern.

     

    wie wäre das? die welt ohne feinde, weil alles freunde sind?

  • E
    emil

    beim globalen tourismus gibt es kaum noch was schönzureden von wegen völkerverständigung. dort, wo sich nachfahren von ureinwohnern verkleiden müssen, um den europäern klarzumachen, dass sie immer noch in dieser phantastischen welt leben, in der wir sie im kopf gespeichert haben.

     

    es ist richtig, dass viele länder am tourismus hängen, dass macht diesen leider auch nicht besser.

     

    wenn länder wie deutschland viel mit waffenexport verdienen, finde ich es auch zweifelhaft, anschließend die vollen geldbörsen hierzulande zu loben.

     

    oder kurz gefasst, der zweck heiligt unseren verdienten urlaub NICHT!

  • C
    claudia

    Tourismus kann nur die Welt verbessern, wenn er auf Nachhaltigkeit setzt. Nachhaltigkeit beinhaltet die drei Säulen: Ökonomie, Ökologie und Soziales! Oft scheint es, egal in welchem Wirtschaftszweig, dass es nur noch um die Ökonomie geht! Länder werden von der Wirtschaft und vom Geld abhängig gemacht! usw.

     

    Entscheidend ist, was möchten wir als Verbraucher! Möchten wir andere Kulturen und Länder wirklich kennen lernen oder wollen wir uns nur möglichst billig amüsieren?

     

    Lassen wir uns von unseren echten Bedürfnissen und Gefühlen leiten, oder lassen wir uns von der Werbung vorgaukeln, was wir brauchen und wie wir unseren Urlaub verbringen wollen?

     

    Natürlich lässt sich nicht alles auf den Verbraucher abwälzen. Es ist auch eine Frage der Politik!

     

    Dennoch liegt der Anfang bei jedem Einzelnen, die Welt zu verbessern. Die Entscheidung einen nachhaltigen Urlaub zu machen, ist dazu eine gute Möglichkeit!

  • TT
    Tui Todbald

    Antwort lautet:

     

    Nein.

  • F
    FelixH

    Ich meine JA!

     

    Natürlich ist Tourismus eher schädlich, wenn es darum geht sich in ein abgesperrtes All-inclusive-Hotel zu hocken von dem im Endeffekt vor allem die Reichen im jeweiligen Land und/oder Europäer profitieren.

     

    Aber, das Reisen an und für sich und schon alleine das Konsumieren in einem ärmeren Land hilft. Kaufe ich mir bei einem Straßenhändler etwas, wird er das Geld wahrscheinlich relativ schnell für etwas anderes ausgeben, wovon wieder jemand profitiert.

    Markt halt, wenn das Geld auch wirklich ausgegeben wird.

     

    Natürlich sollte ich dann auch nicht die ganze Zeit CocaCola trinken oder Snickers fressen, aber das wäre ja auch hier schon Mal ein Anfang.

     

    Nette Gespräche, Austausch über das Leben in anderen Ländern und für den einen oder anderen etwas mehr zu Essen. Was soll daran schlecht sein?

     

    @Hobbykoch: die europäischen Schutzzölle sind eine Sauerei und gehören sofort abgeschafft, haben direkt nichts mit der Diskussion zu tun. Die Leute die sich Reisen leisten können, könnten ihr Geld auf jeden Fall deutlich sinnloser und schlechter anlegen. Wie gesagt mit ein paar (selbstauferlegten) Regeln.

  • H
    Hobbykoch

    Gute Frage. Wie tief muss man sinieren um sie zu beantworten?

     

    Das Geld der Menschen mit Reisemöglichkeit verbessert sicher das Leben einiger Leute in den Touristenregionen. Aber ist das Geld dass zum Reisen übrig bleibt nicht indirekt ein Überschuss aus billigem Essen und billiger Kleidung und diese wiederum ein Produkt billiger Löhne in genau diesen Ländern?

    Und führen nicht gerade die billigen Löhne dazu, dass man auf den Tourismus angewiesen ist? Dass keine Industrie aufgebaut werden kann um die Bevölkerung mit Jobs zu versorgen?

     

    Darf man in Konsequenz dann fragen, ob EU-Subventionen, die dazu führen dass Milch und Huhn in diesen Ländern billiger importiert als produziert werden können, ausschließlich dafür gezahlt werden, um den Bürgern das Reisen zu ermöglichen?

    Ist dies das neue "Brot und Spiele" der EU-Mächtigen?

    Und gibt es genau deswegen bei uns keine Massendemos die die Eliten zum Teufel jagen?

     

    Der Valentinstag mag eine Erfindung der Floristen sein - ist der Tourismus dann eine Erfindung eines sinnentlehrten säkulären Europas?

     

    Ich weiß es nicht.

     

    Um auf die Frage zurück zu kommen: nein.

  • H
    Hobbykoch

    Gute Frage. Wie tief muss man sinieren um sie zu beantworten?

     

    Das Geld der Menschen mit Reisemöglichkeit verbessert sicher das Leben einiger Leute in den Touristenregionen. Aber ist das Geld dass zum Reisen übrig bleibt nicht indirekt ein Überschuss aus billigem Essen und billiger Kleidung und diese wiederum ein Produkt billiger Löhne in genau diesen Ländern?

    Und führen nicht gerade die billigen Löhne dazu, dass man auf den Tourismus angewiesen ist? Dass keine Industrie aufgebaut werden kann um die Bevölkerung mit Jobs zu versorgen?

     

    Darf man in Konsequenz dann fragen, ob EU-Subventionen, die dazu führen dass Milch und Huhn in diesen Ländern billiger importiert als produziert werden können, ausschließlich dafür gezahlt werden, um den Bürgern das Reisen zu ermöglichen?

    Ist dies das neue "Brot und Spiele" der EU-Mächtigen?

    Und gibt es genau deswegen bei uns keine Massendemos die die Eliten zum Teufel jagen?

     

    Der Valentinstag mag eine Erfindung der Floristen sein - ist der Tourismus dann eine Erfindung eines sinnentlehrten säkulären Europas?

     

    Ich weiß es nicht.

     

    Um auf die Frage zurück zu kommen: nein.

  • CA
    Christian Alexander Tietgen

    Tourismus ist wertneutral, nicht gut.

  • T
    Tourismus

    Schlicht und einfach: NEIN