Streit der Woche: Schäuble will private EU-Ratingagentur
Der Finanzminister fordert mehr Wettbewerb im Ratingmarkt. Agenturen in öffentlicher Hand allerdings würden vom Markt nicht akzeptiert.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will das Oligopol der drei großen Ratingagenturen aufbrechen. "Ein Schritt in diese Richtung wäre eine privatwirtschaftlich organisierte europäische Ratingagentur", konkretisiert der Minister seine Forderung im Streit der Woche der sonntaz. "Nur eine vom Staat unabhängige Ratingagentur hätte die Aussicht, vom Markt akzeptiert zu werden."
Auch sollten Investoren stärker zu einer eigenen Risikoeinschätzung angehalten werden, "denn auch die Ratings der Agenturen sind schlussendlich subjektive Einschätzungen, die immer auf bestimmten Annahmen für die Zukunft beruhen und zudem nicht immer frei von Interessenkonflikten sind." Die Bundesregierung unterstütze gezielt Initiativen des Financial Stability Board und der Europäischen Kommission, die Bedeutung externer Ratings in den aufsichtsrechtlichen Vorgaben – etwa den Eigenkapitalvorschriften für Banken – zu verringern.
Die Unternehmensberatung Roland Berger hat ihr eigenes Modell für eine europäische Ratingagentur schon erarbeitet und es der EU-Kommission, den Bankaufsichten und den Regierungen der Euro-Länder vorgelegt. Markus Krall, Partner bei Roland Berger, erklärt im sonntaz-Streit, warum er Ratingagenturen für unverzichtbar hält. "Ratingagenturen stellen die Transparenz und Informationsgleichheit zwischen Schuldnern und Gläubigern her", schreibt Krall.
Den ganzen Streit der Woche und zahlreiche weitere interessante Artikel lesen Sie in der sonntaz vom 23./24. Juli 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an Ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde noch mehr sonntaz auf: facebook.com/sonntaz.
Börsenmakler Dirk Müller, international als "Mr. Dax" bekannt, fragt sich hingegen, warum Banken die Risiken ihrer Anlagen nicht selbst bewerten würden. "Das ist ihre ureigenste Aufgabe. Dafür haben sie doch die Expertenstäbe." Die Fehleinschätzungen der großen Ratingagenturen, etwa in den Fällen von Lehmann oder Island, seien legendär. Müller kritisiert zudem die mangelnde Neutralität der großen Ratingagenturen, die den Vereinigten Staaten trotz drohendem Zahlungsausfall noch die Bestnote bescheinigten. "Nicht die Herabstufung der Europäer ist zu verurteilen, sondern die Blindheit, wenn es um Länder wie USA oder Großbritannien geht."
Im Streit der Woche lesen Sie außerdem, warum Derek Scally, seit elf Jahren Berlin-Korrespondent der Irish Times, sich bei der Ratingagentur Moody's im Namen seiner Landsleute für den Ramschstatus bedankt und was eine Volkswirtschaftlerin und der taz-Leser Tobias Fertsch von den Ratingagenturen halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge