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Streit der WocheNur Genies schreiben den "Dr." selbst

Die meisten Dissertationen sind keine Wissenschaft, meint Kabarettist Schneyder. Ein Bayreuther Forschungskontrolleur verteidigt den Wert des Doktors.

Schrieb seine Doktorarbeit selbst. Thema der Arbeit von 1905: "Eine neue Bestimmung der Moleküldimensionen". Bild: a

BERLIN taz | Der Kabarettist Werner Schneyder stellt den Wert von Dissertationen für die Wissenschaft in Frage. "99 von 100 Dissertationen haben damit nichts zu tun, da auf dem jeweiligen Gebiet schon alles x-fach gedacht und formuliert wurde", schreibt er in einem Beitrag für den Streit der Woche der sonntaz. Folglich müsse jeder abschreiben, der sich unter der Genieebene herum quäle. "Das geht intelligent oder wie im Fall Guttenberg fahrlässig blöde." Schneyder selbst benötigte nach eigenen Angaben für seine Disseration 14 Tage.

Diethelm Klippel hingegen sieht den Doktortitel auch angesichts neuer Plagiatsfälle weiter unbeschädigt. Er ist Ombudsmann für Selbstkontrolle der Wissenschaft an der Universität Bayreuth, die Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Doktor aberkannt hatte. Klippel schreibt in der sonntaz, der Doktortitel werde auch künftig Nachweis einer besonderen Qualifikation sein: "Er war immer etwas wert, ist etwas wert und wird immer etwas wert sein."

Tobias Bundes Fazit fällt anders aus: "Kein Wunder, wenn der Ruf der Wissenschaft leidet und Doktoranden unter Verdacht stehen." Bunde promoviert selbst und war Autor des Offenen Briefes an Angela Merkel, den 35.000 Unterschriften Doktoranden unterzeichneten. Die Kanzlerin habe ihn enttäuscht, weil sie in seinen Augen bis heute dazu steht, mit Guttenberg ja keinen wissenschaftlichen Assistenten eingestellt zu haben. Auch die Rolle der wissenschaftlichen Institutionen betrachtet er kritisch: "Trotz eindeutiger Belege protestierten Wissenschaftsinstitutionen anfangs zögerlich." Bunde regt eine Grundsatzdiskussion an: "Brauchen wir so viele Dissertationen, bei denen es weniger um wissenschaftliche Erkenntnis als um zwei Buchstaben auf der Visitenkarte geht?"

Die SPD-Politikerin Christine Lambrecht wählte einen anderen Weg als zu Guttenberg: "Ich bin bis heute keine Frau Dr. und kann damit leben. Andere junge Bundestagsabgeordnete und junge Familienväter hätten wohl besser die gleiche Entscheidung getroffen", schreibt sie. Lambrecht stand vor der Promotion – doch sie verzichtete, um ihr Bundestagsmandat, ihre Anwaltskanzlei und den neugeborenen Sohn nicht zu vernachlässigen. Eine Dissertation solle nur schreiben, "wer ein solches Werk eigenständig und in aller Sorgfalt anfertigen kann".

taz

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Im Streit der Woche zur Frage "Ist der Dr. wieder was wert?" schreiben außerdem die Ghostwriterin Aleksandra Fedorska, taz.de-Leser Andre Berthy, der Karriereberater Martin Wehrle und Heiner Hänsel, der seinen Doktortitel für 57 Euro kaufte.

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10 Kommentare

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  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Schreiben wir mal, die Blockaden in der Praxis schlagen oft in Blockaden der Theoriebildung um und zu. Gerade in den Geistswisssnchaften mit allen nicht MINT Fächern.

    Nietzsche dekretiert denn auch: "Der Gelehrte ist an sich unfruchtbar"....

     

    In den MINT Fächern ist es anders. Allerings muss der Adept gewarnt werden. Es sind entschieden antipädagogisch, verbergende, Literturattitüden, die ihm das Leben zusätzlich sauer machen. Das hat mit Technologietransfer, Militär und Professionsschutz zu tun.

  • PD
    Prof. Dr. E.-E. Doberkat

    Ich frage mich, was das für ein unsinniges und - tut mir leid - blödes Gerede ist. In der Mathematik, den Natur- und Ingenieurwissenschaften dauert eine Promotion in der Regel drei bis fünf Jahre, dort wird von einer Dissertation verlangt, daß sie neue Erkenntnisse zutage fördert. Ich habe gerade das Gutachten zu einer Dissertation in meiner Arbeitsgruppe (Software-Technologie) abgeschlossen, der Doktorand hat seit 2005 an dem Thema gearbeitet, ich habe mich mit ihm durchschnittlich alle zwei Monate für eine Stunde oder so getroffen, um seine Resultate zu besprechen (also insgesamt mehr als dreißig Mal) , habe etwa acht Entwürfe der Arbeit in verschiedenen Stadien gelesen und bin sicher, daß es sich um die eigenen Erkenntnisse des Doktoranden handelt. Diese Erkenntnisse bauen natürlich auf den Ergebnissen anderer Wissenschaftler auf, und sie fließen wieder in Arbeiten anderer Leute oder in Software-Werkzeuge ein. Diese Intensität der Betreuung und dieses Vorgehen ist nach meinen Beobachtungen typisch für die MINT-Fächer.

    Die Diskussion verengt sich unzulässig und fahrlässig auf den schmalen Bereich der zu Guttenbergs und ähnlicher Dissertationen. Darüber kann Herr Schneyder ja auch lästern, sollte sich aber bei allgemeinen Meinungsäußerungen über Dissertationen zurückhalten, da er offensichtlich keine Ahnung davon hat, wie es in anderen Fächern zugeht. Auch und gerade in den MINT-Fächern spielt die Musik.

  • R
    Ray

    Die erste These ist natürlich vollkommener Quatsch und nur als möglichst provokative Extremansicht zu verstehen. Es kommt immer auf die Einstellung an. Ich finde wenn jemand den Titel des Titels wegen will, dann sind das schonmal keine guten Startbedingungen.

     

    Für mich war die Dissertation ein ganz intensiver Prozess, das Thema hat mich zeitweise vollkommen "aufgefressen", ich war wie aufgelöst darin, und nach dem Abschluss war es ein bisschen als würde ich nach langer Krankheit wieder ins Leben zurückfinden. Das klingt drastisch aber ich glaub die große Mehrzahl der Doktoren/Doktoranden weiß wovon ich rede. UND: während der gesamten Zeit hab ich eigentlich nie an "den Titel" gedacht, das war belanglos, es geht doch um die Substanz und nicht um die 2 Buchstaben! Mag sein dass es tatsächlich viele "Papp-doktoren" gibt, aber ich kann dazu nur sagen dass es deren Sache ist, wenn sie ihre Lebenszeit auf so unwahrhaftige Weise verbringen- glücklicher sind sie dadurch auf lange Sicht bestimmt nicht geworden.

     

    Ich bin überzeugt dass die überwältigende Mehrzahl der Doktoranden es ordentlich "macht". Die Investition ist einfach zu groß, und die Sache einem zu "heilig", als dass man sie kurz vor Ende durch Mogeln/Abschreiben beschmutzen wollte/könnte.

  • R
    Rod

    Wer was auf sich hält, macht seinen Doktor schon lange im Ausland. In Deutschland heißt der Doktortitel nur, dass man jahrelang für einen Professor den Laufburschen gespielt hat. Bei einem amerikanischen oder britischen pHd dagegen steht die Forschung frei von jedweden anderen Verpflichtungen im Vordergrund.

  • R
    reblek

    "Schneyder selbst benötigte nach eigenen Angaben für seine Disseration 14 Tage." Für eine Ration reicht manchem die Zeit für ein Frühstück.

  • R
    Realist

    Man kann Herrn Werner Schneyder nur zustimmen.

    Die meisten Dissertationen haben nichts Wissenschaftliches an sich. Es sind reine "Literatur"-Arbeiten. Ein Dr. med. z. B. ist heute keinen Pfifferling mehr wert.

    Leider ist ein Titel heute keine Gewähr mehr dafür, dass sein Inhaber eine Kapazität ist. Leider !!

  • T
    Thomas

    Die Doktor-Arbeiten, das dürfte jedem klar sein, haben in den seltensten Fällen wirklich neues zu bieten. Zumeist sind die Zusammenfassungen aus verschiedenen vorangegangen arbeiten. Man belohnt weniger das, was drin ist, als die Tatsache, dass sich jemand nicht zu schade ist, ein paar Monate oder gar Jahre seines Lebens zu opfern um den Titel zu erhalten und auch abgestumpft genug ist, um automatisch darüberhinweg zu sehen, dass er keinerlei Mehrwert mit seiner Arbeit schafft. Mit solchen Leuten kann man in der modernen Deutschen Wissenschaftsverwaltungsgesellschaft etwas anfangen, die werden ganz sicher nicht widersprechen, wenn man viel Geld für nicht vorhandene Forschungsprojekte budgetiert. Insofern: entweder man macht den Titel wieder zu einer besonderen Würde oder er wird in Kürze wie das Abitur - jeder bekommt ihn, wenn er nur lange genug herumsitzt und sich nicht mit den Oberen anlegt.

  • C
    crowbar

    In vielen Fällen ist ein Doktortitel nur Prestige.

    Wofür brauchten Gutenberg, Koch-Merin und Stoibers Tochter den Titel?

  • C
    Celsus

    Wenn wir das so glauben würden, sollte jedeR mit erfolgreichen Studienabschluss den Doktortitel gleich bekommen. So geht es beim italienischen Dottore doch auch.

     

    Aber ich glaube nicht, dass der Normalfall bei Promotionen ist, dass da sehr große teile ein Plagiat sind und möglicher Weise ohnehin alles von einer dritten Person geschrieben wurde. Der Ghostwriter spätestens müsste es in eigener Angelegenheit doch schon gekonnt haben. Und nicht jedeR kann sich das leisten.

     

    Bei konservativer Einstellung scheint allerdings die geistige Trägheit und der intensive Wunsch nach einem Titel oft zusammenzutreffen. Und es ist auch ein gutes Mittel, um das Wahlvolk in eine unkritische Stimmung zu lullen und dann blindlings geglaubten Unfug zu schwadronieren. So jüngst Frau Merkel, die über griechische Renten redete, obwohl sie nicht einen Hauch von Ahnung hatte. Der Doktortitel mag selbst erarbeitet sein. Die geistige Leistung ist aber trotzdem äußerst schwach.

  • R
    rauhfuß

    Das mit den falschen Doktoren und dem Abschreiben sollte man auch mal nach Fachrichtungen beleuchten. Zwei der drei öffentlich bekannten Betrüger sind Juristen. Und Juristen stellen die größte Berufsgruppe im Bundestag. Gut, das reicht nicht, um einen Bezug herzustellen. Aber wirft schon ein schlechtes Licht auf den Dr. jur.

    Und zeigt, dass Juristen im Parlament deutlich überrepräsentiert sind, wo sie die Gesetze so erlassen, dass man für jeden sheiß einen Anwalt braucht.